So... im Urlaub hab ich jetzt auf den zweiten Anlauf geschafft "Das Glasperlenspiel" nun endlich doch komplett zu lesen .....
Ich werde mich jetzt mal ganz vorsichtig an eine Besprechung wagen.
Das Glasperlenspiel
Versuch einer Lebensbeschreibung des Magister Ludi Josef Knecht
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Zunächst zum Inhalt:
Das Glasperlenspiel ist kein einheitliches Buch im Sinne eines Romans der von vorne bis hinten durchgeht.
Das Buch gliedert sich in mehrere Abschnitte:
1. Einleitung über das Glasperlenspiel
2. Lebensbeschreibung des Magisters Ludi Josef Knecht
3. Josef Knechts hinterlassene Schriften (Gedichte und 3 Lebensläufe)
1.
Bereits die Einleitung stellt an den Leser eine hohe Herausforderung, denn noch sehr abstrakt wird darin der Ursprung des (imaginären) Glasperlenspiels dargestellt, als ein hochgeistiges, über alle wissenschaftlich logischen Zusammenhänge und Universitätssparten, hochgelehrte "Spiel" . Ich bin mir ziemlich sicher daß ich damals (kann mich aber nicht mehr genau daran erinnern) beim ersten Leseversuch vor ungefähr 20 Jahren schon an dieser Einleitung gescheitert bin. Zuviel hab ich nicht verstanden und zuviel hat mich schlicht gelangweilt. Nun 20 Jahre später mit etwas Lebenserfahrung und vielleicht auch allgemeinem Wissen mehr (und vor allem dem Wissen daß eine Einleitung normalerweise nicht endlos ist und sich öfter mal zieht) überwand ich also diese Hürde.
Dazu ist zu sagen, daß sie viele einzelne interessante Gedanken enthält und daß man sie benötigt um der Geschichte später sinnvoll zu folgen. Allerdings empfehle ich - einfach lesen, das aufnehmen was man in dem Moment bereit und in der Lage ist und dann den Rest des Buches lesen. Am Ende ... die Einleitung nochmals lesen , vieles ist dann klarer.
2.
Danach folgt die Lebensbeschreibung eines Mannes mit Namen Josef Knecht, beginnend bei seiner Kindheit bis zu seinem Tod. Er wurde als Waise schon als kleiner Junge in die "imaginäre" Welt auf unserer realen Erde - Kastalien - aufgenommen, die zum einen Zentrum und Ausbildungsstätte des Glasperlenspiels ist, eine geistige Elitewelt und zu anderen eine Art wissenschaftlicher Orden mit strengen, klaren Aufstiegs- und Lebensregeln ist, in der Frauen übrigens keine Rolle spielen , Frauen existieren nur "draußen" im "echten" Leben, genauso wie "Familie" und "Arbeit" um sich sich seinen Lebensunterhalt zu finanzieren. Innerhalb des Ordens gibt es nur die rein geistige Hinwendung zur Wissenschaft, zur Forschung, Vervollkommnung und zum Glasperlenspiel. Allenfalls Freundschaften bilden sich heraus ....
Zurück aber zur Lebensbeschreibung: Josef wächst also in den Schulen Kastaliens heran und ist ein ruhiger, eher introvertierer, aber immer eigenständig denkender Schüler. Natürlich hat auch bei ihm die Pupertät gewisse rebellische, freitheitsliebene Auswirkungen und außerdem lernt er noch einen Jungen der "echten" Welt kennen der nur Gastschüler in Kastalien ist und der sich für ihn zu einer größeren Prüfung seiner kastilischen Überzeugung entwickelt, ihm aber letztlich zum Freund wird der für sein ganzes Leben wichtig sein wird.
Josef wird seines Lebens, nach seiner Studentenzeit, zum herausragenden Glasperlenspieler und steigt in der Hierarchie (die zeitweise arg detailliert beschrieben wird) Kastaliens auf, zu einem der höchsten Posten.
Dort angelangt nehmen seine Gedanken und sein Leben durch vielerlei Einflüsse einen für Kastalien und den Orden ungewöhnlichen Weg ....
3.
Am Ende der Lebensgeschichte sind ihr Schriften des Josef Knecht nachgestellt.
Zum einen die Gedichte die er im Laufe seiner Schüler - und Studentenzeit geschrieben haben soll.
Hier möchte ich das Gedicht "Stufen" herausheben: Immer schon eins meiner liebsten Gedichte . Dieses Gedicht ist eng mit der ganzen Geschichte, des Lebens Josef Knechts, wie im Grunde mit jedem Leben verbunden und es war für mich einer der Aspekte, die das Buch für mich dann im Nachhinein doch so besonders lesenswert machte. Das Gedicht ist auch in die Lebensgeschichte geflochten.
Zum anderen folgen dann noch drei Lebensläufe die der Student Josef Knecht an seine Schulleitung als einzige Auffgabe während seiner freien Studienjahre zu liefern hatte. Sie heißen "Der Regenmacher" "Der Beichtvater" und "Indischer Lebenslauf" . Diese drei Lebensläufe stellen einerseits eigenständige Kurzgeschichten dar und stehen andererseits in engem Zusammenhang mit Knechts Gedanken und seinem Leben.
Meine Gedanken dazu (sicherlich nicht abschließend und nur ein kleiner Teil dessen was mir im Verlauf des Buches und danach durch den Kopf flitzte und was man im allgemeinen dazu sagen kann) :
Wie ja schon gesagt ... diese Buch hat es mir nicht ganz leicht gemacht, schon beim Lesen nicht, aber noch schwieriger ist für mich jetzt hier eine Rezension zu schreiben. Ich versuche es aber trotzdem weil ich denke daß das Buch hier auf jeden Fall seinen Platz haben soll und weil ich mir vorstellen könnte, daß jeder der es mal gelesen hat, dazu den ein oder anderen Gedanken dazu beitragen möchte.
Zunächst erzähle ich kurz wie es dazu kam daß ich gerade jetzt das Glasperlenspiel gelesen hab obwohl ich ja nicht mehr ein ganz altertypischer junger Hesse-Leser bin, den meist liest man Hessebücher ja in frühen Jahren, wie auch ich das getan hab. So mit 16, 17 Jahren konnte ich mich schon sehr für Bücher wie "Narziss und Goldmund" , "Siddhartha" , "Freunde" u.ä. begeistern. Dann folgte erstmal eine sehr lange Hessepause.
Vor ca. 2 Jahren (also nach fast 20 Jahren ) fiel mir ein Gedicht auf, daß ich seither liebe, es heißt "Beim Schlafengehen" und ist von H. Hesse, daraufhin kaufte ich mir einen Gedichtband und fand viele mir sehr zusagende, mir aus der Seele sprechende Gedichte des Autors u.a. auch "Stufen", aber auch noch einige andere. Daraufhin bekam ich Lust wieder einmal Hesse zu lesen und begann mit "Siddhartha" , las mich durch diverese kürzere Geschichten wie "Die Morgenlandfahrt" (was sich besonders bei dieser Geschichte als sehr hilfreich für "Das Glasperlenspiel" herrausstellte) und andere, durch "Der Steppenwolf" usw. Ich stelle fest daß Hesse mir immer noch zusagte, wenn inzwischen auch auf andere Art. Natürlich seh ich manche Dinge anders, nicht mehr so eindeutig wie damals und manchmal fühlte ich mich sehr belehrt, manchmal spricht der Autor doch wie ein wissender Lehrer der uns auf den "richtigen" Weg führen will und bei sowas wehr ich mich im Inneren recht schnell, gleichzeitig wehre ich mich bei vielen Passagen dann doch irgendwann gg. diese rein geistige Betrachtung des Lebens, den das ist nur ein Teil des "echten" Lebens der oft das sinnliche, handfeste Leben ausgrenzt und doch sprechen mir viele seiner typischen Gedanken und Ideale und seine leise Melancholie doch immer noch aus dem Herzen.....
Vielleicht hab ich mir doch noch mehr aus meiner Jugendzeit bewahrt als ich dachte
Was "Das Glasperlenspiel" abhebt von anderen Hesse-Büchern ist vielleicht genau die Erkenntnis die auch Josef Knecht im Laufe seines Lebens macht, daß das geistige Leben zwar viel gibt und viel lehrt, den Menschen intellektuell bildet und in ungeahnte geistige Ebenen führt , daß dies aber nicht das ganze Leben ist. Daß die Welt "außerhalb" Kastiliens, außerhalb der geistigen Elitewelt .... einfach zum Leben gehört, letztlich das Leben ist und das man das Leben erleben und nicht "nur" erdenken muß.
Ein Thema mit dem Hesse sich in allen Büchern befasst, die Trennung (oder Verbindung) zwischen geistiger und tatsächlicher Welt und deren Wertigkeit findet hier eine Art "Abschluß", zumindest seh ich das (ohne wirklich alles von Hesse gelesen zu haben) . Im Grunde tritt mit "Das Glasperlenspiel" eine Art Ernüchterung in Hesses Werk, ein Art intensiverer Realitätsbezug, der die hohe, ausschließlich geistige Welt ein wenig auf den Boden der Tatsachen bringt. Hm.. im Grunde sehr schwer zu beschreiben. Ich hoffe man versteht ein wenig was ich ausdrücken möchte.
