Thomas Bernhard - Holzfällen. Eine Erregung

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  • [size=13pt]Thomas Bernhard - Holzfällen. Eine Erregung[/size]


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    Inhalt
    Auf der Beerdigung einer alten Freundin begegnet dem Ich-Erzähler das Ehepaar Auersberger, das ihn prompt zu ihrem künstlerischen Abendessen einlädt, zu dem auch ein Burgschauspieler erwartet wird. Überrumpelt und entgegen jeder Überzeugung nimmt er die Einladung an, obwohl er mit gerade dieser Gesellschaft seit Jahrzehnten aus Abscheu keinen Umgang mehr pflegt. In einem einzigen langen, nicht von Absätzen oder Kapiteln unterbrochenen Monolog schildert er die Erregung, die er an diesem Abend durchlebt und gibt nach und nach immer mehr auch von sich preis.


    Meine Meinung
    Erregung - Der Titel ist Programm. Man kann tatsächlich die Stimme des Erzählers in seinem Kopf hören, wie sie ununterbrochen schimpft, sich aufregt und vor sich hin zetert. Diese Stimme machte das Lesen zu einem äußerst amüsanten Vergnügen. Sie wird auch der Grund sein, warum mich die seitenlangen Sätze und die andauernden Wiederholungen kein bisschen gestört, sondern den Lesegenuss noch verstärkt haben.
    Holzfällen war mein erstes Buch von Bernhard und ich hatte etwas vollkommen anderes - sehr viel zynischeres - erwartet. Aber ich wurde von der Komik und dem Humor des Stils überrascht.
    Besonders gut hat mir auch gefallen, wie man mit jeder Wiederholung ein kleines Detail mehr aus der Vergangenheit des Erzählers und der ihm ungebenden Personen erfährt, bis man am Ende erkennt, wie wenig er sich doch von den anderen unterscheidet.


    Alles in allem ein wirklich empfehlenswertes Buch und bestimmt nicht mein letztes von Bernhard!



    Liebe Grüße,
    mondpilz

  • Schöne Rezi.


    Toll. Wieder ein neuer Bernhard-Fan.


    Gruß, Thomas

  • Geschafft! Das war auch mein erster Bernhard. Ich bin wirklich begeistert. :klatschen: Mit welcher Eleganz Bernhard seine Sätze gedrechselt hat. Ich liebe Schachtelsätze. Und Bernhard ist ein Meister darin.
    Ich könnte mir "Holzfällen" sehr gut als Lesung in einem Theater vorstellen. Irgendwie hat es mich an Süskinds "Kontrabaß" erinnert (ich habe mal in Dresden Friedrich Wilhelm Junge in der Rolle gesehen; der könnte "Holzfällen" bestimmt auch sehr gut verkörpern).
    Ich werde bestimmt noch mehr von Bernhard lesen (die Quarto-Ausgabe von Suhrkamp liegt schon bereit).

    "Es ist die Pflicht eines jeden, es auch auszusprechen, wenn er etwas als falsch erkennt." --- Stefan Heym, 2001


  • Ich werde bestimmt noch mehr von Bernhard lesen (die Quarto-Ausgabe von Suhrkamp liegt schon bereit).


    Schön. Neben seiner Autobiografie und einigen Kurzgeschichten (Wittgensteins Neffe, Die Mütze) gehört für mich "Alte Meister" zu einem Höhepunkt.


    Gruß, Thomas

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    Thomas Bernhard (1931-1989)
    Holzfällen - Eine Erregung
    Erstveröffentlichung: 1984
    Verlag: Suhrkamp
    Taschenbuch
    321 Seiten


