Julio Ramón Ribeyro – Im Tal von San Gabriel

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    Für den Inhalt greife ich ausnahmsweise mal wieder auf den Klappentext zurück, der hier sehr passend ist:


    „Der Roman dieses peruanischen Dichters eröffnet dem deutschen Leser einen tiefen Einblick in eine ihm bislang fremde Welt.
    Ein Sommeraufenthalt bei Verwandten auf der in einem großartigen Anden-Hochtal gelegenen Hazienda San Gabriel wird einem Heranwachsenden zur entscheidenden Phase seiner Jugend. Nur scheinbar herrschen auf dem weitläufigen Besitz noch patriarchalische Zustände, beruhen das abwechslungsreiche Leben und die großzügige Gastfreundschaft auf einem sicheren Daseinsgefühl. Dem naiv kritischen Blick des jungen Besuchers enthüllt sich die Brüchigkeit dieses Lebens: Die Familie die Onkels, die weiteren Verwandten, die Bediensteten, die auf dem Gut oder in der höher gelegenen Bergwerksmine arbeitenden Indios – sie alle sind von einem unaufhaltsamen moralischen und gesellschaftlichen Auflösungsprozeß ergriffen.
    Inmitten dieser Welt zerbröckelnder Ordnungen erlebt der junge Gast die quälende Leidenschaft zu seiner Kusine, einem reizvollen, amazonenhaften Wesen, dem er sich immer wieder zu entziehen versucht. Die Verlobungsfeier dieses Mädchens mit einem ungeliebten Mann wird zum dramatischen Höhepunkt des von vielfältigen Spannungen erfüllten Romans.
    Unverrückbar, hart und großartig umgrenzen die Berge der Anden den Schauplatz gesellschaftlicher und persönlicher Wandlungen, die ineinandergreifen und vom Autor Zug um Zug intensiver gestaltet werden. Ribeyros straffe Handlungsführung und küstlerische Gestaltungskraft geben dem Roman internationalen Rang.“



    Meine Meinung: Dieser Klappentext beschreibt hervorragend, was den Roman ausmacht. Ich habe ein Faible für Gesellschaftsporträts in Form von Familiengeschichten, vor allem, wenn sie den Abstieg und Untergang einer Familie mit einer gewissen Unausweichlichkeit beschreiben. Damit hat Ribeyro bei mir den Nerv genau getroffen, denn den ganzen Roman über hatte ich nie das Gefühl, daß einer der Protagonisten im Rahmen seiner Disposition unlogisch handelte oder auch nur anders hätte handeln können, um das doch recht tragische Ende zu verhindern.


    Durch die Perspektive des Ich-Erzählers fehlen zwar die tiefen Einblicke in Gedanken und Gefühle der übrigen auf San Gabriel Versammelten, aber die genaue Beobachtung des jungen Mannes eröffnet dafür Einsichten anderer Art. Der Erzähler reflektiert die Ereignisse des Sommers rückblickend, und er bildet dahingehend keine Ausnahme vom Rest der Protagonisten, daß auch er seine Handlungsoptionen im Rahmen seiner Möglichkeiten wahrnimmt. Deshalb bedauert er auch nicht, irgendwelche Dinge getan oder nicht getan oder falsch getan zu haben, er konstatiert die Abläufe und das langsame Aufbrechen der Risse und Verwerfungen unter der Fassade, die ihre äußerliche Entsprechung in einem zerstörerischen Erdbeben finden. All dies berichtet er angemessen in einer zwar unaufgeregten, einfachen, aber gleichwohl bezwingenden Sprache. Eine schöne Zufallsentdeckung.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen