Historische Genauigkeit - ein Muss im historischen Roman?

Es gibt 289 Antworten in diesem Thema, welches 70.581 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Teres.

  • Hallo, Zoltar!


    Zitat von "Zoltar"

    Gut recherchiert heißt für mich: Im großen Zusammenhang der Epoche eingebettet, ohne Anachronismen widergegeben, jedoch en miniature durchaus selbsständig und frei erfunden.


    Genau darum geht 's! :smile:


    Zitat

    FAZIT: Wer beim Roman 100% des damaligen Lebens erwartet, hat nie von Sachbüchern gehört.


    100% können auch Sachbücher nicht leisten. Es geht einfach zuviel verloren, und Rekonstruktion erfordert auch Reflexion der Forschung, d.h. sowohl der Forschungsgeschichte als auch des aktuellen Forschungsstandes. Das können allerdings nur noch echte Fachbücher mit zahllosen Fußnoten und bibliographischen Verweisen leisten. Auch nicht gerade was zur reinen Unterhaltung. :smile:
    Obwohl ich mich ja richtig amüsieren kann, wenn in den Anmerkungen ein detaillierter und spitzzüngiger Forschungsstreit geführt wird! :zwinker:
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Zitat von "Iris"


    Obwohl ich mich ja richtig amüsieren kann, wenn in den Anmerkungen ein detaillierter und spitzzüngiger Forschungsstreit geführt wird! :zwinker:
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:


    Hallo Iris!


    Ja, die Eierköppe, gell? Es gibt keine zänkischsten Menschen auf der Welt! Das müssen sie aber auch, im Interesse der Wahrheitsfindung, sein.

    Gruß zurück! :blume:

    Gesegnet diejenigen, die nicht gegoogelt haben, und dennoch glauben.

  • Zitat von "arsinue"

    was heute noch als historisch korrekt gilt, kann morgen schon aufgrund neuer erkenntnisse vollkommen verworfen sein.


    Stimmt sicher. Ich bin aber der Meinung, dass das keinem Autor die Recherche erspart.


    Zitat von "arsinue"

    was ich damit sagen will, dass sich ein autor noch so auf seine historische fakten berufen kann, es aber vielleicht in ein paar jahren widerrufen muss. ... vielleicht sollten solche autoren einmal überdenken, was sie so selbstverherrlichend von sich geben und vielleicht auch mal in ihren werken die anmerkung machen: "nach den heutigen erkenntnissen recherchiert".


    Dann hätte aber auch jeder zeitgenössische Roman ein Problem, selbst wenn der Autor die Umstände kennt, weil er selber darin lebt. Um bei meinem Beispiel Vergiftung zu bleiben: Verschiedene Gifte lassen sich erst seit geraumer Zeit nachweisen, andere nach wie vor nicht. Schreibe ich heute hochaktuell und perfekt recherchiert, dass das Gift xy einen Mord ohne Beweis ermöglicht, stimmt das in 10 Jahren ja auch nicht mehr!
    Selbst eine profane Biersorte kann in den kommenden Jahren von der Bildfläche verschwinden und künftige Leser wundern sich, was der Protagonist da in sich reinkippt.


    Zitat von "arsinue"

    was ich auch noch richtig übel finde, sind aussagen von autoren, dass ihre charakteren der damaligen zeit entstammen könnten, sie also genauso handeln, wie es damals ein 08/15 erdbewohner getan haben muss. ach ja? lebten diese autoren etwa mit solchem menschen zusammen?


    Da komme ich wieder mit meinen zeitgenössischen Romanen: Wenn Dich Erna von 1735 nicht interessiert, warum dann Erna von 2005? Wer einen aktuellen Roman schreibt, weiß schließlich auch nicht, was seine Personen wirklich tun/tun würden/getan haben - selbst wenn die Story auf einer wahren Begebenheit basiert. Hätte der Autor eine andere Hauptperson gewählt, hätte die freilich anders auf eine Begebenheit reagiert, aber das Buch wäre vielleicht langweilig, hätte eine völlig andere Aussage, man müsste eine völlig andere Story entwickeln...


    Für mich bedeutet eine solche Behauptung eines Autoren erst mal nur, dass bestimmte Verhaltensmuster, die er einsetzt, am wahrscheinlichsten sind - aufgrund seiner Recherche eben. So wie Du die Aussage bewertest, empfinde ich sie als überinterpretiert.

