Mauricio Botero - Don Ottos Klassikkabinett

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    [size=5]Feinsinnige Musik-Poesie[/size]


    Was geschieht, wenn ein feinsinniger Dichter wie der Kolumbianer Mauricio Botero der Musik als seiner großen Liebe ein Poesie-Bändchen widmet? Es geschieht «Don Ottos Klassikkabinett». Das sind 31 Geschichten und Geschichtchen, vielmehr: 31 Albumblätter, die je ein bedeutsames bzw. berühmtes Stück der Musikgeschichte zum Anfangs- und Endpunkt von menschlichen und zugleich philosophischen bis witzigen Begegnungen nehmen. Auf eine wirklich so unnachahmliche Art, dass man meint, beim Lesen die Aura selbst des fraglichen Werkes ins Ohr zu kriegen.


    Eigentlich ist «Don» Otto Roldán nur ein unscheinbarer CD-Verkäufer, der im «Chapinero», einem äußerst belebten Viertel im Nordosten von Kolumbiens Hauptstadt Bogotá, und zwar gleich gegenüber der gewaltigen «Nuestra Señora de Lourdes», gemeinsam mit seiner treuen Gehilfin Adela einen offenbar gutgehenden Musikladen betreibt. In diesem seinem Hort zur Musikalischen Einkehr, genannt La Caja de Música» (Die Musikschachtel), empfängt Don Otto nun tagtäglich Fremde, Käufer, Leute, Menschen: «Schweigsame, harmonische, atonale oder misstönende Menschen kommen hier vorbei. Auf der Suche nach den großen Werken bevölkern sie die Partitur des Lebens.» Und da trifft er sie denn alle, die schrillen Choleriker oder stillen Melancholiker, die diskutierfreudigen Intellektuellen oder maulfaulen Bauern, die kulturbeflissene Lehrerin oder die versnobte Direktorenfrau, den ausgeflippten Teenager oder den korrekten Buchhalter - sein ganzes «Kabinett» eben.


    Mauricio Botero ist, offensichtlich von einer hervorragend nachdichtenden Übersetzung aus dem Spanischen durch Peter Kultzen unterstützt, in diesem «Klassikkabinett» ein Virtuose des szenischen Kontrasts und der frappanten Skurillität ebenso wie der (musik-)ästhetischen Reflexion und des entlarvenden Dialogs, ein Meister der buchstäblich leisen Töne, doch auch des schockierenden Paukenschlages. Keines seiner Kapitel ohne Humor, ja Sprachwitz, aber auch keines ohne feingewogenen Hintersinn – sei’s nun der «besprochenen» Musikstücke, sei’s der «behandelten» Menschen. Der kleine CD-Laden des Don Otto gerät so zum Abbild eines wahren kulturgeschichtlichen Kosmos’, auch wenn es sich bei den vielen zitierten Tonwerken von Händel bis Bartok um ausnahmslos sehr berühmte Stücke handelt, denen diese «Neuentdeckung» durch Don Ottos Klassik- bzw. Horrorkabinett höchst gut tut (und welche die Lektüre auch für musikalische Laien sehr zum Gewinn macht!).
    Verführerisch ist es dabei, Boteros 31 Kleinode des ebenso informativen wie pointenreichen Reisens durch Musik- und Menschen- und Gedankenwelten in einem Aufguss zu verschlingen, so bescheiden, ja unscheinbar kommen diese Geschichtchen daher. Doch nichts dümmer als das; vielmehr sind sie wohldosiert zu genießen, um ihren je unverwechselbaren Gout zu spüren, man nehme unbedingt nur einen oder zwei Bissen aufs Mal zu sich, sonst verliert dies spezielle Gericht seine geschmacklichen Verknüpfungen. «Don Ottos Klassikkabinett» bedarf des langsamen Genusses eines jeden einzelnen Häppchens, damit sich das reiche Gesamt-Bouquet entfalten kann. Ein Gourmet-Mahl für «Kenner und Liebhaber» und für «stille Genießer». (Walter Eigenmann)


    Mauricio Botero, Don Ottos Klassikkabinett, Unionsverlag, 188 Seiten, ISBN

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