Lars Gustafsson - Frau Sorgedahls schöne weiße Arme. Hanser, 236 Seiten.
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Kurzbeschreibung
"Ich brauche nicht zu verreisen. Ich bin schon da." - Ein Philosophieprofessor in Oxford begibt sich auf eine Zeitreise in die Vergangenheit. Und schon ist er mittendrin im Schweden der fünfziger Jahre, im vertrauten Västmanland. Beim Geschmack der Zimtbirnen, beim Duft in den Schilfbänken der Seen und vor allem bei den Frauen, die noch genauso verführerisch sind wie damals: Ingela, die Tochter des Gießers im benachbarten Sommerhaus, und Frau Sorgedahl, die einen langweiligen Mann und so schöne weiße Arme hat.
Bewertung
Gute Bücher der Gegenwartsliteratur zu finden, ist m.E. kein leichtes Unterfangen. Also traute ich mich diesmal an einen 2008 erschienenen Roman des 1936 geborenen schwedischen Philosophen, Romancier und Lyriker Gustafsson heran. Das Fazit der FAZ hört sich vielversprechend an.
ZitatIn dieser Welt gibt es den Geruch der Zimtbirnen und die Tochter des Gießers, es gibt die Gesellschaft im Heizungskeller und eben Frau Sorgedahls schöne weiße Arme. Lauter Gründe, diese Welt, dieses vielgestaltige Diesseits und das eigene Leben darin zu lieben. Das ist es, was uns Lars Gustafsson in seinem schönsten Buch seit mehr als dreißig Jahren lehrt.
Der Ich-Erzähler des Romans ist ebenfalls wie der Autor etwa 70 Jahre alt. Und das ist auch schon das Problem des Buches. Der Autor kann sich nicht entscheiden, was er schreiben will: Soll es ein philosophischer Roman oder doch eher ein melancholischer autobiografischer Lebensrückblick werden. So mischen sich wunderbare philosophische Einsichten über das Leben mit ziemlich tonlosen Tagebuch ähnlichen Einträgen wie sie jeder schreiben könnte:
ZitatKürzlich kam mir in den Sinn, dass dies objektiv gesehen wohl mein letztes Jahrzehnt ist.
Dieser Satz klingt in meinen Ohren ungelenkig, vor allem verglichen mit so mancher Beschreibung, insbesondere den poetisch beschriebenen Szenen um Frau Sorgedahl herum, wie das folgende Beispiel zeigt:
ZitatBehutsam und ohne Vorwarnung, wie Ideen zu uns kommen, legte ich die Hand auf ihre Hüfte. Und verspürte ihre Wärme.
Hier ist Gustafsson großartig. Das Buch hat jedoch ein zweites Problem. Es enthält keine Geschichte, es ist lediglich eine Aneinanderreihung recht beliebiger Erinnerungen des Ich-Erzählers ohne dass ersichtlich wird, warum genau diese Inhalte zwingend zusammen gehören. Der Roman enthält aber ganz großartige Kapitel, zum einen die Kapitel mit der Liebe zu Frau Sorgedahl, zum anderen ein Kapitel, in dem die Schüler einen ihrer Lehrer mit einer "Wickie-haften" Idee zum Wahnsinn treiben (und das ist nicht im übertragenen Sinne gemeint). 5 Sterne für dieses Kapitel!
Aufgrund der beschriebenen Schwächen ist es für mich leider nicht der ganz große Roman und ich kann mich dem Fazit der FAZ nicht anschließen. Verglichen mit den Neuerscheinungen deutschsprachiger Autoren des aktuellen Jahres ziehe ich Genazino und Rothmann diesem Buch eindeutig vor.
Gruß, Thomas