Moses Isegawa - Abessinische Chronik

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  • Doppelpost. :zwinker:


    Ich habe gestern noch einmal das Ende des vierten Abschnitts gelesen. Mugezi fädelt wirklich seinen eigenen Rauswurf aus dem Priesterseminar ein, aber gleichzeitig verfasst er auch Empfehlungsschreiben an die besten Schulen der Umgebung. Offenbar ist er bei einer von denen untergekommen.


    Danach habe ich noch gleich den 6. Abschnitt gelesen.



    Heute habe ich den sechsten Abschnitt gelesen, und ich muß sagen, daß mir dieser sehr viel besser gefällt, weil Mugezi als Ich-Erzähler mehr zurücknimmt.


    Der Abschnitt hat mir auch gut gefallen, allerdings habe ich Schwierigkeiten damit, mir Mugezi als erwachsenen Mann vorzustellen. Irgendwie habe ich immer noch das Bild des arroganten Jünglings vor Augen. :rollen: Nichtsdestotrotz war es spannend zu verfolgen, wie er sich seinen Weg sucht und dabei alles andere als ein Unschuldsengel ist. Jedoch kann ich verstehen, dass er verschiedenen Nebentätigkeiten nachgegangen ist. Offenbar war Schwarzmarkthandel, Schnapsbrennen etc. eine angesehene Tätigkeit. Schon bevor Mugezi an die Universität gegangen ist, wurde er ja (bei Opas Beerdigung?) von seinem Onkel gefragt, wie er denn Lwendeka unterstützen will, wenn er schon bei ihr wohnt, und es wurde ebenfalls festgestellt, dass die Schnapsbrennerei eine einträgliche Einkunftsquelle ist.



    Vielleicht zunächst ein Wort zur Makerere Universität.


    Danke für die Hintergrund-Infos. :smile: Also ist Mugezis ja eigentlich an einer "Elite-Uni" gewesen. Die Zustände im Buch lesen sich jedoch vollkommen anders als ich vermutet hätte. Auch Mugezi hatte sich das Studium anscheinend anders vorgestellt und auch seine Perspektiven danach sind alles andere als rosig. Sein Traum vom Anwaltsdasein ist damit also fürs erste geplatzt. Vielleicht schafft er es ja in Amsterdam, den Wunsch seines Opas doch noch umzusetzen.



    Ist Euch aufgefallen, daß von den oberen Guerilla-Leuten niemand mit Namen benannt wird? Das könnte seinen Grund darin haben, daß es sich dabei im wesentlichen um die heute noch an der Regierung befindliche Gruppe um Yoweri Museveni handelt. Besser, man tritt man manchen Leuten nicht zu sehr auf die Füße, denn wenn man sich überlegt, was über Idi Amins Leute, und über die Zeit nach seinem Sturz und über die tansanischen Soldaten gesagt wurde, dann erscheint es (mir jedenfalls) nur schwer vorstellbar, daß ausgerechnet die Kampfgruppen, die für Obotes zweiten Abgang sorgten, solche „Unschuldsengel“ gewesen sein sollen ...


    Beim Lesen ist es mir nicht wirklich aufgefallen, nur über den Brigadier bin ich regelmäßig gestolpert. Aber jetzt wo Du es sagst ...


    Was mir allerdings aufgefallen ist und das keineswegs positiv, ist das Verhalten der Weltorganisationen (Weltbank, IWF ...). Aus den ganzen Machtkämpfen halten sie sich heraus, aber kaum ist ein Hauch von Ruhe zu spüren, stürzen sie sich wie Halbverhungerte aufs Bankett. a050.gif



    Tja, und dann haben wir noch die innerfamiliären Veränderungen. Einer teilweisen Zusammenführung steht die Auslöschung beträchtlicher Teile durch AIDS gegenüber.


    Nennt mich naiv, aber mit AIDS hätte ich "Dünn" nicht unbedingt in Verbindung gebracht. Die Symptome (besonders die Geschwüre und der Durchfall) und die relativ kurze Zeit zwischen ersten Symptomen und dem Tod klangen für mich eher nach irgendeiner anderen Seuche. Das liegt vermutlich daran, dass man hier im Fernsehen immer nur sieht, wie AIDS-Kranke in Krankenhäusern versucht wird zu helfen, sie dadurch aber oftmals nur langsamer dahinsiechen.