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  • Ich persönlich finde es schon wichtig, dass die Hintergrundinfos so genau an den historischen Fakten sein sollten wie nur möglich aus dem Grund, ich habe keine Ahnung. Ich weiß nicht, wann welcher König was entschieden hat und warum, etc. Daher glaube ich automatisch, dass die AutorInnen es besser wissen müssen, was da geschrieben wurde und vertraue darauf, dass sie nicht kompletten Blödsinn schreiben. Also nicht das sie Personen in eine Zeit ansiedeln, die da gar nichts zu suchen haben. Oder wenn sie schon historische Fakten fälschen (wegen dem literarischen Effekt, wie zum Beispiel bei der Päpstin, wo sie irgendeinen König an einen Ort erschienen ließ, wo er niemals war), dann sollten sie schon im Nachwort erwähnen, wer da wirklich war oder wie es sich wirklich ablief.


    Für mich ist es bei der Erwähnung von Fakten schon wichtig, dass sie so genau wie möglich sind.

  • Es geht ja auch darum, dass besonders jene Autoren, die historisch komplett ungenau sind, oftmals dazu neigen, am Anfang bzw. am Ende eines Romans von ein Kommentar abgeben, so in etwas "Vieles im Roman ist wahr und ist auf Fakten basiert" ohne anzugeben, was nun wahr oder unwahr ist.


    Diese Kommentare dienen nur dazu, beim Leser das Gefühl "so könnte es gewesen sein" zu wecken.


    Meiner Erfahrung nach machen das meistens die schlechtesten Autoren so. Die haben es auch echt nötig. :breitgrins:

  • Zitat von "Historikus"

    Es geht ja auch darum, dass besonders jene Autoren, die historisch komplett ungenau sind, oftmals dazu neigen, am Anfang bzw. am Ende eines Romans von ein Kommentar abgeben, so in etwas "Vieles im Roman ist wahr und ist auf Fakten basiert" ohne anzugeben, was nun wahr oder unwahr ist. ... Meiner Erfahrung nach machen das meistens die schlechtesten Autoren so. Die haben es auch echt nötig. :breitgrins:


    Sowas in der Richtung hatte Iris auch schon mal gepostet. Das heißt in etwa, dass zwei von 12 Fakten OK sind, daher stimmt die Behauptung einigermaßen und schon ist im Auge des Lesers das komplette Buch abgenickt?
    Ich hatte es ihr ja erst nicht so ganz geglaubt, weil ich ja immer erst das Gute im Menschen vermute. Was wohl auch stimmt. Aber das Gute in der Werbung ist offensichtlich ein ganz anderes Kapitel.

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  • Der hier auch gelegentlich mitpostende Tom Liehr hat innerhalb einer Amazon.de-Rezension zum unten angegebenen Buch etwas sehr Zutreffendes zum Thema geschrieben:
    »Historische Romane sind schwer in Mode. Ihr Reiz liegt darin, einerseits - teils recht oberflächliches - Wissen um vergangene Zeiten zu transportieren, andererseits vergleichbar mit "Fantasy" Erlebniswelten zu erschließen, die mit unserer Jetztzeit kaum vergleichbar sind, überschaubar und irgendwie behaglich daherkommen.«
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Für mich ist es sehr wichtig, das in einem historischen Roman die historischen Details und Zusammenhänge absolut stimmen.
    Der Held ist ja meist erfunden, wenn es im "fly-on-the-wall" - Stil ist, aber die historischen Persönlichkeiten sollten dann schon alle stimmen.


    Ein exzellentes Beispiel dafür ist z.B. "Minutus der Römer" von Mika Waltari. spannend zu lesen und während man durch das Leben des fiktiven Helden wandert bekommt man den genauen historischen Background von Claudius bis Tiberius mit.
    Ich hab immer wieder mit Wikipedia und Google gecheckt und jedes Detail stimmte (soweit es eben historisch bekannt ist).


    Ich hab allein in dem Buch mehr über römische Geschichte gelernt und auch behalten, als in 8 Jahren Latein- und Geschichtsunterricht.


    Ein anderes gutes Beispiel ist "London" von Rutherford in dem man so ganz nebenbei 2000 Jahr engl. Geschichte mitbekommt.

  • Ach ja - und dann sind mir die "Kleinigkeiten" auch sehr wichtig, die mit dem Alltagsleben der jeweiligen Epoche zu tun haben.