    Wald, Hochwald, Holzfällen


    Diese Worte, ausgesprochen in höchster Erregung, fallen am Ende eines gesellschaftlichen Essens, dem der Leser in Thomas Bernhards Buch Holzfällen beiwohnt. Der namenlose Ich-Erzähler berichtet in Form eines langen Monologs davon, wie er an einem so genannten künstlerischen Abendessen teilnimmt, bei dem ihm jedoch alles in höchstem Maße zuwider ist: die Gastgeber, die Gäste, das Essen, die Unterhaltungen, einfach alles. Viel zu leichtfertig ist er der Einladung der Gastgeber gefolgt, eines Ehepaares, mit dem er einst eng befreundet war, mit dem er sich aber nun nach vielen Jahren nichts mehr zu sagen hat. Er befindet sich in der Wohnung der ehemaligen Freunde und nimmt missmutig an ihrer Abendgesellschaft teil. Es ist spätabends, eigentlich sind alle hungrig und warten auf das Essen, aber die Gastgeber möchten noch die Ankunft eines berühmten Schauspielers des Burgtheaters abwarten und nicht ohne ihn beginnen.


    Dass dieses Essen ausgerechnet am Tage der Beerdigung einer ihm einst sehr nahestehenden alten Freundin stattfindet, hebt nicht gerade die Laune des Erzählers. Und so zieht er sich zunächst auf einen Ohrensessel in der Wohnung seiner Gastgeber zurück und beobachtet mit größter Distanziertheit die Menschen um ihn herum, teilt dem Leser seine Gedanken bei seinen Beobachtungen mit und mischt sie mit Erinnerungen aus früheren Zeiten.


    Da sind zunächst die Gastgeber: ein verhinderter Komponist und seine Ehefrau, die von ihrem geerbten Vermögen leben und es nutzen, um die Akteure der Wiener Künstlerszene um sich zu scharen, was sie als „großzügiges Mäzenatentum” verstehen. Poseure, wie der Erzähler sie nennt, die nur den Anschein verbreiten, an Kunst und Philosophie interessiert zu sein, in Wirklichkeit aber die Künstler und Philosophen nur erpressen mit ihrem Geld und ihren Einladungen.


    Unter den Gästen befinden sich u.a. zwei Schriftstellerinnen, die sich zu Höherem berufen fühlen, die eine von ihnen die sogenannte „Wiener Virginia Woolf”, in den Augen des Erzählers aber nur eine Stümperin und Nichtskönnerin, die andere eine Gymnasiallehrerin, die so gerne die österreichische Gertrude Stein wäre, aber doch nur eine „größenwahnsinnige Wiener Lokalschriftstellerin” geblieben ist. Weiterhin zwei junge Schriftsteller, die aber nichts zu sagen haben, was zu hören wert wäre. Schließlich der geladene Ehrengast, Schauspieler am Wiener Burgtheater, der spät kommt und seinen großen Auftritt genießt und die Gesellschaft mit seinen weit ausholenden Anekdoten und Erzählungen aus dem Wiener Theaterleben langweilt. Und natürlich bekommt jeder von ihnen Gelegenheit, sich als einfältiger oder hinterhältiger und gemeiner Mensch zu entlarven.


    Alles in allem also eine ziemlich ernste Angelegenheit, könnte man meinen. Die Gedankenwelt, die Thomas Bernhard da vor dem Leser ausbreitet, hat sprachlich etwas so Wuchtiges und Vernichtendes, dass man froh ist, nicht Ziel seines Zornes zu sein. Aber gleichzeitig ist so viel Humor und Ironie in dem Buch, wie ich sie nicht erwartet hätte. Und ja, ich hatte des öfteren ein böses Grinsen im Gesicht...


    In dieser Erzählung aus dem Jahr 1984, also aus der Spätphase seines Schaffens, kehren all' die Elemente wieder, die man aus Thomas Bernhards früheren Werken kennt: Das endlose Monologisieren, die langen verschachtelten Sätze, die sparsame äußere Handlung, die Ausbreitung der Gedankenwelt des Erzählers vor dem Leser, die ständige Wiederholung von Sätzen und Wörtern, dabei stets der nölende und genervte Tonfall des Erzählers, die absolut subjektive und voreingenommene Sichtweise und das Lamentieren über all' die heuchlerischen und stümperhaften Mitmenschen um ihn herum.


