Colette - Erwachende Herzen

Es gibt 12 Antworten in diesem Thema, welches 4.956 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von dodo.

  • Colette - Erwachende Herzen. Manesse, 268 Seiten (Der Roman an sich umfasst ca. 210 Seiten, hinzu kommen zwei Miniaturen Colettes und ein Nachwort).


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    Kurzbeschreibung
    Bewegender Roman über den wehmütigen Abschied von der Kindheit
    Colette hat sich ihren künstlerischen Ruhm gegen mancherlei Widerstände erkämpft. Dem turbulenten Auf und Ab des Schicksals rang sie die Klarheit ihres Stils ab und stand im Leben wie in der Literatur für den Wandel im Verhältnis der Geschlechter. Selbstbewußt machte sie das Tabu aufkeimender Sinnlichkeit zum Thema, so auch in "Erwachende Herzen", einem ihrer großen kleinen Werke.


    Die fünfzehnjährige Vinca liebt das Meer und die endlos scheinenden Sommermonate über alles: das Schwimmen, das Fischen, das Herumstreunen in den Dünen. Diese Zeit der Wonne und kindlichen Unbeschwertheit teilt sie seit frühester Jugend mit Philippe. Doch in diesem Jahr scheint irgend etwas verändert zu sein - weniger unbeschwert als bisher, weniger fröhlich. Worüber man einst scherzte, das ruft mit einem Mal Befangenheit hervor, Gedanken und Gefühle, die man sonst geschwisterlich teilte, hält man nun geheim voreinander. Vinca und Phil entdecken, daß sie keine Kinder mehr sind ..."Erwachende Herzen", 1923 geschrieben, liest sich als Sommerromanze ebenso bestrickend wie als Chronik der alles durchglühenden Adoleszenz. Die zwei Prosaskizzen "Atempause" und "Mir ist heiß" komplettieren den Band.· Die ideale Strandlektüre: atmosphärisch dicht, verführerisch, ein Lesegenuß von der ersten bis zur letzten Seite.


    Meinung
    Dieser dünne Roman, man könnte ihn auch als Erzählung ansehen, beschreibt das Aufblühen der ersten Liebe zweier jugendlicher Protagonisten, Vinca und Philippe. Die Beschreibung der beiden lässt sie als die schönsten Menschen der Welt erscheinen. Überhaupt gibt es keine störenden Töne in diesem Roman, Probleme der Außenwelt werden komplett ausgeblendet, man spürt hingegen die Urlaubsstimmung an der französischen Atlantikküste, an der dieser Roman spielt. Alles liest sich unheimlich leicht, erst das Nachwort klärt darüber auf, dass Colette an dieser Leichtigkeit ihre Stils lange und hart gefeilt hat. Die Beschreibung des sexuellen Aktes wird ausgespart und auch das trägt dazu bei, den Zauber dieser Liebe zu bewahren.


    Jugendliche Liebe ist ein Thema, welches ja in meinem Leben schon einige Zeit hinter mir liegt, daher war ich skeptisch, ob mich solch ein Thema zu fesseln vermag. Colette gelingt dies überzeugend, sie untersucht, wie Liebe entsteht und wie daraus Sexualität wird. Die Handlung ist an der ein oder anderen Stelle in gewisser Weise vorhersehbar (hier in der Rezension wird aber bei weitem nicht alles verraten), aber die Geschichte lebt ohnehin mehr von ihren wunderbarem Ton. Und in gewisser Weise ist man dann über die Interpretation der Handlung im Nachwort überrascht. Ein Buch, welches so manches Geheimnis bewahrt.


    Das Nachwort ist sehr interessant, da Colette ein aus damaliger Sicht recht ausschweifendes Leben geführt hat. Auch ihr literarischer Ruhm in Frankreich ist hierzulande kaum bekannt, sie war die zweite Frau, die in die Académie Goncourt aufgenommen wurde, die sie später leitete. Als sie 1954 verstarb wurde sie mit einem Staatsbegräbnis beigesetzt.


    Wieder mal eines der Bücher, die jeden Leser zum Klassikliebhaber macht.


    5ratten


    Gruß, Thomas

  • Hallo Klassikfreund,


    danke für die Rezi zu dem Buch.


    Erwachsen werden ist auch Thema der ersten beiden Bücher von Colettes "Claudine-Reihe" - eine aus fünf Büchern bestehende Reihe, die ich immer wieder gerne lese.


    Erwachende Herzen werde ich mir dann wohl auch kaufen. :smile:


    Viele Grüße von Annabas

  • Hallo Thomas und alle,


    danke für die schöne Besprechung! "Erwachende Herzen" ist eins meiner Lieblingsbücher, wobei ich sonst Colette nicht so sehr mag. Aber dieser kleine Roman hat, wie du sehr schön schilderst, ein unwiderstehliche Atmosphäre, und ich kenne kein anderes Buch außer vielleicht Radiguets "Teufel im Leíb", der auf so wunderbare Weise dieses komplexe Thema von erwachender Liebe und Sexualität darstellt,ohne sich einmal im Ton zu vergreifen. Ich habe eine uralte Rowohlt- Taschenausgabe von 1955 aus den Beständen meiner Eltern und es würde mich daher interessieren, wer deine Manesse-Ausgabe übersetzt hat. meine Übersetzung stammt von "S. Neumann" und ist meiner Ansicht nach gut gelungen, wobei ich das Original nicht kenne, sondern mich nur auf den Stil der Übersetzung beziehe.


    HG
    finsbury


    Edit: Habe gerade bei Amazon nachgeschaut: Gleiche Übersetzerin!