    Wenn also auf einmal jemand im Jahr 1200 Tomatensalat isst oder sich ein Mönch im Jahre 600 eine Brille aufsetzt dann leg ich das Buch weg.

  • Zitat von "Iris"

    römische Legionäre mit den Schwertern auf ihre Gegner einhauen


    Hi,


    ich hole den Thread mal ein bisschen hoch, weil mir das hier aufgefallen ist, und ich mich damit ein wenig beschäftigt habe.


    Es ist durchaus nicht falsch einen Legionär mit seinem Schwert zuhauen zu lassen.
    Die römischen Legionen haben sich mit den Jahrhunderten stark verändert, aber eines blieb immer gleich: Das Schwert war sowohl als Hieb- als auch als Stichwaffe sehr gut geeignet.


    Die Legionäre vor den Marianischen Reformen zahlten und kauften die Ausrüstung selbst, und hatten damit eine vielfältige Ausstattung. Die Schwerter orientierten sich an den keltischen, ägyptischen (Kopis) und griechischen (Xiphos) Waffen. Mit den Punischen Kriegen (und der Marianischen Heeresreform) wurde nach und nach der Gladius hispaniensis (wahrscheinlich aber nicht von den Spanieren abstammend) in seinen Ausprägungen Typ Fulham (älter) und Mainz (hat sich auch weit in die imperiale Armee gehalten) - benannt nach den Fundorten - durchgesetzt. Diese Schwerter waren kurz, hatten eine blattförmige Klinge, eine lange Spitze und eigneten sich damit hervorragend als Stichwaffe aber auch als Hiebwaffe (breite Klinge am Schlagpunkt). Es gibt einige historische Quellen, die von abgetrennten Gliedmaßen durch diese Waffen sprechen (Polybius, Trajansäule, Adamklissi Monument) bzw. zeigen solche Abbildungen.


    mainz-klein.jpg
    Gladius Typ Mainz (Replikation)



    Später in der imperialen Legion bzw. in der Berufsarmee nach der Marianischen Reform ersetzte nach und nach der Gladius Pompeji (wieder nach dem Fundort) die älteren Typen. Dieses Kurzschwert hatte eine gerade Klinge mit einer kürzeren Spitze, was dazu führte, dass alle Eigenschaften der älteren Typen als Hieb- und Stichwaffe beibehalten wurden, aber die Herstellung viel einfacher und billiger war (Armeen sind teuer...). Das ist auch die Art von Legion, die man sich gemeinhin vorstellt, wenn man "römische Legion" hört.


    pompeji-klein.jpg
    Gladius Typ Pompeji (Replikation)


    Die Legionen des späten Imperiums (250-400 nach Christus) bestanden großteils aus Germanen und anderen "Barbarenvölkern" und hatten auch bald durchgesetzt, dass sie ihre gewohnten Langschwerter benutzen durften, die bisher eher bei den berittenen Einheiten üblich waren - die Spatha wurde zum Hauptschwert der Legion. Einhändige, lange Waffen, die vor allem als Hiebwaffen gedacht sind, aber auch als Stichwaffen gut funktionieren. Diese wurden auch links getragen, nicht mehr rechts. Diese Schwerter waren auch die Vorläufer der vertrauten einhändigen Schwerter die archetypisch fürs Mittelalter dargestellt werden.


    spatha-klein.jpg
    Spatha (Replikation)


    Ein Grund warum der Gladius gern als reine Stichwaffe dargestellt wird, sind Berichte von Vegetius, der aber leider nie einen römischen Legionär mit einem Gladius gesehen haben dürfte bzw. die Ideen der "Forscher" des 19. Jarhunderts. Dieselben die von schweren, kruden, stumpfen, plumpen Schwertern (bzw. von Rittern, die aufs Pferd gehoben werden mussten) des Mittelalters sprechen, und damit auch entsprechend nicht mehr wirklich ernstgenommen werden können (das zeigt auch schön, dass sich Erkenntnisse über frühere Zeiten oft schnell ändern, manchmal braucht es nur einen Fund (Kalkriese - Varusschlacht).