    Für so etwas muss man ein Faible haben, um es zu mögen. Zum einen erinnert mich der Stil Bernhards immer ein wenig an das spontane Gekritzele von Gedanken, die schnelle Notiz z.B. in einem Tagebuch. Ich mag das. Und es wird - wie in seinen Büchern üblich - deutlich, dass hier die Stimme Thomas Bernhards aus dem namenlosen Ich-Erzähler spricht. Holzfällen ist seine Abrechnung mit der Wiener Künstlerszene und den Künstlern, die in seinen Augen nichts leisten, aber mitnehmen, was sie nur kriegen können. Das verdeutlicht er mit jedem Wort in diesem Buch. So sagt er an einer Stelle: „Das österreichische Künstlertum ist ein gemeiner und verlogener Weg des Staatsopportunismus, der mit Stipendien und Preisen gepflastert ist und mit Orden und Ehrenzeichen tapeziert ist und der in einem Ehrengrab auf dem Zentralfriedhof endet.”


    Natürlich ist ihm bewusst, dass er ebenso ein Teil dieser Künstlermaschinerie ist, und das macht er an ein, zwei Stellen im Buch auch deutlich. Dennoch hindert ihn das nicht daran, in gewohnt herablassender Art über seine Künstlerkollegen herzuziehen.


    Menschlich näher gekommen ist mir der Erzähler (bzw. Thomas Bernhard) in den wenigen Momenten, in denen er etwas einfühlsamer über seine zwischenmenschlichen Gefühle spricht, also z.B. über seine Beziehung zur Verstorbenen, die er sehr gemocht hat. Oder über die einstige Liebesbeziehung zu einer der anwesenden Schriftstellerinnen. Sie haben sich ein paar Jahre lang geliebt, nur um sich dann jahrzehntelang zu hassen und gegenseitig zu verachten, und er fragt sich, welche Entwicklung dazu geführt hat. „Wir verehren einen Menschen”, schreibt er, „und verehren ihn jahrelang, bis wir ihn plötzlich hassen und wir wissen zuallererst gar nicht warum.”


    Unterm Strich steht die Erkenntnis, dass man die Menschen auch noch so sehr verachten kann - im Grunde kann man nicht ohne sie. Und so folgt am Ende des Buches auch fast so etwas wie ein Friedensschluss Bernhards mit Wien und den Wienern und die versöhnliche Einsicht, „daß diese Stadt doch meine Stadt ist und immer meine Stadt sein wird und daß diese Menschen immer meine Menschen sein werden”...


    Ein schönes Buch, das mir sehr gut gefallen hat.
    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Nur einen Abend, einen kleinen Teil des darauffolgenden Nachmittages und die auf diesen folgende Nacht hat es gedauert, bis ich mit diesem manischen Monolog, diesen geharnischten Gedankengängen von Thomas Bernhard durch war - als ich vor einigen Wochen in der hiesigen Thalia-Filiale auf einmal, oder, wie Bernhard sagen würde, aufeinmal, bei dem Buchstaben B stand, einige von Bernhards Werken entdeckte, mich erinnerte, dass dieser Autor schon seit einiger Zeit auf meinem inneren Merkzettel ziemlich weit oben vermerkt war, mir Holzfällen herausgriff und die ersten Zeilen betrachtete, hätte ich eine solch kurze Lesezeit auf Anhieb für plausibel gehalten, verfügt Bernhard doch wirklich über einen flüssigen, ja nahtlosen Stil, und zwar nicht nur in Bezug auf das Seitenlayout, sondern auch inhaltlich. Wenn der Autor einen von jetzt auf jetzt per offenem Anfang in das Geschehen versetzt, wie auch bei Kurzgeschichten üblich, hab ich das ohnehin ganz gerne.
    Wie schier exzessiv Bernhard dann allerdings Seite für Seite über die Auersbergerischen herzieht und er dem Ohrensessel dieses Ehepaares einen zentraleren Platz in seinem Text einräumt als es jeder Innenarchitekt mit solch einem Möbelstück in jedwedem Raum je könnte, ist, wenn nicht ein Indiz, so doch schon ein Indikator für den regelrecht sublimen Humor, den ich an diesem Autor entdeckt zu haben mir einbilde und der mir sehr gut gefällt. Für die mentalen Kiefermuskeln sowie auch für die Augen ist das Ganze jedoch stellenweise ein wenig mühsam, die Worte Auersbergerischen, Auersberger und Ohrensessel so oft zu lesen, dass man das Gefühl bekommt, der Autor würde aus diesen Worten, und nur aus diesen, ganze Sätze formen.