Weiter finden sich in dem Buch viele der typischen Hessegedanken wieder und anders verwoben. Die lebenslang währende Entwicklung des Mensch, die ewige Suche nach einem Sinn und der Bezug auf die tiefen Werte wie Liebe und geistige Vollendung, Vervollkommnung und die Suche nach innerer Ruhe, seine persönlichen Motive wie die Liebe zur Musik und zu vielfältigen Wissenschaften und der Versuch alles zu vereinen, einen Grundgedanken, eine Symbiose aus all dem zu finden. Genaus das spricht mich so an Hesse an - der lebenslange Versuch die Verbindung von gestern, heute und morgen zu schaffen, die Verbindungen zwischen den Menschen und der Welt, dem Leben zu suchen. Aber das geht jetzt alles über eine Rezension etwas hinaus und ist auch kaum in Worte zu fassen, ist mehr ein Gefühl.
Das Leben ist nicht so ideal wie Hesse es sich wünscht (und aus diesem Wissen daraus entstanden ja u.a. all seine Gedanken) , die Erklärungen nicht so einfach und eine geistige Anschaung nicht so ohne weiteres ins raue Leben transportierbar und ich bin nicht so weltfremd das nicht zu wissen und trotzdem geben mir Hesses sprachlich so schön (manchmal fast zu eindeutig) vermittelte Ideale immer mal wieder ein wenig Kraft und Auftrieb mit manch innerem Gefühl vielleicht doch nicht völlig allein dazustehen.
Ich empfehle "Das Glasperlenspiel" erst nach Lektüre mehrerer anderer Hesse-Bücher zu lesen, insbesondere "Siddhartha" und "Die Morgenlandfahrt" und "Der Steppenwolf" fand ich hilftreich um jetzt das Buch komplett zu lesen und vielleicht in Ansätzen auch zu verstehen.
Nicht umsonst ist es das Abschlußwerk von Hermann Hesse. Das Ende eines vielleicht langen inneren Weges, der die geistige Welt mit dem vollständigen, echten Leben verbindet und vielleicht sogar versöhnt. Das eine geht nicht ohne das andere und das hat auf seinem Weg auch Josef Knecht erfahren müssen und schon in jungen Jahren geahnt.
Ein Buch über die innere Entwicklung eines Menschenlebens, gültig allein nur für den imaginären Josef Knecht und doch auf eine besondere Art für fast jedes Menschenleben
Zur Abrundung hier noch das Gedicht "Stufen" aus dem Buch, den das ist die beste Inhaltsangabe und Rezension des Buches die es im Grunde gibt:
Stufen
Wie jede Blüte welkt und jede Jugend
dem Alter weicht, blüht jede Lebensstufe,
Blüht jede Weisheit auch und jede Tugend
zu ihrer Zeit und darf nicht ewig dauern.
(Hermann Hesse)
[size=8]EDIT: Habe aus Copyrightgründen den Rest des Gedichtes gelöscht. Wer es weiter lesen will: eine Internetsuche bringt reichlich Treffer. LG, Saltanah
Und auch diese Gedicht finden manche Leute nervig, weils so belehrend, schulmeisterlich wirkt (wirken kann) .... ich mochte es immer und hab es immer so verstanden wie es auch im Buch wunderbar erklärt worden ist, den dieser Kritik stellt der Autor sich auch im Buch. Aber das soll man ruhig selber nachlesen
Ich hoffe ihr könnte ein bisschen was mit dem Geschriebenen anfangen, wie gesagt, ich tu mich nicht ganz leicht hier ne Rezesion abzugeben, dafür ist das Buch viel zu umfangreich und muß mindestens nochmal gelesen werden. Allein über die drei Lebensläufe am Ende könnte man jeweils noch etwas schreiben, aber im Grunde sieht man an diesen Lebensläufen die Gedankengänge des Josef Knecht in jungen Jahren und des Hermann Hesse in seinem ganzen Leben, all die möglichen Optionen im Leben, alle die Variationen ... und doch immer die Suche nach Sinn und geistiger Vervollkommnung und zum Abschluß dann die Frage ob nicht doch alles vielleicht ein Traum ist. Diese letzte Geschichte "Indischer Lebenslauf" ist so typisch für Hesse und wieder auch nicht, für mich war sie fast überraschend. Er selbst schreibt ja sogar im Glasperlenspiel, daß die drei Lebensläufe vielleicht das Wichtigste an dem Buch sind .... den das Buch ist aus einer übergeordneten Sicht des Erzählers geschrieben.
