Elisabeth Herrmann - Die siebte Stunde (Joachim Vernau 2)

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  • Elisabeth Herrmann – Die 7. Stunde


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    Inhalt:
    Joachim Vernau ist Anwalt für Strafrecht, und seine Geschäfte gehen schlecht. Deshalb nimmt er das Angebot an, an einer privaten Eliteschule den „Teen Court“ zu leiten, in dem die Schüler der Abiturklasse kleinere Vergehen an der Schule selbst diskutieren und maßregeln. Verschwiegen wurde ihm allerdings bei diesem Angebot, dass eine Schülerin dieser Klasse vor kurzer Zeit Selbstmord begangen hat.
    Schon bald fällt ihm auf, dass sich seine Schüler merkwürdig verhalten, sie scheinen vor irgendetwas große Angst zu haben. Dann ereignet sich am „Tag der offenen Tür“ auch noch ein Unfall – eine Schülerin wird fast vergiftet.
    Vernau fängt an zu recherchieren und Fragen zu stellen. Dabei kommt er in Kontakt mit der ansässigen Larp-Szene und muss sich mit der Welt der Rollenspiele auseinandersetzen. Dabei lernt er, dass die Grenzen zwischen Spiel und Realität schnell verschwimmen können.
    Der Roman spielt in der heutigen Zeit in Berlin


    Dies ist der zweite Roman um Joachim Vernau und seine Anwaltskollegin Marie-Luise Hoffmann.


    Der erste Satz (nach dem Prolog):
    „Es war ein träger Spätsommertag, und ich hörte sie kommen, noch ehe ich sie zum ersten Mal sah.“


    Meine Meinung:
    Dieses Buch ist ein echter Krimitipp! Ich bin absolut begeistert.


    Die Personen – sowohl die Haupt- als auch die meisten Nebenfiguren – sind wunderbar gezeichnet.
    Besonders Joachim Vernau ist sehr sympathisch dargestellt, Gott sei Dank nicht als Superanwalt, sondern als Mensch, der mit Pleiten, Pech und Pannen umgehen muss. Er muss lernen, dass sich ein Arbeitskreis der Abiturklasse nicht „eben mal so“ unterrichten lässt. Dies bringt ihn auch dazu, sein Verhältnis zu den eigenen Eltern und der eigenen Schulzeit in einem neuen Licht zu sehen. (Diese „Vergangenheitsbewältigung“ steht aber nur im Hintergrund. Ich will nur sagen, dass die Personen wie im richtigen Leben ihr Päckchen zu tragen haben.)


    Das Buch ist rasend spannend geschrieben, ich konnte es nicht aus der Hand legen, obwohl ich die letzten 50 Seiten (trotz Brille) nur noch mit „eckigen Augen“ gelesen habe. Am Anfang hat man beim Lesen nur ein komisches Gefühl der Gefahr, dies steigert sich im Lauf der Zeit ins Extreme. Und die Lösung des Falles brachte eine große Überraschung, auf die ich wirklich nicht vorher kam.


    Die Dialoge sind lebendig und teilweise sehr witzig. Besonders der Schlagabtausch zwischen Vernau und seiner Kanzleikollegin Marie-Luise Hoffmann hat mich immer wieder zum Lachen gebracht. Überhaupt kommt der Spaß in diesem Buch nicht zu kurz, Vernaus Kampf mit seinem Uralt-Volvo wird so etwas wie ein Running-Gag. Dabei ist der Humor nicht platt oder plakativ, er erscheint beiläufig und unerwartet, so dass ich als Leserin meistens davon überrascht wurde, was die Wirkung natürlich noch steigerte.