    Für mich überraschend kam übrigens die Enthüllung, das Jo Mugezis Halbschwester ist. Mit ihrem Auftauchen hab ich schon eine ganze Weile gerechnet, aber nicht in dieser Rolle. Für ihn war das ja ein sehr ernüchternder Schlag in die Magengegend, denn seine (sexuelle) Faszination für sie starb ja urplötzlich ab.
    Ihre Reaktion auf seinen Vorschlag, sich bei ihrem Vater als Verlobte auszugeben, nur um ihm einen Schock zu versetzen, fand ich sehr verständlich. Auf einmal sieht Mugezi in ihr nur noch einen Weg sich an Serenity zu rächen. Auf soetwas möchte ich auch nicht reduziert werden, schließlich ist sie immer noch die gleiche Frau, die zuvor Mugezi geliebt hat.


    Ich hoffe, dass ich heute Abend den Rest des Buches lesen kann. Mugezi hat sich ja nun dazu entschieden, nach Amsterdam zu gehen. Ich bin gespannt, wie es ihm gelingt, dort Fuß zu fassen und welche Akzeptanz er dort findet.


    LG Myriel :winken:

  • *weiterhin Selbstgespräche führt*


    Der siebte Abschnitt hat mir nicht sehr gut gefallen. Es ist zwar ein gänzlich andere Umgebung, in der sich Mugezi zurechtfinden muss, aber dennoch legt er wieder einige seiner alten Verhaltensweisen an den Tag und es kam mir wie eine Wiederholung mancher Ereignisse vor.


    Die Schilderung seiner Arbeit für die Hilfsorganisation fand ich ziemlich aufschlussreich. Grausam, wie sie mit das Leid ihrer "Schützlinge" ausschlachten, um an Spendengelder zu kommen, die zum größten Teil sowieso irgendwo auf dem Weg zu den Hilfsbedürftigen versickern. Kein Wunder, dass Mugezi dieses Spiel nicht mitspielt. Statt dessen geht er ins Amsterdamer Ghetto, wo er auf andere Einwanderer trifft, teilweise aus Amerika, aber auch viele Afrikaner, bei denen er nicht weiß, ob sie Freund oder Feind sind.


    Ich kann gut verstehen, dass die Anfangszeit für Mugezi schwierig war, aber dennoch lebt er einfach in den Tag hinein ohne Ziel und ohne Zweck. Da kam für mich wieder seine Arroganz zum Vorscheinen, als er abfällig gemeint hat, dass er die meisten Berufe, die andere Ghettobewohner ausüben, nicht mal mit der Kneifzange angerührt hätte. Zum Glück hat er noch genügend Reserven aus seiner diversen Tätigkeiten, von dener er erstmal leben kann. Widersprüchlich fand ich aber in dem Zusammenhang sein Erstaunen beim Besuch des Duty-Free-Shops auf dem Brüsseler Flughafen über die hohen Preise. Erstens müsste ihm doch klar sein, dass sich das Preisniveau in Westeuropa von dem in Afrika unterscheidet und zweitens hat er doch selbst miterlebt, welche Preise in Uganda auf dem Schwarzmarkt herrschen.


    Fehl am Platz fand ich die Schilderung seiner Beziehung zu Magdelein, insbesondere wie sie ihn z.T. bevormundet und präsentiert hat und die Reaktion der Umwelt auf ihre Beziehung. Wie Aldawen geschrieben hat, ist es sicherlich ein wichtiger Aspekt, der für mich persönlich jedoch einfach nicht zu den vorangegangenen sechs Abschnitten passt. Da ist einfach ein zu großer Bruch drin.


    Gut gefallen hat mir, dass Mugezi noch auf das Schicksal seiner Eltern eingegangen. So erfährt der Leser von Hängeschloss' Zusammentreffen mit einem Büffel und die Auflösung des Eingangssatzes über Serenitys Begegnung mit dem Krokodil. Sogar der komplette erste Satz des Buches wird wortwörtlich nochmals in der Schilderung von Serenitys Ableben aufgegriffen.



