Zitat von "T.R.Mielke"Alles anzeigen"Man nenne mir auch nur EINEN sogenannten historischen Roman, der nicht zum überwiegenden Teil frei erfunden oder (was noch viel üblicher und schlimmer ist) nach den Klischees von AutorIn, Verlag und den potentiellen Lesern geschrieben ist!
Natürlich gibt es einige wenige nach bestem Wissen und Gewissen recherchierte Romane. Autoren wie Felix Dahn und Gustav Freitag gehören vielleicht dazu, Gisbert Haefs, auch Tanja Kinkel mit ihren Puppenspielern. (Nur mal ein Beispiel: Astrid und ich haben 4 Jahre an ATTILA recherchiert, alles gelesen, was es dazu gab und sind durch halb Europa zu den Schauplätzen und zu den örtlichen Archiven gereist - und schon ergab sich ein völlig anderes Attila-Bild als wir selbst bis dahin ebenfalls geglaubt hatten). Unser besonderes Aha-Erlebnis: Die historische Wissenschaft ist keinesweg ein Leitfaden wie nach mathematischen Formeln, sondern verändert sich jeden Tag.
Der Mehrzahl der heutigen Verfasser von historischen Romanen ist es ohnehin vollkommen wurscht, das es im alten Rom weder Kilometer noch Minuten oder Sekunden gab. Man spricht grundsätzlich von "Ihr" und "Euch", weil das seit den 3 Musketieren und Hollywood schon mal als ganz toll historisch gilt. Dann wird gesoffen und gefurzt, mit dem Schwert rumgehampelt und der armen heimatlosen Unschuld vom Lande unter den Rock gegriffen. Toll = Courths-Mahler läßt grüßen und Rezept für einen Bestseller.
Die Frage ist (wie beim Fernsehen) immer, was man eigentlich vermitteln will - die trockene Fakten-Pille INFO+WISSEN mit etwas Unterhaltungs-Zuckerguß. Oder die schiere Kinderschokolade mit den winzigen Alibi "viel Milch wenig Kakao" (was auch schon eine ganz bewußte Publikumsverdummung ist, weil die Füllmasse Magermilchpulver weitaus billiger und wertloser ist als Kakao und Kakobutter).
Ich habe bei der gegenwärtigen Entwicklung keine großen Hoffnungen. Die Vergangenheit ist längst zum alten Lappen geworden, die wohlfeil ausgequetscht werden kann. Dabei könnten die meisten der heutigen Romane völlig beliebig überall und zu jeder Zeit spielen. Das wirklich Andere und Fremde erschließt sich heute keinem Leser mehr. Was (nur ein Beispiel) verstehen wir von der Weltuntergangsangst und der Gläubigkeit eines mittelaltelichen Menschen? Von seiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod? Wir verstehen ja auch nicht, warum sich junge Menschen nur ein, zwei Flugstunden entfernt mit Sprengstoff in die Luft jagen. "
Ich habe hier einen Teil von T.R. Mielke aus der "Orlando Furioso" Leserunde kopiert.
Ich denke in dieser Aussage ist viel Wahres zu finden.
Egal ob historischer oder fantastischer Roman.
Die meisten Leser möchten sich unterhalten. Somit muß das Buch eine bestimmte Atmosphäre vermitteln, die Sprache gehört dazu.
"Modernes Deutsch" passt eben nicht in einen "historischen" Roman, da geht das ganze historische Gefühl kaputt :smile:
Im Bereich Fantasy kann das sogar geprüft werden:
Der Herr der Ringe in alter und neuer Übersetzung. Die neue, moderne Übersetzung hat dem Buch doch einigen Charme genommen.