Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Penelope Lively - Der wilde Garten
Inhalt:
Helen und Edward - beide altmodisch und oft wunderbar eigensinnig - müssen erkennen, daß sie für die gierigen achtziger Jahre nicht geeignet sind. Der wilde Garten, das Wäldchen hinterm Haus - wie erwehrt man sich der begehrlichen Blicke der Makler und Anlageberater? Und seit die Geschwister nicht mehr unter der Fuchtel der starrsinnigen Mutter stehen, die jeden Heiratskandidaten vergrault hat, ist auch ihre Gefühlswelt durcheinandergeraten. Helen verliebt sich in den Testamentsvollstrecker, und Edward ignoriert eisern, daß ihn der schöne Nachbarssohn in größte Verwirrung stürzt. Das Leben ist auf einmal in Bewegung geraten, und Helen und Edward sind dem Schock der Erkenntnis ausgesetzt, daß nicht nur ihre Idylle und die wuchernde Wildnis hinterm Haus bedroht sind, sondern auch ihre Lebensgewohnheiten und - umstände, in denen sie sich über die Jahre häuslich eingerichtet haben.
Meine Meinung:
Penelope Lively macht das, was sie am besten kann: Menschen charakterisieren, an der Oberfläche kratzen und tief ins Innere schauen, Entwicklungen verfolgen und Ereignisse in der Persönlichkeit ihrer Figuren nachklingen lassen. Für ihre intensive und ausgefeilte Figurenzeichnung bewundere ich diese Autorin und ich wurde auch mit diesem Roman nicht enttäuscht.
Dorothy Glover ist tot und man ist sich als Leser gar nicht sicher, ist das ein Fluch oder ein Segen für ihre Kinder? Das Geschwisterpaar Helen und Edward ist nun so jung auch nicht mehr, 49 und 52 Jahre zählen die beiden, und während all dieser Zeit war ihre Mutter ständig präsent und hat in ihrer egoistischen und selbstherrlichen Weise über das Leben der beiden bestimmt.
Nun darf man aber nicht denken, dass sie so einfach aus dem Leben der beiden verschwindet; wie ein Schatten, wie ein schwarzes Loch schwebt ihre Aura nach wie vor über Helen und Edward und beeinflusst deren Gedanken und Taten. Es dauert sehr, sehr lange, bis die beiden endlich realisieren, dass es nun gilt, selbst zu leben, selbst Entscheidungen zu treffen, endlich ein eigenes Leben zu führen.
Es sind die Kleinigkeiten des Alltags, die Unscheinbarkeiten des englischen Landlebens und die Schlichtheit der Handlung, die dieses Buch so lesenwert machen. Völlig unaufgeregt erzählt Penelope Lively, wie zwei Menschen anfangen, langsam aus einem tiefen Schlaf zu erwachen, zu sich zu finden und dabei zahlreiche Irrwege zu gehen. Die Figuren bekommen nach und nach eine gestochen scharfes Profil, so dass man meint, sie selbst zu kennen. Besonders die altmodische Art der beiden rührte mich immer wieder, ihre hilflosen Versuche der Anpassung an das moderne Leben, das durch die dritte Schwester im Bunde verkörpert wird, die ein hektisches Großstadtleben inmitten von London führt. Und trotzdem hat man das Gefühl, die beiden leben trotz aller Unzulänglichkeiten in einer guten alten Zeit, wie man sie selbst gerne kennengelernt hätte.
Natürlich gibt es auch jede Menge Komplikationen, insbesondere, was das vernachlässigte Liebesleben der beiden betrifft. Hier stellt sich im Laufe der Handlung heraus, dass die Mutter so einiges Aktivitäten unternommen hatte, um ihre Kinder nicht an irgendwelche Partner zu verlieren, und die Aufarbeitung dieser Erkenntnis ist ein bitterer, aber wichtiger Schritt im Laufe der Rückkehr ins Leben.
Als sehr gelungen empfand ich insbesondere auch die schönen Naturbeschreibungen und die Berichte aus den Britches, einem wilden Waldstück, das dem Buch seinen Namen gibt und das einen wichtigen Bestandteil im Leben der Glovers darstellt. Ich empfehle dieses Buch gerne weiter an Leser, die Freude auch an weniger handlungsorientierten Geschichten haben und Wert auf eine ausgefeilte Figurenzeichnung legen. Wer dazu noch etwas mit dem englischen Landleben anfangen kann, der ist mit diesem Entwicklungsroman bestens bedient.
+
Viele liebe Grüße
Miramis