    Und auf jeden Fall ist es ein Roman, aus dem man einiges über die betreffenden Jahrzehnte ugandischer Zeitgeschichte lernen kann!


    Aldawens Fazit muss ich voll und ganz zustimmen. Ich habe vieles über Ugandas jüngere Geschichte gelernt, was mir vorher nicht oder nicht so umfangreich bekannt war. Die Lektüre hat sich auf alle Fälle gelohnt.


    LG Myriel :winken:


  • *weiterhin Selbstgespräche führt*


    Nein, nein, ich bin noch da :winken:



    Ich habe gestern noch einmal das Ende des vierten Abschnitts gelesen. Mugezi fädelt wirklich seinen eigenen Rauswurf aus dem Priesterseminar ein, aber gleichzeitig verfasst er auch Empfehlungsschreiben an die besten Schulen der Umgebung. Offenbar ist er bei einer von denen untergekommen.


    Gut, wenn man an die richtigen Materialien kommt :breitgrins:



    Was ich ohne vorherige Konsultation vom wiki vermutlich nicht verstanden hätte, sind die Geschehnisse, die zu Amins Sturz führen. Es ist zwar immer wieder die Rede von Tansania, tansanischen Soldaten etc., aber dass Amin erst in Tansania einmarschiert ist und daraufhin Tansanias Armee in Uganda eindrang, hätte ich so aus dem Buch nicht herausgelesen.


    Das wird im fünften Abschnitt auch noch nicht deutlich, weil es da ja noch nicht so in vollem Umfang passiert. Nachdem es in der Anfangszeit von Amins Regime schon (vor allem, aber nicht nur politische) Plänkeleien gab und Tansania auch den Guerillagruppen Zuflucht bot, war es nur eine Frage der Zeit. Zudem ist es für Diktatoren ein probates Mittel von innenpolitischen Problemen und Unruhen dadurch abzulenken, daß man einen äußeren Feind heraufbeschwört gegen den sich das Volk doch bitte sammeln muß. Und wenn gerade kein passender Feind da ist, dann macht man sich eben einen ...



    Abstoßend hingegen war Serenitys Reaktion auf die Tatsache, dass nicht er sondern Mugezi Opas Leiche gefunden haben. Anstatt froh zu sein, dass sie ihn überhaupt gefunden haben und würdig beerdigen können, ist er eifersüchtig auf seinen Sohn! Das gibt es doch nicht. :grmpf:


    Das war Mugezis Wahrnehmung, vielleicht hat er sich ja auch getäuscht ...?



    Während der Beerdigung wurden Punkte aus dem ersten Abschnitt wieder aufgegriffen und die familiären Beziehungen und Beziehungsdramen fortgeführt. Obwohl ich dachte, dass Hängeschloss schon am Tiefpunkt der Sympathiekurve angekommen war, hat sie es tatsächlich geschafft, in meinen Augen noch weiter zu sinken. Erst sagt sie zu ihrer Schwester, dass deren Vergewaltigung die Bestrafung Gottes war und dann vergleicht sie allen ernstes auch noch Idi Amin mit dem Schwert Gottes. Die Frau hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank. Wie kann man so verblendet sein und einen Massenmörder als Werkzeug eines gütigen Gottes ansehen? Wird im Christentum nicht gelehrt, dass man Sünden vergeben und seinen Nächsten lieben soll?


    Im neuen Testament schon, das alte ist da nicht so eindeutig (und der Gott dort auch ein sehr viel weniger gütiger, wenn man an Sintflut, die Flucht aus Ägypten u. ä. denkt, dann ist er sogar recht rachsüchtig). Je nachdem, wie Padlock beeinflußt wurde und welcher Schwerpunkt in ihrem Konvent gelegt wurde, kann das in einem verwirrten Hirn schon zu solchen Schlußfolgerungen führen. Aber im Grunde stimme ich Dir zu, eigentlich gehört die Frau in eine psychiatrische Anstalt.



    Erschreckend fand ich am Ende des Abschnitts, wie kühl und emotionslos Mugezi über seine eigene Vergewaltigung berichtet. Einfach nach dem Motto "So trug ich meinen Teil zur Familienstatistik bei." Andererseits war das vermutlich für ihn der einfachste (oder einzigste) Weg, das Ganze ohne schlimmere Schäden zu überstehen.


