Felipe Alfau – Das Café der Verrückten. Eine Komödie der Gesten

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 2.473 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Aldawen.

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    Hier muß ich mal wieder die Beschreibung aus dem Buch selbst zitieren, denn schöner könnte ich es auch nicht formulieren:
    „Im Café der Verrückten sitzt ein junger Mann – es ist Felipe Alfau – und spielt ein süßes und gefährliches Himmel-und-Hölle-Spiel: das der Grenzgängerei zwischen Phantasie und Wirklichkeit. Les jeux sont faits – alles ist offen, und es rollen viele Kugeln. Wer spielt hier mit wem? Jeder mit jedem, der Autor mit seinen Figuren, diese mit ihm, und auch der Leser spielt seinen Part als Detektiv, denn was in diesem anarchischen Schelmenroman eigentlich geschieht, das herauszufinden ist seine Aufgabe.
    Die vielen Gestalten des Romans spielen mit einem traditionsreichen Thema Komödie: dem der Identität. Alfau wirbelt Zeit und Raum in immer neue farbige Bilder, und wohl kein Leser wird dem teuflisch intelligent angelegten Labyrinth dort entkommen, wo er den Ausgang vermutet. Vielleicht landet er wieder im Café der Verrückten, vielleicht auf einem internationalen Kriminalistenkongreß, bei dem ein Stromausfall Madrid in einen Hexenkessel von Gaunereien verwandelt.
    Man verliebt sich in dieses Buch, wenn man selbst ein Spieler ist, weil man in ihm verlorengehen kann. Weil man wie Gaston – eine der Figuren des Romans – nicht mehr so genau weiß, was Wirklichkeit ist, was Fiktion.“



    Meine Meinung: Ein geniales Buch! Alfau widmet jeden der acht Hauptabschnitte (ich nenne sie bewußt nicht Kapitel) einer Hauptperson bzw. einer Personengruppe. Jeder dieser Abschnitte steht einerseits für sich allein, andererseits durch das Figurentableau in Beziehung zu den übrigen. Wie Alfau im Prolog selbst anbietet, ist es dadurch völlig unerheblich, in welcher Reihenfolge diese Abschnitte gelesen werden, denn im Grunde müßte man sie alle gleichzeitig lesen, um die vielen Anspielungen und Verweise zwischen ihnen mitzubekommen. Um all dem auf die Schliche zu kommen, reicht eine einmalige Lektüre einfach nicht aus. Ich bin auch ziemlich sicher, daß die gesamten Verwandtschafts- und sonstigen Beziehungen richtig aufgehen, aber im Moment fühle ich mich ähnlich verwirrt und :spinnen: wie in einem der Bilder von M. C. Escher, bei denen die Treppen im Kreis und gleichzeitig alle in die gleiche Richtung nach oben (oder unten, je nach Blickwinkel) führen ...


    Besonders reizvoll wird es, wenn Alfau sich als Autor in einer Fußnote dazu äußert, wo die Figuren sich seinen eigenen Planungen für sie widersetzt haben. Da er sich auch in verschiedenen Perspektiven selbst in den Roman eingebaut hat, verschwimmt die Grenze zwischen Fiktion und Realität besonders leicht. Interessanterweise wirkt der Roman, sowohl was den konkreten Inhalt als auch die Sprache angeht, erstaunlich zeitlos. Alfau wurde 1902 in Barcelona geboren und emigrierte mit seiner Familie während des Ersten Weltkriegs in die USA. Dort schrieb er 1928 diesen Roman, der erstmals 1936 veröffentlicht wurde, dann lange in Vergessenheit geriet und in den 1980er Jahren zufällig wiederentdeckt und neu aufgelegt wurde.


    5ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Hallo,


    auch ich bin absolut begeistert von diesem Buch!
    Zum einen lebt es von wunderbaren Details, wie etwa dem Mann, der sein Kleingeld im Haus herumwarf um es dann, wenn er es brauchte, auf allen Vieren kriechend aus Ritzen und unter Möbel hervorzuholen. Zum anderen strotzt es vor lebendigen Figuren, und das meine ich wörtlich: sie wechseln über in die reale Welt, während der Autor im Gegenzug auch mal selbst als Romanfigur auftaucht (und dies ist nur ein Beispiel für das Verwischen von Realität und Buchwelt). Und letztendlich hat es einen zwar leicht verworrenen, aber erstklassig durchdachten Aufbau, der auch nach mehrmaliger Lektüre Neuentdeckungen verspricht. Denn Das Café der Verrückten ist keine bloße Aneinanderreihung von Kurzgeschichten. Nicht nur, dass sich Alfau immer wieder der gleichen Personen bedient, diese scheinen auch als Randfiguren eine Entwicklung durchzumachen oder besser - da die Abschnitte sich ja nicht chronologisch aneinanderreihen - zeigen immer wieder auf's Neue andere Aspekte ihres Charakters.


    Ich werde es sicherlich erneut lesen, um weiteren Zusammenhängen nachzuspüren und Querverweise aufzudecken. Ganz klar 5ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Sehr schön! Dachte ich mir doch, daß ich Dich damit aus der Mittelmäßigkeit Deiner Lektüre reißen würde, über die Du Dich beklagt hattest. Es ist wirklich ausgesprochen schade, daß das Buch schon wieder oop ist, es verdient eindeutig mehr Beachtung und eine liebevolle Ausgabe. Vielleicht sollte ich es mal der Büchergilde für ihre Reihe Illustrierte Bücher vorschlagen ...? :gruebel: Ja, das könnte ich mir da sehr gut vorstellen ...


  • Dachte ich mir doch, daß ich Dich damit aus der Mittelmäßigkeit Deiner Lektüre reißen würde, über die Du Dich beklagt hattest.


    Ja, das hat eindeutig funktioniert! :smile:



    Vielleicht sollte ich es mal der Büchergilde für ihre Reihe Illustrierte Bücher vorschlagen ...? :gruebel: Ja, das könnte ich mir da sehr gut vorstellen ...


    :daumen: Das wäre wirklich eine schöne Sache! Mach das mal.


    Übrigens hat Alfau, anders als im Nachwort erwähnt, noch einen zweiten Roman geschrieben, der aber nicht ins Deutsche übersetzt wurde: Chromos. Die englische Wikipedia weiß dazu etwas mehr. Außerdem gibt es von ihm eine Sammlung spanischer Märchen und ein Gedichtband.


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  • Übrigens hat Alfau, anders als im Nachwort erwähnt, noch einen zweiten Roman geschrieben, der aber nicht ins Deutsche übersetzt wurde: Chromos.


    Ich weiß. Ich fürchte aber, daß dieser nach dem Café einfach nur eine Enttäuschung sein kann, deshalb habe ich mich noch nicht weiter danach umgesehen. Auf die Gedichte verzichte ich gerne, aber die Märchensammlung wäre auf jeden Fall interessant.