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Kanada ist nicht nur das Land der englisch- und französischsprachigen Einwohner, auch gälisch - schottisches Gälisch - ist dort nach wie vor lebendig. Die 200jährige Geschichte eines schottischen Einwandererclans lässt Alistair MacLeod in dieser wunderbar poetisch-melancholischen Familiengeschichte wieder auferstehen.
Cape Breton im Südosten Ontarios ist das Land, das Calum MacDonald um 1780 bei seiner Emigration aus dem von Hungersnöten gebeutelten Schottland in Besitz nimmt. Seitdem hat sich der Clan in ganz Nordamerika und darüber hinaus verbreitet, das Zusammengehörigkeitsgefühl als Familie ist allerdings nach wie vor das Bindeglied zwischen all diesen Menschen. Erst die jüngste Generation hat sich zumindest teilweise einen gewissen Wohlstand erarbeitet, allerdings ist die Vergangenheit als Fischer, Bauer, Leuchtturmwärter oder Minenarbeiter noch sehr lebendig.
Dieser Gegensatz wird sensibel aufgezeigt durch das Brüderpaar Calum und Alexander MacDonald. Alexander hat studieren können und sich eine sichere, gutsituierte Existenz als Kieferchirurg aufgebaut, während Calum, der weitaus älter ist und seit dem frühen Verlust der Eltern schon als Teenager auf eigenen Beinen stehen musste, aus einem Leben als Minenarbeiter in den kanadischen Uranminen in eine Gefängnisstrafe und die Existenz als Alkoholiker abgerutscht ist. Eine Begegnung zwischen diesen beiden ungleichen Brüdern bildet die Rahmenhandlung der Erzählung, in der Alexander als Ich-Erzähler die Geschichte des Clans und seiner eigenen engeren Familie aufblättert.
Wesentliches Element ist dabei einerseits die Verbundenheit zwischen den Menschen und dem eigenen Land, dem sie ihren Lebensunterhalt abringen und der Landschaft, durch die sie seit ihrer Kindheit geprägt wurden, und andererseits die Verbundenheit zwischen den Clanmitgliedern. Kleine Episoden, wie sich die MacDonalds überall auf der Welt plötzlich wieder- und anerkennen illustrieren diese Verbundenheit ebenso wie die gemeinsame, gälische Sprache und die vielen Geschichten, Legenden und Lieder, die teilweise aus der schottischen Heimat mit herüber gekommen sind und sich teilweise auch aus der Erinnerung an vergangene Generationen gebildet haben. Diese Grundhaltung des “Sich umeinander kümmerns” heißt dabei nicht Verlust der eigenen Identität, sondern der selbstbewusste Rückgriff auf Traditionen, die den Einzelnen erst in der Gemeinschaft als Ganzes erleben. Chancen für ein besseres Leben werden in der neuen Heimat dabei ebenso genutzt, wie in der Verteidigung dieser Gemeinschaft auch Einzelschicksale zerschlagen werden.
Zyniker mögen dieses Konglomerat von unzerstörbarem Gemeinschaftssinn und den poetischsten Landschaftsbeschreibungen, die ich seit langem gelesen habe, als kitschig empfinden. Aber die Welt der MacDonalds ist kein Idyll, Schicksalsschläge, Un- und Todesfälle werden intensivst erlebt und beschrieben. Letztendlich klingt aber in jedem Unglück, in jeder Episode der letzte Satz des Buches durch: “Wir sind alle bessere Menschen, wenn uns jemand liebt.”
Alistair MacLeod wird von Michael Ondaatje als der “größte zu entdeckende Schriftsteller unserer Zeit” gelobt. Diese Reise in die Welt der schottischen Emigranten und in die Großartigkeit kanadischer Landschaften ist auf jeden Fall ein lohnender Ausflug.