    Humorvoll (dabei aber ohne zu veräppeln!) sind auch Vernaus erste Erfahrungen mit der Berliner Larp-Szene beschrieben. Da ich mich in diesem Bereich überhaupt nicht auskenne, war es für mich sehr interessant zu lesen, wie diese Rollenspiele funktionieren. Elisabeth Herrmann schreibt auch in ihrem Nachwort, dass sie aktiv an solchen Spielen teilgenommen hat, also denke ich, dass sie schon weiß, wovon sie schreibt. Am besten gefiel mir Vernaus Spieler-Name: Hadar Hosea vom Hohen Blick zur Rabeneiche.
    :totlach:


    Nur einen kleinen Punkt habe ich zu bemängeln, und zwar dass die Autorin am Ende einen ziemlich großen Joker aus dem Hut zieht – jedenfalls habe ich beim Lesen vorher nirgendwo einen Hinweis dazu gefunden, liegt vielleicht auch an mir.


    Auch wenn es „Vorgängerbuch“ (Titel: Das Kindermädchen) gibt, kann man dieses Buch gut lesen, ohne den vorangegangenen Band zu kennen. Ich habe z. B. erst jetzt beim Schreiben der Rezension festgestellt, dass es diesen Vorgängerband gibt, beim Lesen fehlte mir rein gar nichts.


    Ich gebe 4ratten:marypipeshalbeprivatmaus: und noch ein :tipp:


    Viele Grüße von Annabas :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()


  • Besonders Joachim Vernau ist sehr sympathisch dargestellt, Gott sei Dank nicht als Superanwalt, sondern als Mensch, der mit Pleiten, Pech und Pannen umgehen muss.


    Ich habe bisher leider nur den ersten Band gelesen (mein diesjähriges Osterwichtelbuch), war aber auch von der Figur Joachim Vernau sehr angetan.
    Auf "Die 7. Stunde" freue ich mich auch schon.

  • Mittlerweile ist das Buch als Taschenbuch erschienen und bildete meine erste SLW 2009 Lektüre.


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    Elisabeth Herrmann ist wirklich eine Bereicherung für die deutsche Krimilandschaft!


    In ihrem zweiten Fall schickt die Autorin den glücklosen Anwalt Joachim Vernau als Aushilfslehrer für den "Teen Court" an eine elitäre Privatschule in Berlin Pankow, um die Kanzlei vor der drohenden Pleite zu retten.
    Schnell zeigt sich, dass es in dieser Klasse nicht mit rechten Dingen zu geht. Vor einem Jahr hat eine Mitschülerin Selbstmord begangen und noch heute sind die Mitschüler verstört, ja verängstigt.
    Joachim Vernau möchte helfen, stößt aber bei den Rektoren, den Lehrern, wie auch den Schülern auf Schweigen. Vernau lässt sich davon jedoch nicht abhalten, recherchiert und landet hierbei unverzüglich in einem Larp, Live Acting Role Play.
    Doch was hat ein Rollenspiel mit dem Selbstmord einer Schülerin zu tun? Wovor hat die Klasse Angst? Zumal diese Angst berechtigt scheint, gibt es bald einen Mordversuch an einer Schülerin dieser Klasse.


    Das Buch ist, wie schon von Annabes beschrieben, absolut spannend. Ich mochte die Lektüre gar nicht mehr zur Seite legen. Nicht nur, weil es eine mehr als spannende Geschichte ist, sondern auch weil diese mit viel Liebe zu Details und tollem Humor geschrieben wurde. Die zwischenmenschlichen Beziehungen, sei es zwischen Vernau und seiner Mutter, oder zu Marie-Luise, seiner Kanzleikollegin, machen die Geschichte menschlich und glaubhaft. Hier agieren Menschen wie du und ich, mit Schulden, Hoffnungen und Idealen. Einfach wundervoll und dazu noch absolut spannend.



    Am besten gefiel mir Vernaus Spieler-Name: Hadar Hosea vom Hohen Blick zur Rabeneiche.


    Vor allem wenn man bedenkt, wie er an den Namen kam: so hieß der Hund einer ehemaligen Nachbarin seiner Mutter. Genial :breitgrins:


    Wie schon von Annabes erwähnt, kann man diesen Band als Einzelband lesen. Es macht aber noch mehr Spaß, wenn man den Band "Das Kindermädchen" gelesen hat. Zum einen weil es ein qualitativ genauso anspruchsvoller Krimi ist, zum anderen lernt der Leser die Umstände kennen, die ihn in die Kanzlei von Marie-Luise brachten.