    Zum einen das, und zum anderen hatte er in seiner Tante ja ein gutes Vorbild für die Bewältigung. Ich denke aber wirklich, wenn man dergleichen mit sich selbst abmachen muß, dann funktioniert wahrscheinlich nur Verdrängung.



    Was mir allerdings aufgefallen ist und das keineswegs positiv, ist das Verhalten der Weltorganisationen (Weltbank, IWF ...). Aus den ganzen Machtkämpfen halten sie sich heraus, aber kaum ist ein Hauch von Ruhe zu spüren, stürzen sie sich wie Halbverhungerte aufs Bankett. a050.gif


    Tja, auf diese Organisationen bin ich auch nur mäßig gut zu sprechen. Die haben in einer ganzen Reihe Länder mehr Probleme geschaffen als gelöst :grmpf:



    Nennt mich naiv, aber mit AIDS hätte ich "Dünn" nicht unbedingt in Verbindung gebracht. Die Symptome (besonders die Geschwüre und der Durchfall) und die relativ kurze Zeit zwischen ersten Symptomen und dem Tod klangen für mich eher nach irgendeiner anderen Seuche. Das liegt vermutlich daran, dass man hier im Fernsehen immer nur sieht, wie AIDS-Kranke in Krankenhäusern versucht wird zu helfen, sie dadurch aber oftmals nur langsamer dahinsiechen.


    Wie alt bist Du? Hast Du die Anfangszeiten von AIDS und die Nachrichten darüber bewußt erlebt? Dann dürfte es Dich eigentlich nicht wundern. Ich kann mich noch recht gut daran erinnern, und die Menschen sahen wirklich furchtbar aus.



    Ihre Reaktion auf seinen Vorschlag, sich bei ihrem Vater als Verlobte auszugeben, nur um ihm einen Schock zu versetzen, fand ich sehr verständlich. Auf einmal sieht Mugezi in ihr nur noch einen Weg sich an Serenity zu rächen. Auf soetwas möchte ich auch nicht reduziert werden, schließlich ist sie immer noch die gleiche Frau, die zuvor Mugezi geliebt hat.


    Ja, bei dieser Weigerung hatte sie auch meine volle Sympathie, Mugezi wäre mit diesem Ansinnen bei mir auch aufgelaufen. Auch wenn sie keinen besonderen Grund hat, ihren Vater zu lieben, so hat sie ihn für sich eben einfach für tot erklärt und damit hat es sich. Nur um jemand anderes Rache willen alte Wunden aufzureißen, das braucht doch wirklich niemand.



    Die Schilderung seiner Arbeit für die Hilfsorganisation fand ich ziemlich aufschlussreich. Grausam, wie sie mit das Leid ihrer "Schützlinge" ausschlachten, um an Spendengelder zu kommen, die zum größten Teil sowieso irgendwo auf dem Weg zu den Hilfsbedürftigen versickern.


    Ja, aber so funktioniert das Geschäft. Mitleid ist nun mal der beste Portemonnaie-Öffner, und was wäre mitleiderregender als ein paar hilflos in die Gegend blickende, abgerissene, halbverhungerte Kinder mit riesigen, traurigen Augen? Wer kann dabei schon hart bleiben?



    Ich kann gut verstehen, dass die Anfangszeit für Mugezi schwierig war, aber dennoch lebt er einfach in den Tag hinein ohne Ziel und ohne Zweck. Da kam für mich wieder seine Arroganz zum Vorscheinen, als er abfällig gemeint hat, dass er die meisten Berufe, die andere Ghettobewohner ausüben, nicht mal mit der Kneifzange angerührt hätte. Zum Glück hat er noch genügend Reserven aus seiner diversen Tätigkeiten, von dener er erstmal leben kann.


    Eben, er kann es sich leisten, diese Arbeiten zu ignorieren. Er hat, sofern er seine Ansprüche nicht übertreibt, eine finanzielles Polster, das weitaus größer ist, als der meisten anderen Leuten im Ghetto. Es geht ihm also relativ besser. Das muß man natürlich auch zum Ausdruck bringen, ein zutiefst menschliches Bedürfnis :zwinker:


    Schönen Gruß,
    Aldawen

  • Auch mich gibt es noch :winken: .