    Um ein bisschen On-Topic in das Post reinzubringen:
    Historische Romane sollen zumindest den Eindruck geben, dass sich der Autor mit der Zeit beschäftigt hat, kleine Fehler verzeihe ich gerne, wenn es aber gar zu schlimm ist, komme ich mir als Leser nicht ernstgenommen vor, hat sich der Autor ja offensichtlich nicht mal die Mühe gemacht, sich mit dem Thema näher zu beschäftigen.

  • Hallo, Lt.! ;)


    Danke für den ausfürhlichen Beitrag und die schönen Aufnahmen, die für so manchen Forumsnutzer sicherlich sehr aufschlußreich sind.


    Zitat von "Dunbar"

    Es ist durchaus nicht falsch einen Legionär mit seinem Schwert zuhauen zu lassen.
    Die römischen Legionen haben sich mit den Jahrhunderten stark verändert, aber eines blieb immer gleich: Das Schwert war sowohl als Hieb- als auch als Stichwaffe sehr gut geeignet.


    Das wollte ich eigentlich auch nicht völlig bestreiten -- nur macht eine Hiebwaffe an sich im Massennahkampf mehrerer hintereinander gestaffelter Phalangen kampftechnisch keinen Sinn; das ist mir von einigen Experten, die diesen "Sport" auch aktiv betreiben, immer wieder bestätigt worden.
    Es ging mir auch vor allem um die Kampftechnik in den Legionen der frühen (und mittleren) Kaiserzeit.


    Von den Pilumsalven zu Beginn einer Schlacht einmal abgesehen: Eine schildgepanzerte Schlachtreihe (acies) römischer Legionäre drückte in der Schlacht mit der lückenlosen Schildreihe unter dem Massendruck der nachdrängenden Reihen gegen die Reihe(n) der Gegner. Außerdem stießen die Legionäre (von Hilfstruppen ist hier nicht die Rede!) über den Rand der Schildreihe mit den Spitzen ihrer Schwerter nach den Gesichtern der Gegner; dabei vollführten sie (vermutlich!) eine Stoßbewegung mit einer leichten Drehung, um die Wahrscheinlichkeit zu erhöhen, zwischen die Lücken der Panzerung zu gelangen und um die Schwere der Verletzung durch die Drehung der Klinge in der Wunde zu erhöhen. Ziel der Verletzungen war es, die Gegner auszuschalten, um so Lücken in die gegnerische Reihe zu schlagen.
    Wenn die Gegner rückwärts gedrängt wurden, gerieten einige zwanglsläufig ins Straucheln, ihre Reihen wurden dadurch unordentlich und Lücken entstanden, die den Gegner verwundbarer machten.


    Allerdings vermeidete die Kampftechnik der Legionäre Handgemenge; Legionäre waren offenbar gehalten, stets Formationen zu bilden, die eine Auflösung in äußerst verwundbare Knäuel von einzelnen Soldaten verhinderte. (Du schriebst es ja selbst: Armeen sind teuer)
    Nichtsdestotrotz wurde ein Gegner auch niedergehauen -- allerdings nur wenn ausreichend Platz vorhanden war, schon allein um keinen eigenen Mann versehentlich mit zu verletzen, denn für das Hauen braucht man Platz zum Schwungholen.


    Übrigens findet sich diese Technik auch bei den Musketieren der frühen Neuzeit und anderen mit Feuerwaffen ausgerüsteten Nahkampfeinheiten: Zuerst werden mehrere Kugelsalven auf den Gegner abgegeben (auf die genaue Anordnung und Schußfolge will ich jetzt hier nicht eingehen, das führt einfach zu weit); dann wird die gegnerische Front mit zuvor aufgepflanzten Bajonetten in geschlossener Reihe attackiert.
    Durch das Fehlen effektiver Defensivausrüstungen beim neuzeitlichen Massennahkampf fiel dieser auch für beide Seiten weitaus blutiger aus.


    Eine Schlacht einer Legion muß man sich also als massives, perfekt durchorganisiertes Drängen und Schieben vorstellen, das einzig dem Zweck diente, die gegnerische Formation durch Abdrängen in Unordnung zu bringen. Sobald die gegnerischen Masse instabil wurde, ging es darum, möglichst kleine Gruppen zu isolieren und zunächst einmal weiterhin gepanzert niederzustechen. Erst wenn auf dem Schlachtfeld richtig Platz war, konnte "gefahrlos" gehauen werden. Und da das damalige Schlachtziel war, dem Gegner möglichst massive Schäden zuzufügen, damit er so schnell nicht wieder zu Kräften geht, wurden selbstverständlich in dieser Phase des Kampfes auch sehr viele Unterliegende durch Zuhauen, also Verletzungen mit der Schneide des Schwertes, verletzt und getötet.
    Das erklärt die reichen Funde, da der Hauptteil der Toten erst nach der ewigentlichen Entscheidung, nämlich von dem Augenblick an, an dem der Gegner sich zur Flucht wendet, anfielen.
    Aber das Niederhauen war auch weitgehend die Aufgabe der Flügel, d.h. der Reiterei, die dann von allen Seiten in die versprengten, flüchtenden Grüppchen einfiel.