    Spaß beiseite, zuweilen ist der Protagonist bzw. Bernhard selbst sicherlich sehr bissig oder, was deutlich seltener geschieht, aber doch vorkommt, er schildert andere Figuren des Geschehens als beinahe ebenso bissig - an manchen Stellen amüsiert man sich, um beim Vergleich zu bleiben, darüber so sehr, wie ein Kleinkind über einen Cartoon, in dem ein Hund Jagd auf den Briefträger macht, bei der Begebenheit, in der der Auersberger den Burgschauspieler darauf anspricht, dass es doch verwunderlich sei, dass so wenig Burgschauspieler Selbstmord begingen, wo sie doch allen Grund dazu hätten, habe ich am Boden gelegen. Auch bei der Stelle, der ich unmittelbar nach dem Lesen in meiner Signatur eine Hommage setzen musste. An anderen Stellen fühlt man jedoch eher so eine Art Schrecken, den Spaziergänger erleben, wenn ihr eigenes Tier von einem fremden Hund angefallen wird, man ist für eine Sekunde ein wenig erschüttert und beinahe betroffen, wie gemein der Protagonist doch auch sein kann.


    "Wir haben nichts zu berichten, als dass wir erbärmlich sind", hat Bernhard einmal selbst in einer Rede über Autoren wie sich gesagt. Der Protagonist in Holzfällen könnte wohl dasselbe über sich und die Gesellschaft des künstlerischen Abendessens behaupten - und tut es ja auf paraphrasierende Weise auch desöfteren in seinem Monolog.
    Marcel Reich-Ranicki nannte Bernhard "einen von den Geschlagenen, den Alpträumern und den Amokläufern." Gut möglich, dass er das war und noch besser möglich, dass auch sein Protagonist hier so einer ist, doch ist, glaube ich doch, kein Mensch nur eines dieser Dinge oder alle drei - zumindest der Wille, sich nicht immer geschlagen zu geben, auch einmal friedlich und ruhig zu schlafen und nicht mit Gewalt und Aversion gegen andere an-, sondern vielmehr mit ihnen mitzugehen, ist sicherlich jedem Menschen zu eigen. Auch dem Protagonisten in Holzfällen meint man diese Züge anzumerken. So mag man es auf den ersten Blick womöglich auf Feigheit oder Menschenfurcht zurückführen, dass der Protagonist den Auersbergerischen bzw. irgendjemandem, den Schriftstellern, der Billroth, der Schreker, den Ingenieuren oder wem immer, nie das, was er die meiste Zeit über im Ohrensessel denkt, ins Gesicht sagt und stattdessen am Ende sogar überaus höflich und liebenswürdig im Benehmen zu der Auersberger zu sein gewesen scheint, zumal er ja noch den Burgschauspieler, der sich eben diese verbalisierten Ausbrüche geleistet hat, schier beneidet.
    Allerdings sind die Antipathie, ja Verachtung in seinen Gedanken, in denen er mehr als einmal von Hass spricht, so plastisch und finden sich ja auch mehrere Gelegenheiten, bei denen er Dinge im Ohrensessel laut vor sich hin sagt und dabei von den anderen gehört wird, dass ich fast meinen möchte, er ist weder zu feige und schon gar nicht seine negativen Gedanken am Ende nicht stark genug, als dass er diese nicht deutlich hätte zum Ausdruck bringen können, nein, im Endeffekt sieht er sich wohl doch als ein richtiger Teil dieses Wiens, dieser Stadt und insbesondere seines künstlerischen Milieus.
    Somit beschreibt dieses Werk doch auch auf eindrückliche Weise, wie man manchmal gegen Dinge, Zustände, Situationen und eigene Zugehörigkeiten ankämpft - oft, um diese zu verändern, zu bewältigen oder, im Falle der Zugehörigkeit, diese erst zu finden -, wenngleich all diese Dinge, Situationen und Zugehörigkeiten doch eigentlich wunderbar in Ordnung gewesen sind und man selber es war, der sich oder seine Sicht zu ändern hatte.


    Für alle, denen diese meine Eindrücke blödsinnig oder aus der Luft gegriffen scheinen oder, da sie das Werk noch nicht kennen, scheinen werden, bleibt jedenfalls ein Werk von bemerkenswertem Stil und trefflichem Humor.


    5ratten


    Ich jedenfalls werde, nach einigen anderen Autoren und Werken als Ablenkung, Wittgensteins Neffe angehen, welches hier noch subt und in naher Zukunft Nachschub an Bernhard-Werken aquirieren. :smile:

    Einmal editiert, zuletzt von Hildegunst ()


  • Für die mentalen Kiefermuskeln sowie auch für die Augen ist das Ganze jedoch stellenweise ein wenig mühsam, die Worte Auersbergerischen, Auersberger und Ohrensessel so oft zu lesen, dass man das Gefühl bekommt, der Autor würde aus diesen Worten, und nur aus diesen, ganze Sätze formen.


    Sehr treffende Rezension, die auch stilistisch Spaß bereitet (zumindest wenn man Bernhard kennt).


    Gruß, Thomas

  • Gebe ich dir vollkommen Recht! Hut ab, sag ich, im Ohrensessel! Was für ein Bernhard Buch, ich liebe es. Es war das Erste, welches ich las und danach nicht das Letze. Großartig!

  • Hallo Freunde,


    ich empfand Bernhards Menschenbilder, wie beispielsweise in Frost und Auslöschung als abgründig und düster. Auch in Holzfällen findet die Erzählung nur durch den Selbstmord der Joana statt. Der Erzähler räumt aber ein selbst zu dieser Gesellschaft zu gehören. Leider kenne ich mich nicht in der Wiener Gesellschaft der Zeit aus, könnte mir aber denken, dass die Schriftstellerin Billroth und die versnobten Auersberger ihre Entsprechungen in der Realität haben :breitgrins:.
    Hier noch ein stilistisches Schmankerl: Bernhard benutzt bei der Bildung des Perfekts sein und nicht haben, was gerade in der Schilderung einer Wiener Abendgesellschaft sehr sinnig ist. Der Erzähler sagt auch einmal, dass man von Abendmählern und nicht von Abendessen sprechen sollte.
    Bemerkenswert ist auch, dass es im Grunde genommen keine Handlung gibt. Der künstlerische Abend endet in der gewöhnlichen Langeweile und der Gastgeber nickt sogar betrunken ein. Der Bernhard führt den Kunstbetrieb, die Wiener, die Ars gratia artis ad absurdum.

    Da wurde mir klar, dass entweder ich verrückt war oder die Welt. Und ich tippte auf die Welt. Und natürlich hatte ich recht. (Jack Kerouac)

    Einmal editiert, zuletzt von Kafkaesker Käfer ()

  • Oh, was für eine Anmerkung, deinerseits. Das ist mir gar nicht aufgefallen, die "haben" und "sein" Sache. Genial!! Ich muss Holzfällen gleich nochmals lesen! Super!

  • Prima Rezi, Hildegunst. :daumen:



    Ich muss Holzfällen gleich nochmals lesen! Super!