    Heute habe ich endlich den 6. Abschnitt beendet. Leider konnte ich mich länger nicht zum Lesen aufraffen - wieso, das verstehe ich selbst nicht ganz. Das Buch hat dies eigentlich nicht verdient, denn wenn ich auch finde, dass es Schwächen hat, so hat es auch stärken. Nur kommen die bei so langen Pausen nicht richtig zum tragen.


    Im 5. Abschnitt muss ich einige kleinere Ungereimtheiten in der Erzählperspektive bekritteln. Was mir die ganze Zeit fehlte, nämlich eine Reflektion der Geschehnisse durch das erwachsene Erzähler-Ich, taucht hier endlich auf - leider zu spät. Wieso jetzt und nicht früher?
    "Ballasted with Padlockism" heißt es z. B. ziemlich zu Beginn (S. 294), als Mugezi seine Cousinen "erziehen" will. Der Ausdruck ist wirklich gut, aber ich glaube kaum, dass er seine Maßnahmen schon damals so kritisch sah. Ein ganz offener Kommentar des Erzählers wird dann 2 Seiten später mit "It did not occur me then..." eingeleitet.


    Auch mir ging Idi Amins Terrorherrschaft ein wenig zu schnell zu Ende (also rein literarisch hier im Buch natürlich). Nur nebenbei wurden ja seine Gräueltaten erwähnt und wenn man nicht genau hinschaute, dann schien alles nicht sooo schlimm. Plötzlich kommen dann die Befreier aus Tansania und mit ihnen eigentlich intensiver geschildertes Unheil. Das folgende Chaos und die Rache an oft genug unschuldigen Sündenböcken sind schlimm genug und dazu kommen dann auch noch die Übergriffe der Sieger. Eigentlich ja alles ganz normale Folgen eines Krieges, aber darum nicht weniger schlimm.


    Dem "witch doctor" stehe ich auch zwiespältig gegenüber. Einderseits hilft er Kasawo ja wirklich (und anzunehmenderweise auch vielen anderen seiner Kunden), aber dass er sich bei seiner "Behandlung" auch noch an ihr vergeht (ich unterstelle ihm, dass er das bei einer älteren, hässlicheren Frau nicht getan hätte), finde ich schon daneben. Übrigens fiel mir dabei der Ausdruck "latex-sheathed penetration" auf. Er benutzt also ein Kondom, was mich übrigens gleich an AIDS denken ließ. AIDS wurde ja Anfang der 80er Jahre als sexuell übertragende Krankheit bekannt.


    Padlocks Reaktion auf die Vergewaltigung ist natürlich unsäglich. Nur muss man dabei bedenken, dass ihre Ansicht, es sei die Strafe Gottes, für Kasawos sündhaften Lebenswandel nicht ihre eigene Idee ist, sondern dies von genug "Christen" auch in hohen kirchlichen Positionen vertreten wird. So wurde (und wird) ja von genug Leuten AIDS als gerechte Strafe für homosexuelle Praktiken angesehen. Padlock befindet sich mt ihrer Ansicht also in guter schlechter Gesellschaft.



    6. Abschnitt:
    Ach ja - ich stelle mal wieder fest, dass meine Kenntnisse über Afrika im allgemeinen und Uganda im besonderen fast unexistent sind. Ich dachte, dass in Uganda nach Amins Ende Frieden eingekehrt wäre - aber nein! Der folgende Guerillakrieg gegen Obote und seine Folgen wird detaillierter geschildert als der gegen Idi Amin. Die völlige Zerstörung des Heimatdorfes macht das ganze Ausmaß der Gewalt deutlich. Dass aber auch gar nichts übrig geblieben ist, ist eine furchtbare Vorstellung.


    Mugezi wird mir immer unsympathischer. Zwar kann ich seine Handlungen nachvollziehen, aber schlimm finde ich sie trotzdem. Das Lehrerdasein macht im keinen Spaß, aber ein wenig ernster könnte er seinen Beruf schon nehmen, finde ich, oder ihn ganz an den Nagel hängen. Die Leidtragenden sind ja die Schüler, die nichts lernen, wo doch Ausbildung ihre einzige Chance ist, ihr Leben positiv zu verändern.


    Noch schlimmer dann seine Zusammenarbeit mit Lwendo. Auch er bereichert sich, statt bei dem Wiederaufbau seines Landes zu helfen. Natürlich ist das nur realistisch und in dem Roman einfach notwendig, um ihn glaubwürdig zu machen, aber trotzdem schwer zu verdauen. So sehr ich strahlende Helden à la Hollywood verabscheue, so sehr fehlen sie mir, wenn sie denn fehlen :vogelzeigen: . (Der Vogel gilt mir selbst.) Ich hätte doch so gerne ein Happy End für Uganda!


    Aber einem Happy End stehen ja nicht nur die politischen Verhältnisse in einem kreigsgebeutelten Land entgegen, sondern auch die AIDS-Epidemie, von der auch Mugezis Familie betroffen ist.
    Der Tod seines Onkels im Hühnerhaus gehört für mich zu den stärksten Szenen im Buch. Wie den Hühnern unterstellt wird, sie versuchten, ihren Besitzer zu wecken, ist großartig.


    Was mich in diesem Teil wieder störte, war das mir nur unzureichend deutliche Verstreichen der Zeit. Plötzlich heißt es "as it was in the Eighties" - dass wir uns schon in den Neunzigern befinden, war mir entgangen.


    Aber trotz aller Kritik finde ich das Buch doch lesenswert. Die Verquickung von persönlicher mit der politischen Geschichte ist hochinteressant, hätte nur noch besser ausgeführt sein können. Jedenfalls bin ich gespannt auf den letzten Teil in den Niederlanden.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo miteinander. :winken:


    Im neuen Testament schon, das alte ist da nicht so eindeutig (und der Gott dort auch ein sehr viel weniger gütiger, wenn man an Sintflut, die Flucht aus Ägypten u. ä. denkt, dann ist er sogar recht rachsüchtig). Je nachdem, wie Padlock beeinflußt wurde und welcher Schwerpunkt in ihrem Konvent gelegt wurde, kann das in einem verwirrten Hirn schon zu solchen Schlußfolgerungen führen. Aber im Grunde stimme ich Dir zu, eigentlich gehört die Frau in eine psychiatrische Anstalt.


    Stimmt schon, im alten Testament war Gott stellenweise sehr grausam zu seinem ausgewählten Volk, aber im Grunde genommen ist das alte Testament ja eher die Glaubensgrundlage für die Juden und das neue Testament für die Christen (vereinfacht ausgedrückt). Wie Du aber schon gesagt hast, wer weiß was Hängeschloss in ihrem Kloster beigebracht wurde bzw. wie strikt dort zwischen den verschiedenen Glaubensansichten unterschieden wurde.


    Wie alt bist Du? Hast Du die Anfangszeiten von AIDS und die Nachrichten darüber bewußt erlebt? Dann dürfte es Dich eigentlich nicht wundern. Ich kann mich noch recht gut daran erinnern, und die Menschen sahen wirklich furchtbar aus.


    Nein, die Anfänge habe ich nicht mitbekommen. Ich bin erst '87 geboren und als ich zum ersten Mal etwas von AIDS gehört habe, war es Ende der 90er.


    Das war Mugezis Wahrnehmung, vielleicht hat er sich ja auch getäuscht ...?


    Da bin ich mir eben nicht sicher, inwieweit das wirklich Mugezis Wahrnehmung ist. Es kam ja immer wieder vor, dass er über Ereignisse erzählt hat, bei denen er selbst nicht anwesend war (z.B. Kasawos Besuch beim Medizinmann), von daher weiß ich nicht, ob es wirklich nur sein Eindruck von der Reaktion seines Vaters ist oder ob da wieder ein Sprung in der Erzählperspektive vorliegt.



    Der Tod seines Onkels im Hühnerhaus gehört für mich zu den stärksten Szenen im Buch. Wie den Hühnern unterstellt wird, sie versuchten, ihren Besitzer zu wecken, ist großartig.