    Die längeren Schwerter der Reiterei sind daher selbstverstndlich ebenfalls Stich- und Hiebwaffen -- wobei ich als alte Reiterin massiv bezweifele, daß die Schwungbewegung bei der Nutzung eines Schwertes als Hiebwaffe im Kampf (!) für einen Reiter dauerhaft zuträglich ist: Die Bewegung eröffnet schließlich verwundbare Stellen am Körper -- auch ein Segmentpanzer ist keineswegs lüchenlos, schon gar nicht "von unten gesehen".


    Daß die römische Reiterei statt des gladius der Legionäre die spatha benutzte, hat einen rein praktischen Grund: Die Länge der Klinge eines glaudius vom Typ Pompeji beträgt 40 - 50 cm (Typ Mainz bis 60 cm), das ist schlichtweg zu kurz für den Kampf zu Pferd; daher wurde in der Reiterei die spatha mit einer Klingenlänge von 60 - 70 cm vorgezogen, die wiederum beim Massennahkampf eher hinderliche Längenausmaße gehabt hätte.


    Zitat

    (Armeen sind teuer...)


    Stimmt -- Heldentum ist kostspielig. Das ist auch der Grund, weshalb die römische Armee Kampftechniken den Vorzug gab, die im Angriff die eigenen Soldaten schonte und bei den Formationen auf solche setzte, die Handgemenge (den sogenannten "hand-to-hand combat") meidet. Außerdem verfügte man seit der Zeit Caesars über eine bestens organisierte medizinische Versorgung. Tiberius z.B. ließ Schwerverwundete in seinem eigenen Wagen zum Lazarett (valetudinarium) transportieren.
    Schließlich ist auch die Ausbildung neuer Soldaten eine sehr kostspielige Sache, die weitestgehend von den Kaiser persönlich getragen werden mußte -- auch wenn die römische Armee insofern Kostendämpfung betrieb, als die Soldaten ihre ausrüstung auf Pump erhielten und mit dem Sold abstotterten.


    Zitat

    Ein Grund warum der Gladius gern als reine Stichwaffe dargestellt wird, sind Berichte von Vegetius, der aber leider nie einen römischen Legionär mit einem Gladius gesehen haben dürfte bzw. die Ideen der "Forscher" des 19. Jarhunderts.


    Umgekehrt wird ein Schuh draus! Erstens ist Vegetius längst nicht der Trottel, als den ihn ein Teil der britangelsächsisch-amerikanischen Forschung gerne hinstellt. Zweitens ging im 19.Jh. ein Gutteil der Forschung schon aus reinem Patriotismus vom hauenden und stechenden Legionär im offenen Handgemenge aus, was selbstverständlich grundfalsch ist. Im übrigen war es ausgerechnet die von etlichen (Hobby-)Militärhistorikern verachtete kontinentaleuropäische Forschung, die die Rekonstruktion der römischen Kampftechniken entscheidend vorangebracht und vom Unfug so mancher Idee wie z.B. der der Lederpanzer befreit hat.
    Fröhliche Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Und ich dachte immer ich wäre der Einzige der sich mit so nem Scheiss freiwillig beschäftigt...


    Bei Marineliteratur gibt's gewisse Fehler auch immer wieder: die Schiffe können sich viel zu schnell bewegen. Eine Wende dauert im Buch meist zwei drei Minuten und dann ist das ganze vorrüber. Tatsächlich dauert es wohl 5 - 10x länger. Aber das macht das Buch dann nicht so spannend.


    Olo

  • Hallo, Hans Olo! ;)

    Zitat von "hans-olo"

    Und ich dachte immer ich wäre der Einzige der sich mit so nem Scheiss freiwillig beschäftigt...