Insgesamt ein für mich gelungener (wenn auch etwas erkämpfter) Abschluß meiner persönlichen, zweiten Hessephase .... die zwar noch nicht ganz zu Ende ist, die aber einen gedanklichen Rahmen gefunden hat. Manches seh ich anders als früher, manches noch genauso wie mit 16 nur um viele Schattierungen erweitert. Kein einfaches Buch, aber .... um mit den Worten eines Freundes zu reden: Wenn man sich drauf einläßt kann es einen bereichern
Die Person des Josef Knecht ist mir nicht so nahe gerückt wie so manch andere Figuren in Hesses Büchern, ich blieb immer ein wenig außen vor und betrachtete das ganze eher als Beobachter, konnte mich nicht so einleben wie in vielen anderen Büchern, dafür war die Welt doch manchmal zu entrückt. Gerade aber auch deshalb bewahrte ich einen anderen Blickwinkel auf die Ereignisse, die Beweggründe und Gedanken der einzelnen Personen. Dieser Josef Knecht kam mir nur in einigen Momenten nahe ... aber dann sehr intensiv und oft jetzt stärker noch im Nachhinein, als während des Lesens. Im Grunde hab ich das Buch aus einem zweifachen Abstand betrachtet - einmal der Abstand des "Erzählers" auf die Lebensgeschichte und dann noch mal mein Abstand zum Erzähler und zur Geschichte. Für mich eigentlich eine sehr untypische Herangehensweise an ein Buch, den normalerweise lebe ich mitten in der Geschichte mit
Seltsam mutete mir die strenge, fast erdrückende Hierarchie dieses kastalischen Ordens an, die doch das freiheitliche Denken so vordergründig propagiert und erhöht, der Einzelne muß sich sozusagen freiwillig unterwerfen und fügen - Abweichungen sind kaum vorstellbar. Möglicherweise ist dies aber auch bewußt so gesetzt um die Zweispältigkeit und die Weltfremdheit dieser abgeschotteten Elite-Welt zu verdeutlichen. Auch die Ausblendung von Frauen, Familie usw. war gelegentlich schwierig und ich begehrte innerlich immer mal wieder auf, ob der schwebenden, übergeistigen Denkensweise der Kastalanier ... aber genau das ist wohl auch beabsichtigt (nicht das Frauenthema, das ist Zeichen der Zeit in der das Buch geschrieben wurde und generell tauchen bei Hesse Frauen eher mal als Ablenkung der Männer beim "Hochgeistigen" auf, manchmal schon fast als Versuchung den hehren Zielen abtrünnig zu werden, aber... das muß man als Frau mit Humor und vielleicht lieber mal nicht überbewerten ) .
Mich würde übrigens sehr interessieren wie jemand, der in Musiktheorie gebildet ist das Buch und die Musik-Aspekte darin bewertet ... ich fand viele Gedankengänge zu Übereinstimmung zwischen den verschiedenen Wissenschaften sehr interesant, insbesondere der Gedanke der gemeinsamen Grundthemen und visualisierten Formen, aber nur abstrakt interessant ohne das genauer unterfüttern zu können, mangels entsprechendem tieferen Wissens.
Tja ... Dies ist eine sehr persönliche Betrachtung geworden, mit vielleicht manch Eigenem, neutral betrachtet Überflüssigem; aber anders wars mir nicht möglich.
Wäre schön wenn sich noch der ein oder andere Glasperlenspielleser hier mit seinen Gedanken anschließen würde, denn ich denke erst in der Summe von Meinungen findet man eine repräsentative und vielleicht ergibt sich ja das ein oder andere Gespräch darüber.
Ratten und Empfehlungen vergebe ich nicht, das hielte ich für vermessen und auch schwierig, da es wohl doch recht speziell ist. Da muß sich wirklich jeder sein eigenes Bild machen. Ich würd sagen, jeder der Hesse irgendwann mal mochte, sollte das Buch lesen, man sollte es aber keinesfalls als erstes Hesse-Buch lesen und jeder der Hesse sowieso überhaupt nicht mag, wird auch dieses Buch mit ziemlicher Sicherheit nicht mögen, obwohl es mehr Vielfalt und Antsichten bzw. Weltoffenheit, Lebensoffenheit und weniger Melancholie und Bedauern beinhaltet als alle anderen von ihm gelesenen Bücher vorher.
Das wars erstmal
Viele Grüße !
Yvaine
EDIT
Rechtschreibfehler und Kleinigkeiten verbessert.
@Salthana: Sorry, wußte nicht daß man sowas auch mit Angabe des Autors nicht zitieren darf. Aber jeder der das Gedicht nicht kennt und lesen will findet es ja problemlos im Netz wie Du schon gesagt hast.