Robert Menasse: Don Juan de la Mancha oder Die Erziehung der Lust. Suhrkamp. 18,80. 2007.
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Dieser Roman startet mit einem furiosen ersten Satz: "Die Schönheit und Weisheit des Zölibats verstand ich zum ersten Mal, als Christa Chili-Schoten zwischen den Händen zerrieb, mich danach masturbierte und schließlich wünschte, dass ich sie - um es mit ihren Worten zu sagen - in den Arsch f.i.c.k.e." Wer jedoch einen por.n.o.grafischen Roman erwartet, wird enttäuscht werden, auch wenn das Buch von Bettgeschichten nur so wimmelt. Nathan, der Protagonist dieses 273 Seiten kurzen Romans, gehört der 68er Generation an und erzählt sein bisheriges Leben in der Rückschau. Dabei konzentriert er sich auf sein S.e.xualleben, am Ende weiß man nicht mehr mit wie vielen Frauen er im Bett war und wie oft er denn nun verheiratet war. Atemlos, mit hohem Tempo und zugleich wunderbar leichten Erzählton springt er von einer Frauengeschichte zur nächsten, auch als Leser hastet man durch das Buch. Beiseite legen möchte man es nicht mehr, so sehr fesselt die innere Dramatik der hier erzählten Geschichten. Nathan sucht das Lebensglück in der Sexualität, die ihn inzwischen langweilt: "Es ist ein Irrtum zu glauben, dass man kaum noch Sex hat, nur weil man keine Lust auf Sex hat. Im Gegenteil: ich hatte nie ein so exzessives Sexualleben wie jetzt, wo Sex mich langweilt." Er breitet sein Leben, natürlich nur seine Wahrheit seines Lebens, vor seiner Therapeutin aus. Teilweise liegen die Berichte in schriftlicher Form als Hausaufgabe seiner Therapeutin vor. Die Kinder- und Studentenzeit werden beleuchtet. Beruflich ist er inzwischen Journalist, im oberflächlichsten Ressort, dass man sich vorstellen kann: "Leben". Nathan ist aber alles andere als oberflächlich, er sucht Tiefe. Er ist zudem Leser von Weltliteratur, Robert Walser, Handke, Updike, Roth, Dostojewskij.
Menasses Roman erinnert mich an andere Rückblicke, vor allem Philip Roths Jedermann. Während Roth sich größtenteils auf seine Krankheiten und Frauen beschränkt und durch seinen Ton ein großes Maß an Melancholie hervorruft, schreibt Menasse viel spritziger und ist an einigen Stellen äußerst komisch. Auf weniger als einer Seite wird eine Hochzeitszeromonie mit nur wenigen Worten originell beschrieben. Für wörtliche Rede benötigt er keine Anführungsstriche. Es kommt eine neue Zeile und dem Leser ist im Kopf sofort klar, dass diese Worte gesprochen werden. Gekonnt gemacht.
Menasse gefällt mir nicht nur im großen, sondern vor allem in den Details. Da gefällt ihm der erste Satz eines Romans ("Davon später mehr.") von Robert Walser und diesen Satz baut er immer wieder in seinen eigenen Bericht ein (er ist ja schreibender Journalist!). Er erzählt liebevoll von den Groschenheften seiner Mutter und wie er diese in der "Romanschwemme" (so hieß der Laden) besorgen musste.
Es gab beim Lesen einen Moment, da dachte ich, Menasse habe mit jemandem gewettet, dass es ihm gelänge, im nächsten Roman ein paar vorgegebene Wörter unterzubringen: Fruchtwasser, Mottenkugeln, Meerrettich, (vielleicht gibt es noch mehr dieser Art), .... Wenn man liest, wie Menasse diese Worte in seine Geschichte einbaut, dann wäre das genial - aber natürlich hat ihm wohl niemand diese Worte vorgegeben - daher ist es wohl "nur" amüsant.
Durch das hohe Erzähltempo bleibt das Innehalten ein wenig auf der Strecke, und das ist das einzige was ich dem Buch negativ vorhalten würde. Dieser Roman bietet mir ein wenig zu viele Interpretationsansätze, die Botschaft des Autors bleibt ein wenig hinter den amüsanten Szenen versteckt.
4ratten.
Gruß, Thomas