    5ratten und für die absolut sympatische Figur des Joachim Vernau :tipp:

    Einmal editiert, zuletzt von Papyrus ()

  • Hallo zusammen,


    nachdem ihr mir ja bereits schon länger den Mund wässrig gemacht habt, kann ich nun berichten, dass die recht große Erwartungshaltung keinesfalls enttäusch wurde.


    Die 7. Stunde war jetzt mal ein ganz anderer Krimi. Fernab der sonst so üblichen Schemen hatte ich hier das Gefühl ein Gesamtwerk zu betrachten, in dem nicht ausschließlich der Fokus auf den kriminellen Handlungssträngen lag. Elisabeth Hermann hat hier sehr vielschichtig gearbeitet und stets die jeweiligen Stränge gekonnt ineinander verflochten. Dabei standen die einzelnen menschlichen Charaktere in einer großartigen Weise im Vordergrund. Gerade den vielleicht erfolglos erscheinenden Rechtsanwalt Joachim Vernau empfand ich hier als sehr interessant und authentisch gezeichnet. Egal ob im privaten Bereich oder auf seiner Mission als Aushilfslehrer an einer privaten Eliteschule, er erzeugte in mir stets ein sehr menschliches Bildnis, dem ich jederzeit gerne gefolgt wäre. Hierbei war es egal ob es gerade um seine nicht gerade einfache Beziehung zu seiner Mutter und deren Wohnungsgenossin „Hüthchen“ ging, um eine neue, sich vielleicht anbahnenden Beziehung zu einer Lehrer-Kollegin aus der Hauptschule von gegenüber oder aber um seine nächtlichen Ausflüge in die Welt der Larp-Szene, die mir sehr interessante Eindrücke in die Welt der Rollenspiele vermitteln konnte. Ich fand jeden einzelnen Ausblick in dieser Geschichte einen wahren und bereichernden Genuss bei dem ein gekonnter Humor keinesfalls zu knapp angesetzt war ohne überzogen zu wirken. Dies alles zusammen mit einem sehr spannenden und vor allem ansprechenden Kriminalplott verstrickt betrachten zu können war letztendlich ein purer Lesegenuss für mich. Ein Vergnügen, dass mich nicht nur einmal die späte Urzeit vergessen ließ…


    Immer wieder schafften es kleine Episoden um zum Teil ganz alltägliche Dinge mir hier und da kleine Amüsements zu entlocken, oder mich auch mal nachdenklich zu stimmen. Ich denke hier vor allem auch an das weltoffene Hüthchen, den tatkräftigen, polnischen Jazek, die sympathische Marie-Luise (ich habe sie in diesem kunterbunten Fummel geradezu aus dem Laden flitzen sehen :breitgrins: ) oder den abgewrackten alten, fast schon liebgewonnenen Volvo. Aber auch die Gedanken um die Beziehung zu ehemaligen Lehrern, ausgelebten Rollenspielen und Existenzängste waren sehr gut in Szene gesetzt. Joachims Künstlernamen „Hadar Hosea vom Hohen Blick zur Rabeneiche“ und dessen Herkunft innerhalb der Larp-Szene, die ihre dunklen Rollenspiele des mitternachts in düsteren Ecken zum Höhepunkt trieben, war natürlich auch für mich ein süffisantes Grinsen wert.


    Ansprechend, farcettenreich und überraschend anders wird dieses spannende Buch ganz sicherlich nicht mein letztes von Elisabeth Herrmann gewesen sein.
    Von mir deshalb volle Punktzahl: 5ratten


    Liebe Grüssle
    Marion :winken:

    "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt." Mahatma Gandhi

  • Wie kann es sein, dass mir dieses Buch trotz sehr regelmäßiger Besuche auf diesem Forum durch die Lappen gegangen ist? Und dabei bin ich doch ein großer Fan von Büchern, die sich in irgendeiner Art mit Schülern/Studenten beschäftigen. Ts ts ts...