    Einmal editiert, zuletzt von finsbury ()


  • Aber dieser kleine Roman hat, wie du sehr schön schilderst, ein unwiderstehliche Atmosphäre, und ich kenne kein anderes Buch außer vielleicht Radiguets "Teufel im Leíb", der auf so wunderbare Weise dieses komplexe Thema von erwachender Liebe und Sexualität darstellt,ohne sich einmal im Ton zu vergreifen.


    Radiguets Buch kenne ich als Hörbuch. Äußerst empfehlenswert.


    Gruß, Thomas

  • Ich habe Colettes "Erwachende Herzen" jetzt auch gelesen - und ich finde diese Erzählung ganz zauberhaft. Wie Colette die Ferienatmosphäre eingefangen hat, ist unglaublich gut gelungen. Die ganze Zeit über hatte ich das Gefühl, am Meer zu sein, der Brandung zuzuhören und den Geruch von Tang und Salz in der Nase zu haben, und ich fühlte mich weit weg vom Alltag.


    Selten habe ich etwas gelesen, was die Zeit des Erwachsenwerdens und der erwachenden Sexualität so leicht und natürlich beschreibt.


    Ein bisschen wehmütig habe ich das Buch vor ein paar Minuten zugeklappt - schade, dass die Ferien vorbei sind.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Lieber Tom,


    ich bin unschlüssig, was ich von Colettes Buch halten soll. Hauptsächlich wird Philippe`s Gedankenwelt beschrieben und Vinca`s Außenwelt. Eine Frau, als Schriftstellerin hat es versucht, sich in eine "Jungenwelt" reinzuschreiben. Zauberhaft beschrieben fand ich die Gegend und die Handlungen der Zwei.
    Alles in Allem extrem lesenswert, jedoch irgendwie lässt es mich kühl zurück. Vielleicht bin ich schon zu weit weg von dem Pupertärem.


    Im Übrigen hab ich den AKt an sich noch nie so reizend beschrieben gelesen, wie der von Vinca und Philippe. Seufz.


    Wie auch immer, ich gebe:


    4ratten wegen der schriftstellerischen Qualität. Die Geschichte fand ich mässig.

    Einmal editiert, zuletzt von cori ()

  • Vinca und Philippe haben schon, so lange sie denken können, die Sommerferien gemeinsam mit ihren Familien an der bretonischen Küste bei Cancale verbracht und die Existenz und die Zuneigung des jeweils anderen einfach als gegeben hingenommen. Nun ist Vinca fünfzehn, Philippe ein Jahr älter, und plötzlich wird es kompliziert. Das Erwachsenwerden bringt ganz neue Gefühlsregungen mit sich, die beide noch nicht so recht einordnen können, eine andere Dimension der Zuneigung, und die alte Vertrautheit stellt sich nur noch manchmal ein.


    In diesem kleinen Büchlein fängt Colette ganz großartig die emotionalen Wirrungen der Pubertät ein, diese Zeit, in der auf einmal nichts mehr ist wie früher, in der ein paar Wochen sich wie Jahre anfühlen können und ein paar Jahre wie eine halbe Ewigkeit. Philippe entdeckt die eigene Sexualität, eine überraschende, ein wenig beängstigende Erfahrung, und Vinca zeigt sich häufig launisch und unberechenbar. Typische Teenager eben, die Colette mit dem Abstand eines reifen Menschen hier auf ganz zarte Weise porträtiert, so einfühlsam, dass es nicht schwerfällt, für ihre Stimmungsschwankungen und wilden, manchmal gar übertriebenen Emotionen Verständnis aufzubringen.


    Sehr schön fand ich auch die Darstellung der Landschaft, des Wetters und des Meeres, sanft hingetupft wie ein impressionistisches Gemälde, ein wunderbarer Hintergrund für die Erzählung über einen Sommerurlaub, der für die beiden jungen Menschen ein Sommer großer Veränderungen ist, während für ihre Eltern, die beide nur als "Schatten" wahrnehmen, die sich gar nicht groß um ihre Kinder zu scheren scheinen, alles wie immer ist. Die Sprache ist ab und zu sehr blumig und streift die Grenze zum Kitsch, aber auf eine Art, die sehr gut ins Gesamtbild passt.


    Das informative Nachwort der hübschen Manesse-Ausgabe war sehr lesenswert, zumal ich wenig über Colette wusste. Auch die Ausführungen zur Entstehung dieses Buches waren interessant. Die beiden kurzen Texte Colettes, die noch enthalten sind, haben mich allerdings nicht so sehr angesprochen.


    Geärgert hat mich allerdings ein Absatz in den Erläuterungen, deren Verfasser sich offenbar noch nie mit der Geographie der Bretagne befasst hat. Ein Haus, das sich an der Küste zwischen Cancale und Saint-Malo befindet, kann niemals in Landévennec stehen. Dieser Ort liegt schlappe 300 km weiter südwestlich!


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Schön, dass dieses wunderbare Buch wieder nach oben gespült wird.


    Gruß, Thomas

  • Ein gewisser Thomas war schuld daran, dass das Buch auf meine Wunschliste gewandert ist :zwinker:


    Ich könnte mir auch sehr gut vorstellen, es mehrmals zu lesen, weil die Stimmung so besonders ist.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich habe von Colette schon einiges gelesen, "Erwachende Herzen" liegt allerdings noch auf meinem SuB. Dank eurer wunderschönen Rezessionen habe ich jetzt Lust darauf bekommen und werde es als nächstes lesen. :smile:

    Einmal editiert, zuletzt von dodo ()