    So geht's mir auch. :breitgrins: Ich habe auch gerade große Lust, das Buch noch mal zu lesen, am besten so, wie es geschrieben ist: als einziger Gedankenstrom, ein einziger Rausch, in einem Zug, ohne abzusetzen, ohne aufs Klo zu gehen - einfach nur im Ohrensessel sitzen und lesen... :breitgrins:

  • Der Ohrensessel als Synonym für alles Lächerliche! Ich liebe es, ich werde es auch im Ohrensessel lesen gehen. Wie gesagt, war mein erstes Bernhard Buch, ist 13 Jahre her. Ich glaube, so ein "eindrucksvolles" Wort ist mir noch nie so lange im Kopf geblieben. IM OHRENSESSEL!


  • Prima Rezi, Hildegunst. :daumen:



    So geht's mir auch. :breitgrins: Ich habe auch gerade große Lust, das Buch noch mal zu lesen, am besten so, wie es geschrieben ist: als einziger Gedankenstrom, ein einziger Rausch, in einem Zug, ohne abzusetzen, ohne aufs Klo zu gehen - einfach nur im Ohrensessel sitzen und lesen... :breitgrins:



    Freut mich, dass ich meine Gedanken einigermaßen rüberbringen konnte. :smile:


    Die von dir beschriebene Art, Holzfällen zu lesen, nein, zu konsumieren, scheint mir wirklich dem Werk angebracht - aber versprich mir bitte, dass du den Toilettenboykott nur solange durchziehst, wie es medizinisch bzw. hygienisch gesehen vertretbar ist! :breitgrins:


  • Die von dir beschriebene Art, Holzfällen zu lesen, nein, zu konsumieren, scheint mir wirklich dem Werk angebracht - aber versprich mir bitte, dass du den Toilettenboykott nur solange durchziehst, wie es medizinisch bzw. hygienisch gesehen vertretbar ist! :breitgrins:


    Nun, da ich kein sonderlich schneller Leser bin, könnte das in der Tat zum Problem werden ... :zwinker: :breitgrins:

  • Liebe Freundinnen und Freunde,


    Ich wusste gar nicht um den Skandal, der dem Buch 1984 zuteil wurde. In Österreich wurde vom Ehepaar Lampersberg eine einstweilige Verfügung erwirkt, da sie sich in den Auersbergern karikiert und veralbert sahen. Trotzdem oder gerade deshalb erhaschte Holzfällen eine große Popularität. Auch die Joana ist an Joana Thul angelehnt, die mit einem Tapisseristen verheiratet war. Würde man von einer Abrechnung Bernhards mit der Gesellschaft sprechen?
    Eigentlich bin ich Gegner dieser schülerhaften Gleichungen zwischen Realität und Poesie, aber hier drängen sie sich ja geradezu auf.
    Noch eine kleine Anekdote:
    Auch in der Flauberts Madame Bovary bekommt der Apotheker eine Ehrennadel, obwohl er sie am wenigsten verdient hat.


    Grüße aus dem Hochwald,
    K.K.

    Da wurde mir klar, dass entweder ich verrückt war oder die Welt. Und ich tippte auf die Welt. Und natürlich hatte ich recht. (Jack Kerouac)

    Einmal editiert, zuletzt von Kafkaesker Käfer ()

  • Alles miterlebt (wenn auch zu klein zum verstehen gewesen). Besonders den "Heldenplatzskandal". Wäre übrigens ein Buch für die Leserunde.

  • Was soll ich zu diesem schrägen Buch noch schreiben, was nicht schon gesagt wurde! :zwinker:


    Obwohl in Prosa geschrieben, wirkt Holzfällen eher wie ein Kammerspiel als wie ein Roman. Der Ich-Erzähler beobachtet vom Ohrensessel aus in grimmigem Spott ein sogenanntes künstlerisches Abendessen. Während seines inneren Monologes erfährt der Leser, wie es zu dieser Situation kam, in welcher Beziehung der Erzähler zu den anderen Gästen steht und was er von ihnen hält.


    Zugegeben, im Vorhinein war ich relativ skeptisch. Ich habe nicht gerade viel Ahnung von der Wiener Künstlerszene der 1980er Jahre, und da ich wusste, dass Thomas Bernhard die Abendgesellschaft aus Holzfällen ganz stark an reale Personen angelehnt hat, hatte ich so meine Bedenken.
    Glücklicherweise hat das meinem Lesespaß aber keinen Abbruch getan. Zwar habe ich mich tatsächlich bei jeder Figur gefragt, wer das denn nun wieder sein könnte :clown: ... aber Bernhards Karrikatur funktioniert heute genauso wie damals. Auch knapp 30 Jahre später gibt es in Wien (und vermutlich nicht nur hier) diese Kreise, die sich Kunst und Kultur umhängen wie ein Accessoire, die Intellektualität verströmen wollen und dabei doch nichts zu bieten haben als pure Attitüde, dass einem schlecht werden könnte.


    Was mir gefallen hat, ist die Rolle des Erzählers in diesem Spiel: obwohl er kritisiert und analysiert und urteilt, ist er keineswegs eine unfehlbare Autorität, sondern verhält sich in gewisser Weise genauso fehlerhaft wie die Opfer seines beißenden Zynismus. Dass er das (wenn auch nicht immer!) eingesteht, verleiht ihm zwar durchaus mehr Integrität als dem scheinheiligen Rest, aber nichtsdestotrotz bleibt er immer mit einem Bein in dem System verhaftet, das er hier auf rund 300 Seiten in der Luft zerreißt.


    Stilistisch sind die Schachtelsätze und Wiederholungen perfekt darauf ausgelegt, das Grundkonzept des Buches auszudrücken. Eine mal eher schelmenhafte, mal eher zornige Parodie, auf jeden Fall ein Lesespaß und ein sprachlicher Leckerbissen! :daumen:


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

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  • Ich bin bisher nur nach wenigen Schriftstellern wirklich süchtig geworden, Thomas Bernhard ist einer von ihnen.
    Mein erstes Buch von ihm war "Holzfällen" und bald wurde klar, dass ich von dem, was da vorlag, mehr haben wollte. Glücklicherweise gab es viel. Ich weiss nicht mehr, wie oft das Wort "Ohrensessel" in diesem Roman vorkommt und in wie vielen unmöglichen Satzkonstruktionen (ich erinnere etwa: "..., denke ich, dachte ich, denke ich jetzt auf dem Ohrensessel"). Wenn jemand Bernhard nicht mag, dann für gewöhnlich aus einem von zwei Gründen: Entweder man findet die leitmotivischen Wiederholungen bzw. Variationen unlesbar und ermüdend oder man lehnt die "negativistische" Grundhaltung der monologisierenden Erzähler ab. Ein Schelm würde vielleicht sagen, es fehle bei diesen Lesern also entweder am Sprachgefühl oder am Humor oder an beidem. :zwinker: Ich zumindest finde es ungeheuer komisch, wie sich die Erzähler in immer neue Formulierungen des sie Anwidernden hineinsteigern, Bernhard selbst sprach von seiner "Übertreibungskunst". Natürlich erschöpft sich das Werk Thomas Bernhards nicht im Komischen, vielmehr lässt er das Bittere, die echten und tiefen Konflikte zwischen Mensch und Welt und Mensch und Mensch und Geist und Natur ins Lächerliche münden und macht sie damit erträglich, lebbar. Schreibt, statt sich zu töten. Wie wir aus "Ein Jahr mit Thomas Bernhard" des Karl Ignaz Hennetmair erfahren haben, war Bernhard tatsächlich ein höchst witziger Mensch, obwohl er gleichzeitig eine überaus bissige Seite hatte und vermutlich nur für wenige oder niemanden ein angenehmer Umgang war.


    In meinem Regal steht immer noch "Auslöschung" ungelesen, ich werde diesen letzten und längsten Bernhard noch eine Weile unberührt dort stehen lassen, vielleicht aus Furcht, seiner verlustig zu gehen.
    Holzfällen, das übrigens einen für bernhardsche Verhältnisse eher versöhnlichen Schluss hat, bekommt selbstverständlich:
    5ratten

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)

    Einmal editiert, zuletzt von Rydal ()