    Offen gestanden fand ich den "Scheiß" immer ungeheuer spannend -- und am spannendsten waren Forschungsgeschichte und -vergleich. Zumal man dabei sehr schnell lernt, daß die jeweilige Forschung sehr, sehr viel über den Forscher und sein zeitgenössisches Umfeld aussagt -- oft mehr als über das eigentliche Thema. :rollen: [size=9px](Vermutlich geht mir das auch nicht anders ...)[/size]:breitgrins:


    Zitat

    Eine Wende dauert im Buch meist zwei drei Minuten und dann ist das ganze vorrüber. Tatsächlich dauert es wohl 5 - 10x länger. Aber das macht das Buch dann nicht so spannend.


    Man könnte bei jeder Wende endlos Breitseiten verschießen und Schiffe versenken, gell? :breitgrins:
    Fröhliche Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Hallo,


    Ich habe mich jetzt nicht durch das ganze Thema gekämpft und nur diagonal gelesen.


    Tanja Kinkel zählt zu meinen Lieblingsautorinnen und die hält sich bekanntlich auch nicht immer an die historische Genauigkeit. Da wird auch schon mal eine Begebenheit, wenn sie gerade passt zeitgeschichtlich nach vorne gezogen oder nach hinten verschoben. Und in Anhang erklärt sie was nicht genau stimmt.


    Aber ehrlich gesagt so richtig interessiert hat mich das nicht. Wenn ich ein solches Buch lese, dann lese ich eine Geschichte die mich fesselt, dann denke ich nicht mehr darüber nach ob das auch zeitlich stimmt. Und wer guckt schon jede Kleinigkeit im Geschichtslexikon nach?


    Und wenn mich eine Epoche doch mal näher interressieren sollte, kann ich immer noch in einem Fachbuch nachlesen.


    Ist nur meine Meinung.


    Grüße
    epona

    ***********************************<br />Unsere Weisheit stammt aus unserer Erfahrung, und unsere Erfahrung stammt aus unseren Dummheiten.<br />(Sascha Guitry)

  • Zitat von "epona"

    Tanja Kinkel ... hält sich bekanntlich auch nicht immer an die historische Genauigkeit. Da wird auch schon mal eine Begebenheit, wenn sie gerade passt zeitgeschichtlich nach vorne gezogen oder nach hinten verschoben. Und in Anhang erklärt sie was nicht genau stimmt.


    Tanja Kinkel tut damit etwas, was viele der hier im Thread kritisierten Autoren eben gerade nicht tun: Sie sagt, wo Macken in der Zeitschiene sind. Nach der Lektüre kannst Du Dein Weltbild wieder gerade rücken und hast trotzdem einen unterhaltsamen Roman gehabt.
    Offensichtlich ist es aber so, dass andere Autoren Sprünge machen und das für bare Münze verkaufen. Und den historisch versierten Postern hier im Thread nach sind viele derartige Fehler vermeidbar.


    Zitat von "epona"

    Aber ehrlich gesagt so richtig interessiert hat mich das nicht. Wenn ich ein solches Buch lese, dann lese ich eine Geschichte die mich fesselt, dann denke ich nicht mehr darüber nach ob das auch zeitlich stimmt. Und wer guckt schon jede Kleinigkeit im Geschichtslexikon nach?


    Der Witz ist m.E. der, dass viele Leute ihre historische Bildung aus der Belletristik holen. Das ist nix Schlimmes. Ich freue mich, wenn ich in den Cadfael-Romanen noch neben dem Mord mitbekomme, wie damals ein Kräutermönch arbeitete oder was im Alltagsleben so alles üblich war. Viele Macken bekomme ich auch nicht mit, weil ich keine Fachfrau bin.


    Schlimmer wird es, wenn man bestimmte Fehldaten mit in seine "Allgemeinbildung" übernimmt und z.B. (wie Iris mal geschrieben hat) das Mittelalter für grottenschlecht und zurückgeblieben hält. Dasselbe Problem besteht übrigens bei allen Romanen, für die recherchiert werden muss. Als Normalleser recherchiert man ja nicht selber und vertraut einem Autor. Jeder von uns hat sich wahrscheinlich schon dabei erwischt, dass er weitererzählt "Ich habe gerade gelesen, dass es im Xy Jahrhundert keine öffentlichen Bäder gab" etc. Oder?
    Und dann ärgert es mich im Nachhinein doch, wenn ich mitbekomme, dass ich einem Irrglauben aufgesessen bin und verkehrte Stories erzählt habe.

