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Walter Kappacher: Der Fliegenpalast
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Anhand von Hugo von Hofmannsthals Aufenthalt in Bad Fusch, einem Kurort in den Salzburger Alpen, entwirft Kappacher das Bild eines Künstlers in einer Schaffenskrise. H. Ist gerade erst 50 Jahre alt geworden und gesundheitlich angeschlagen, Schwindelanfälle, hoher Blutdruck. Der Schlaganfall, der ihn fünf Jahre später aus dem Leben wirft, kündigt sich hier schon an. Wegen seiner ruhigen unaufgeregten Prosa wird Kappacher gerne mit Adalbert Stifter verglichen. In dieser Hinsicht vergleiche ich Kappacher noch mit dem norwegischen Per Petterson, der auch so eine herrlich verinnerlichte Prosa schreibt.Neben dem Zerfall des Körpers und der Schaffenskrise schwelt im Hintergrund eine Wirtschaftskrise. In diesem Jahr (1924) fallen wegen Geldmangel die Salzburger Festspiele aus.
Melancholien kommen auf. Immer weniger Lebensjahre hat er zu erwarten, Selbstzweifel überfallen ihn und er erinnert sich an die Sommermonate in seiner Jugendzeit, die er mit seinen Eltern in Bad Fusch verbracht hat. Mit seinem Vater hatte er sich gut verstanden. „Seinem klugen Urteil hatte er manchmal mehr vertraut als jenem der berufsmäßigen Kritiker.“ Nun fühlt er sich einsam und bekommt seinen Timon nicht zu Ende, arbeitet auch immer noch an seinem Turm.
Zitat von "Walter Kappacher"Werde ich langsam verrückt? Dachte er. Was macht die Arbeit an den Theaterstücken?
Tatsächlich leidet H. an sporadisch auftretenden Bewusstseinstörungen.
Zitat von "Walter Kappacher"Jetzt setzte der Mann sich in Bewegung, kam auf ihn zu. H. Spürte, wie sein Herz sich verkrampfte. Der Rudolf Borchardt? Verrückte Idee, dachte er sogleich, aber das hatte ich mir doch schon vor ein paar Tagen eingebildet...
Im Roman gibt es allerlei literarische Anspielungen, und manches könnte mit Hintergrundwissen besser verstanden werden. Da gibt es den Tag, an dem H. schlechte Laune gehabt hatte. Bevor er nach Bad Fusch kam, verbrachte er bei seinem Freund Carl. In Davos hatten ihn die vielen Bestattungsunternehmen dort einen Schrecken eingejagt, dann stieß er auf folgendes Zitat von Robert Walser „Wann ging die feine Säuberung des Schmetterlings in mir verloren?“ Warum ihm dieser Satz durcheinandergebracht hat, sodass er die Schweiz verlassen wollte, weiß ich nicht, dass kann man eben nur wissen, wenn die literaturhistorischen Tatsachen bekannt sind. Desweiteren scheint sich der Roman über weite Strecken auf Hofmannsthals Briefe des Zurückgekehrten zu beziehen. Wahrscheinlich eröffnen sich dem Leser noch tiefere Ebenen des Romans, wenn er diese Briefe oder auch den Brief an Lord Chandos gelesen hat.
Kappachers Fliegenpalast lässt sich selbstverständlich auch ohne Hintergrundwissen lesen, dann liest man eben, was man weiß. Wer gerade nicht auf Actionliteratur aus ist und herrliche unaufgeregte Prosa mit Hauch von Melancholie lesen möchte, der ist in diesem Roman bestens aufgehoben.
Abschließend habe ich eine Frage: Beeinhaltet die reclam-ausgabe von dem Brief an Lord Chandos auch die Briefe des Zurückgekehrten? Dann würde sich ein Kauf doppelt lohnen.
Liebe Grüße
mombour