    Sagt mal, sollte ich Teil 1 der Reihe lieber zuerst lesen um mich mit den Ermittlern vertrauter zu machen?


    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)

  • Hallo Muertia,
    sicher ist es immer gut, wenn man die Chance hat mit dem ersten Buch einer Reihe einzusteigen. Gerade aus dem von Papyrus benannten Grund. Ich an deiner Stelle würde dies sicher auch getan haben, hätte ich mit Die 7. Stunde nicht spontan ertauscht. :zwinker:
    Auf der anderen Seite kann ich Annabas Bemerkung aber auch noch einmal hervorheben:



    Auch wenn es „Vorgängerbuch“ (Titel: Das Kindermädchen) gibt, kann man dieses Buch gut lesen, ohne den vorangegangenen Band zu kennen. Ich habe z. B. erst jetzt beim Schreiben der Rezension festgestellt, dass es diesen Vorgängerband gibt, beim Lesen fehlte mir rein gar nichts.


    Mir hat auch nichts gefehlt. Aber neugierig bin ich jetzt im Nachhinein auf den ersten Band natürlich trotzdem. :breitgrins:


    Liebe Grüssle
    Marion :winken:

    "Die Größe und den moralischen Fortschritt einer Nation kann man daran messen, wie sie ihre Tiere behandelt." Mahatma Gandhi

  • Hallo miteinander,


    der erste Band lohnt sich natürlich auch - und wenn man sich die Bücher eh anschaffen will, fängt man natürlich besser am Anfang an.
    Aber ich habe es ja schon gesagt, man kann "Die 7. Stunde" auch ohne Vorwissen lesen.


    apassionata: Freut mich, dass dir das Buch auch so gut gefallen hat! :smile:


    Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo ihr Lieben,
    danke für eure Antworten. Ich werde dann wohl doch mit Teil 1 beginnen und mich vortasten.
    Auch wenn ich mir ja eigentlich vorgenommen hatte, keine neue Krimireihe mehr zu beginnen...aber ich
    kann einfach nicht widerstehen. :tse:


    Viele Grüße,
    Muertia

    :lesen: Rebecca Gablé - Der dunkle Thron<br />SuB: 6 (+16 bereits bestellte Bücher, um den SuB mal ein wenig aufzuwerten)


  • Auch wenn ich mir ja eigentlich vorgenommen hatte, keine neue Krimireihe mehr zu beginnen...


    Och, die Reihe umfasst ja erst drei Bücher - und ein Viertes ist so viel ich weiß auch erstmal nicht in Sicht.
    Das ist doch überschaubar. :zwinker:


    Grüße von Annabas :winken:

  • Joachim Vernau ist pleite. Die Praxisgemeinschaft in der er arbeitet hat nicht genügend zahlungskräftige Kunden und so sind sie mit der Miete in Rückstand und das Auto dürfte den baldigen TÜV-Termin wohl auch kaum überstehen. Da kommt das finanziell sehr großzügige Angebot einer Privatschule gerade recht: Er soll dort einmal in der Woche eine Stunde lang den „Teen Court“ leiten, eine Arbeitsgemeinschaft in der Schüler aus der Oberstufe über Verstöße gegen die Schulordnung befinden du Urteile sprechen. Die rigiden Regeln kommen Joachim schon bald komisch vor, aber dass ihm niemand erzählen will, was mit der Schülerin passiert ist, die vor den Ferien noch in seiner Klasse war, wurmt ihn besonders und so macht er sich daran, die Hintergründe auf eigene Faust zu erforschen.


    Nachdem mir „Das Kindermädchen“ mit der gleichen Hauptfigur schon überraschend gut gefallen hatte, bin ich mit entsprechend hoher Motivation an „Die 7. Stunde“ heran gegangen. Die beiden Bücher ließen sich aber vermutlich auch ganz gut unabhängig voneinander lesen. Elisabeth Herrmann schafft es, ihren Helden eine völlig neue Geschichte erleben zu lassen und dabei trotzdem seine Identität zu wahren. Zwischen den Themen der beiden Krimis könnte es kaum einen größeren Unterscheid geben, denn diesmal geht es nicht um die Vergangenheit, sondern um das „Untergrundleben“ junger Menschen in Berlin. Die Autorin zeigt dabei einiges an Kenntnissen über LARP (Live Action Role Playing), die zumindest für einen relativen Laien ziemlich fundiert wirken, vor allem, ohne dass es so wirkt, als würde sie irgendetwas übertreiben. Nebenbei geht es auch um unser Bildungssystem. Die exklusive Privatschule, an der Vernau arbeitet, liegt direkt gegenüber einer Hauptschule, die wegen Bauarbeiten vom eigentlichen Standort in einem Problemviertel hierhin umgezogen wurde, was ein gewisses Konfliktpotential ergibt.


    Mir hat „Die 7. Stunde“ sehr gut gefallen, den dritten Band um Joachim Vernau habe ich schon auf meinem Einkaufszettel notiert.


    4ratten

  • Ich kann mich den begeisterten Kritiken (die ausschlaggebend dafür waren, dass ich den Krimi las) anschliessen. Mir hat der Krimi aus den von euch genannten Gründen ebenfalls gut gefallen, es gab nur wenige Abstriche zu machen.


    Im Detail:


    Inhalt:
    Strafrechtsanwalt Joachim Vernau bekommt ein ungewöhnliches Angebot: Er soll einmal pro Woche eine 12. Klasse in einer Berliner Privatschule betreuen. Der so genannte Teen Court ist ein Kurs, in dem die Klasse Verstösse gegen die Schulordnung verhandelt und Urteile ausspricht. Und Regeln, die gebrochen werden können, gibt es an der noblen Schule haufenweise.


    Da Vernau Geld braucht, nimmt er den Auftrag an und merkt bald, dass mit der Klasse etwas nicht stimmt. Im Jahr davor hatte sich eine Schülerin umgebracht, der Grund dafür scheint ein aus dem Ruder gelaufenes Rollenspiel gewesen zu sein. Allerdings sind weder die Schulleitung noch die Klasse selber sehr auskunftsfreudig und irgendwie wird Vernau das Gefühl nicht los, dass das verbotene Spiel immer noch im Gang ist.


    Meine Meinung:
    Elisabeth Herrmann hat mit «Die 7. Stunde» einen rasanten Krimi geschrieben, bei dem sich der Leser mitten im Geschehen befindet. Man folgt Joachim Vernau auf Schritt und Tritt und ist immer exakt auf dem selben Wissensstand wie er. Das sorgt für grosse Spannung, zumal ab einem gewissen Punkt jederzeit mit dem nächsten Mordanschlag auf einen Schüler gerechnet werden muss.


    Und da kommen wir gleich zum einzigen inhaltlichen Schwachpunkt des Romans: Spätestens, als nach einem Anschlag auf eine Schülerin die Polizei eingeschaltet wird, hätte Vernau mit seinem bisherigen Wissen auspacken sollen. Stattdessen wurstelt er weiter vor sich hin und informiert die Polizei nicht über die Dinge, die er bereits in Erfahrung gebracht hat. Dass er ein paar Infos auf äusserst seltsamen Wegen bekommen hat, dürfte dabei eigentlich keine Rolle spielen und das sollte er als Anwalt wissen.


    Auch wenn die seltsamen Wege für den Durchschnittsbürger tatsächlich suspekt sind: Vernau begibt sich in die Szene des Live Action Role Plays, kurz Larp. Dabei treffen sich vorwiegend junge Menschen, um nach vorher festgesetzten Regeln Vampirkriege, mittelalterliche Szenarien oder Horrorgeschichten nachzuspielen. Dabei geht es äusserst ernsthaft zu mit Rollennamen und -charakteren, die während des Spiels in jedem Fall eingehalten werden müssen. Vernau ist diese Welt völlig fremd und entsprechend unheimlich ist es ihm auch, als er in einem mitternächtlichen Park plötzlich von Vampiren umgeben ist. Dass solche Szenarien schwer zu erklären sind, ohne dass man dabei einen verrückten Eindruck hinterlässt, ist begreiflich. Trotzdem hätte Vernau es versuchen müssen, auch wenn das dem Roman eine ganz andere Richtung gegeben hätte.


    Davon abgesehen ist ein durchaus realistischer Roman entstanden, in dem es nicht nur um Larper und privilegierte Jugendliche geht, sondern auch um solche, die weniger Glück hatten und sich an einer öffentlichen Schule durchschlagen. Zudem darf der Leser auch an Vernaus Privatleben teilhaben, das recht kompliziert zu sein scheint (da hätte man vielleicht zuerst den Vorgänger «Das Kindermädchen» lesen sollen, um diverse Andeutungen zu verstehen. Vernau ist Single und ein geselliger Typ, der sich die Schwarzmeer-Bar zum Stammlokal auserkoren hat, wo er mit seiner Kanzleipartnerin und allerhand kurioser Berliner Gestalten abhängt. Diese Szenen und auch die, in denen es um die Reparatur des kanzleieigenen Uralt-Volvos geht, nehmen ab und zu ein wenig das Tempo raus, erzeugen aber trotzdem keine Längen. Die kleinen Verschnaufpausen tun eher gut als dass sie stören würden.


    Die Auflösung des Falles ist konsequent und stimmig, mit einem Detail, das (wie der oben unterlassene Gang zur Polizei) mir nicht ganz realistisch schein. Eine Person, die zugegebenermassen alles andere als dicht ist, aber noch nie vorher eine Schusswaffe in der Hand hatte, schiesst jemanden aus der Nähe kaltblütig nieder. Das scheint mir ein wenig dick aufgetragen, schliesslich müssen da gewisse natürlich Hemmschwellen überwunden werden, die recht hoch sind. Auch wenn man einen an der Klatsche hat. Möglich ist es, aber nicht sehr plausibel. Das sind die kleinen Abstriche in einem insgesamt sehr gelungenen Roman.


    Fazit:
    Ein lesenswerter Krimi mit einem symphatischen Anwalt als Hauptdarsteller. Besonders geeignet für Leser, die gerne mitten im Geschehen sind und mitknobeln wollen.


    8 von 10 Punkten.

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

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    Nach "Das Kindermädchen" ist "Die siebte Stunde" der zweite Teil von Elisabeth Herrmanns Krimireihe rund um den Anwalt Joachim Vernau, der diesmal in einer ganz anderen Umgebung als sonst tätig wird - an einer Schule. Schnell wird klar, dass in der Klasse, die er unterrichten soll, etwas nicht stimmt: seit dem Suizid einer Schülerin im vergangenen Jahr geraten die anderen SchülerInnen unter Druck und Vernau findet bald heraus, dass diese Ereignisse mit einem Live Acting Role Play (LARP) in Zusammenhang stehen. Doch das ist erst der Anfang...


    Elisabeth Herrmann schildert die Geschehnisse rund um die Schule glaubwürdig und nachvollziehbar, das Wiedersehen mit den ProtagonistInnen und die kleinen Anekdoten rund um diese herum sind natürlich schön und runden die Handlung ab. Da ist zunächst Vernau selbst, dessen Stimme den Krimi erzählt, aber auch Marie-Luise und Kevin in der Kanzlei, und Joachims Mutter und Hüthchen sind ohnehin eine Klasse für sich, ihr überraschender Umzug in ein Fabrikloft ist einfach nur unterhaltsam.

    Die Krimihandlung ist spannend und schlüssig, wirklich gestört hat mich aber das Finale auf dem Dachboden. Das war mir definitiv zu blutig und zu unglaubwürdig und dabei ist mir auch der Protagonist zu sehr zum Helden mutiert, das passt nicht unbedingt zu seiner sonstigen Darstellung.


    Insgesamt eine spannende Fortsetzung der Reihe um Vernau, die nächsten Bände liegen schon bereit.

    4ratten

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Elisabeth Herrmann - Die 7. Stunde (Joachim Vernau 2)“ zu „Elisabeth Herrmann - Die siebte Stunde (Joachim Vernau 2)“ geändert.