    Stimmt, dass war eine sehr beeindruckende Schilderung.



    Was mich in diesem Teil wieder störte, war das mir nur unzureichend deutliche Verstreichen der Zeit. Plötzlich heißt es "as it was in the Eighties" - dass wir uns schon in den Neunzigern befinden, war mir entgangen.


    Das ist vermutlich auch der Punkt, warum ich mit dem erwachsenen Mugezi nicht wirklich klar kam. Die Zeit vergeht zu schnell und auf einmal ist er erwachsen, Lehrer, hat zig Geliebte und und und. Das kam für mich etwas überraschend, da ich erwartet habe, dass seine Studienjahre und auch sein Einstieg in Welt der Erwerbstätigen mehr Platz einnimmt (ähnlich wie die Zeit im Priesterseminar). Statt dessen kaum zwei Absätze über die Uni (übertrieben gesagt) und schwups ist er Lehrer und hat Schüler in dem Alter vor sich sitzen, in dem er im Buch selbst noch vor wenigen Seiten war.


    LG Myriel

  • Hallo,


    ich habe das Buch fertig gelesen.


    Der 5. und 6. Abschnitt haben mir am besten gefallen. Hier bekommt man Einblick in die Geschichte Ugandas, in das Alltagsleben und die Zeit nach Idi Amin - die, wie mir vorkommt, im Schatten des berühmt-berüchtigten Diktators steht. Ich wusste auch nichts von der zweiten Regierungszeit Obotes und dass noch jahrelang Bürgerkrieg geherrscht hat. Auch die Beschreibungen von AIDS und den damit verbundenen Glaubensvorstellungen und Ängsten sind sehr einprägsam gewesen. Keine Plattitüden, keine Effekthascherei.



    Zu dem großen Rundumschlag gehört dann auch noch ein Einblick ins frustrierende Ghettoleben und in das Problem, zum Ausstellungsstück zu werden – Punkte, die ich zwar grundsätzlich für wichtig anzusprechen halte, aber die nicht unbedingt in diesem Roman noch hätten dargestellt werden müssen.ich am Anfang war


    Hier sind auf ca. 60 Seiten so viele Ereignisse dicht und kurz beschrieben worden, die ein eigenes Buch hätten füllen können. Sprachlich hat mir an diesem Kapitel am besten die Beschreibung vom Serenitys und Hängeschloss Tod gefallen. Und auch der von Saltanah erwähnte Tod des Onkels Kawayida und dem Versuch der Hühner, ihn aufzuwecken. An diesen Stellen hat mich der Stil sehr an Gabriel García Márquez erinnert.



    Ich habe gerade mal in einem Lexikon der afrikanischen Mythologie nachgesehen, ob es mit diesen beiden Tieren etwas besonderes auf sich hat. Über die Büffel wird aber eigentlich nur gesagt, daß sie wegen ihrer Größe und Kraft mit großem Respekt betrachtet wurden, zumal sie auch seltene Jagdbeute waren. Das Krokodil gilt häufig als böser Geist, nicht gefräßig, sondern verräterisch.


    Das ist interessant, danke für diesen Hinweis. Hängeschloss wird von einem Büffel erschlagen und wurde von einigen Personen aus ihrer Umgebung wegen ihrer Kraft mit Respekt bedacht. Serenity wurde von einem Krokodil gefressen; er war eher ein passiver, verschlagener Mensch - als bösen Geist wurde ich ihn nicht bezeichnen, aber er war auch kein liebevoller, fürsorglicher Vater und Ehemann. So sterben sie durch Tiere, die in der Mythologie ihre Eigenschaften repräsentieren.


    So wie für Euch sind auch für mich manche Zeitsprünge nicht gleich nachvollziehbar gewesen und das letzte Kapitel war zwar ein Abschluß, aber ein hastiger, übereilter Abschluß. Mugezi musste noch einmal den Rebell durchblitzen lassen, seine Gefühlswelt blieb aber für mich verschlossen (Was dachte er, als er vom Tod seiner Eltern erfahren hat?)


    Liebe Grüße
    nikki

    Ich lese gerade:<br />Lion Feuchtwanger - Der jüdische Krieg