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  • Hallo zusammen,


    Zitat von "Bettina"


    Tanja Kinkel tut damit etwas, was viele der hier im Thread kritisierten Autoren eben gerade nicht tun: Sie sagt, wo Macken in der Zeitschiene sind. Nach der Lektüre kannst Du Dein Weltbild wieder gerade rücken und hast trotzdem einen unterhaltsamen Roman gehabt.


    Ja, mit dieser Art Fehler kann ich auch leben. Manchmal passt die Geschichte eben nicht zu den Einfällen der Autoren. Man könnte natürlich argumentieren, dass der Autor dann kreativer werden muss :zwinker: , aber das mag nicht immer helfen. Und wenn im Nachwort diese Abweichungen erklärt sind, finde ich es ok.


    Zitat von "Bettina"

    Schlimmer wird es, wenn man bestimmte Fehldaten mit in seine "Allgemeinbildung" übernimmt und z.B. (wie Iris mal geschrieben hat) das Mittelalter für grottenschlecht und zurückgeblieben hält. Dasselbe Problem besteht übrigens bei allen Romanen, für die recherchiert werden muss. Als Normalleser recherchiert man ja nicht selber und vertraut einem Autor. Jeder von uns hat sich wahrscheinlich schon dabei erwischt, dass er weitererzählt "Ich habe gerade gelesen, dass es im Xy Jahrhundert keine öffentlichen Bäder gab" etc. Oder?
    Und dann ärgert es mich im Nachhinein doch, wenn ich mitbekomme, dass ich einem Irrglauben aufgesessen bin und verkehrte Stories erzählt habe.


    Ja, geht mir genauso. Gerade bei Alltagsbeschreibungen gehe ich davon aus, dass das so passt und käme gar nicht auf die Idee zu recherchieren (wäre bei einigen Fragen wohl auch ziemlich aufwändig). Und wenn ich dann mitbekomme, dass geschlampt wurde, bin ich schon sauer :grmpf:


    Schade, dass wir nicht einmal einen dieser "großzügigen" AutorInnen zum Literaturschock-Kreuzverhör laden können :teufel:


    Liebe Grüße
    Manjula

  • Also ich finde schon das man einem Autor gewisse Dichterische Freiheiten zugestehen kann aber andereseits find ich es auch wichtig das die Rahmenbedinungen stimmen und nichgt irgendetwas dazuzuerfinden wird was zu der Ziet noch gar nicht sein konnte

  • Zitat

    Also ich finde schon das man einem Autor gewisse Dichterische Freiheiten zugestehen kann aber andereseits find ich es auch wichtig das die Rahmenbedinungen stimmen und nichgt irgendetwas dazuzuerfinden wird was zu der Ziet noch gar nicht sein konnte


    Wenn ein Historischer Roman kleinere Fehler beinhaltet - für mich kein Problem, solange diese wenn möglich im Vorwort oder Nachwort aufführen, wie es manch bekannte Autoren machen, wie zum Beispiel Gable.


    Ganz schlimm ist aber Trend mancher Historischer-Roman-Autoren, ihre Leser ganz bewusst zu verschaukeln.


    Wilde Fantasyromane als Historische-Romane zu verkaufen, Verschwörungstheorien als Fakten zu verbreiten.


    Es ist ein interessanter Trend, dass Nicht-Fakten, die offensichtlich spannender und attraktiver sind, mehr geglaubt werden, als wissenschaftlich untermauerte Fakten.


    Und das wissen natürlich alle Autoren, und einige wenige nutzen das leider aus, zu Gunsten des Geldes.


    Das ist ein bedenklicher Trend, und ich bin der Meinung, wir Leser sollten uns das nicht gefallen lassen.


    Gruß

  • Ja da kann ich dir nur zustimmen. Mich ärgert das auch sehr. Ich lese ja solche Romane auch weil mich die Zeit interessiert in der der jeweilige Roman spielt und da möchte ich dann schon wissen wenn der Autor ein ganz kleines bissl mit den Fakten gespielt hat. Ich les ja auch Sachbücher aber ich möcht nich jedesmal eins aufschlagen müssen nur weil ich mir nicht sicher bin ob mir der Autor wieder mal nur irgendwas untergejubelt hat