Harry Martinson – Der Weg nach Glockenreich

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    Ich habe es als Teil aus diesem Doppelband gelesen, in dem auch noch Erzählungen von Eyvind Johnson unter dem Titel Zeit der Unruhe enthalten sind:


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    Inhalt: Der Zigarrenarbeiter Bolle ist nicht glücklich über den Einzug von Maschinen in sein Handwerk. So macht er sich mit einem Kollegen selbständig, sie wollen genug Geld für die Emigration nach Amerika mit ihren Zigarren verdienen. Schnell stellt sich heraus, daß das Geld nur für eine Passage reichen wird, und so würfeln die beiden darum. Bolle verliert, begleitet seinen Freund aber noch zum Schiff. Jahre später ist Bolle als Landstreicher auf den Straßen und Wegen Schwedens und Norwegens unterwegs, manchmal allein, manchmal mit anderen. Er genießt die Freiheit dieses Lebens, auch wenn auf ihn und seinesgleichen, ob zu recht oder zu unrecht, durch die Bauern viele Ängste projiziert werden. Aber er hat die Regeln des Landstreicherlebens gut gelernt und kommt zurecht. Veränderungen allerorten ändern aber auch das Landstreicherleben, und Bolle fühlt sich nicht mehr so recht wohl. Sein Leben beschließt er in einem Krankenhaus oder Sanatorium und dort erfährt er noch einmal Freundlichkeit und Gutherzigkeit.



    Meine Meinung: Der Übergang vom Zigarrenmacher zum Landstreicher wird nicht geschildert, was die Motive doch verschwommen bleiben läßt. Die Verdrängung hergebrachten Handwerks durch Maschineneinsatz ist ja nichts, was auf die Zigarrenmacher beschränkt blieb, und viele Arbeiter haben ihre Heimat stattdessen in den Fabriken und zur Verbesserung ihrer dortigen Arbeitsbedingungen in den Gewerkschaften gefunden. Das ist für Bolle aber überhaupt keine Option. Aber warum nun? Im Detail weiß er es wohl selbst nicht, denn hier stellt mehr als ein Landstreicher fest, daß er nicht sagen kann, warum er auf der Walz sei. Arbeitsscheu ist es nicht, denn die Jungs arbeiten durchaus, wenn es für Kost und Logis nötig ist. Aber eben nicht tagein, tagaus als langfristige Perspektive. Lieber nehmen sie in Kauf, von den Schwellen der Bauernhäuser auch mal wie ein Hund vertrieben zu werden und sich demütigende Unterstellungen anhören zu müssen.


    Insgesamt bleibt das alles sehr episodenhaft. Die zwei verschiedenen Lebensentwürfe, die Martinson hier in Form der Bauern und der Landstreicher gegenüberstellt, sind einfach nicht miteinander zu vereinbaren. Es klingt aber deutlich eine gewisse Bewunderung für das Leben der letzteren durch, was sich auch in teils durchaus lebensklugen, teils aber einfach pseudo-philosophisch wirkenden Unterhaltungen der Landstreicher untereinander äußert. Ob Bolle nun wirklich eine Entwicklung über das reine Altern hinaus durchmacht, war nicht unbedingt erkennbar. Und es war auch wenig hilfreich, daß er ausgerechnet Bolle hieß, weil dieser Name bei mir einfach fest mit einem Scherzlied verbunden ist, daß zu diesem Typen überhaupt nicht paßte, aber dafür kann der Autor natürlich nichts. Fazit: Ganz nett, kann man lesen, aber notwendig ist es eher nicht.


    2ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen


  • Und es war auch wenig hilfreich, daß er ausgerechnet Bolle hieß, weil dieser Name bei mir einfach fest mit einem Scherzlied verbunden ist,


    Same here - mein erster Gedanke war gerade "Aber dennoch hat sich Bolle ganz köstlich amüsiert" :elch:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen