Władysław Stanisław Reymont – Die Bauern

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    Inhalt: Auf dem Boryna-Hof führt der Bauer Matheus ein hartes Regiment. Der älteste Sohn Antek und dessen Frau Anna arbeiten ebenso in der Wirtschaft mit wie die jüngste Tochter Fine. Eine andere Tochter ist mit dem Dorfschmied verheiratet. Und vor allem der Schmied Michael und Antek drängen den Alten immer wieder, ihnen ihren Anspruch zu überschreiben und aufs Altenteil zu gehen. Das will Matheus aber auf keinen Fall, stattdessen überlegt er, wieder zu heiraten. Die Wahl fällt auf die Nachbarstochter Jagna, die von ihrer verwitweten Mutter Land mit in die Ehe bekommt, das für Matheus günstig gelegen ist. So wird denn die Hochzeit angesetzt, und Antek, der selbst in Jagna verliebt ist, gerät darob so in Streit mit dem Vater, daß dieser ihn vom Hof wirft. Für Anna und die Kinder beginnt ein hartes Leben, denn Antek ist sich als Hofbauernsohn zu fein für Tagelohnarbeit. Aber auch Matheus wird in der Ehe mit der viel jüngeren Frau, der alle jungen Männer im Dorf nachschielen nicht glücklich. Schnell nistet sich Eifersucht und Kontrolle auf Schritt und Tritt ein. Eines Nachts beobachtet Matheus Antek und Jagna, die sich im Schober treffen, und zündet diesen kurzerhand an. Die beiden können sich zwar retten, aber zur Entspannung trägt das Erlebnis nicht bei.


    Während bei den Borynas also der Familienfrieden völlig aus den Fugen geraten ist, läuft auch im Dorf Lipce nicht alles seinen gewohnten ruhigen Gang. Es geht das Gerücht, der Gutsherr wolle den Wald verkaufen und fällen lassen, obwohl auch das Dorf daran Ansprüche hat. Bei einer handgreiflichen Protestaktion gegen die Holzfäller, die der Gutsherr von anderen Dörfern geholt hat, wird Matheus vom Förster schwer verletzt, woraufhin Antek rot sieht, und den Förster umbringt. Alle Männer des Dorfes werden in die Nachbarstadt ins Gefängnis gebracht und so bleibt im Frühling zunächst die gesamte Feldarbeit liegen – eine schwere Belastung für Lipce. Auch die versuchte Ansiedlung von Deutschen auf dem Gelände der niedergebrannten Meierei wird im Dorf nicht gerne gesehen. Zu allem Überfluß ist auch der Schulze keiner, auf den nach Ansicht der Dörfler Verlaß ist. Denn obwohl Matheus noch lebt, wenn er auch nicht mehr versteht, was um ihn her vorgeht, ist doch dorfbekannt, daß Jagna sich mit dem Schulzen eingelassen – ein gefundenes Fressen für den Dorfklatsch. Und auf dem Boryna-Hof werden die Dinge auch nicht dadurch vereinfacht, daß Matheus sich mit Anna ausgesöhnt hatte, die länger als die anderen Frauen auf die Rückkehr ihres Mannes aus dem Gefängnis warten muß.



    Meine Meinung: Diese Inhaltsangabe liefert natürlich nur einen Ausschnitt aus dem mehrhundertseiten Werk. Zeitlich umfaßt der Roman ungefähr ein Jahr, einsetzend im Herbst bis zum folgenden Sommer, ich würde das ganze aufs ausgehende 19. Jahrhundert datieren. Die zwei großen Stränge sind die Tragödien in der Boryna-Familie und die Probleme des Dorfes Lipce, einerseits im internen Verhältnis der Menschen zueinander (neben dem Schulzen sind gerade auch der Pastor, der Organist und der Müller immer für ein Murren gut) als auch im Verhältnis des Dorfes zur Obrigkeit, was vor allem am Ende noch in einem Schulstreit eskaliert.


    Dabei mangelt es allerorten nicht an menschlichen Schwächen, die hier – nicht gerade genüßlich – aber doch ausgiebig „zelebriert“ werden und mich am Ende letztlich doch auch kopfschüttelnd zurückließen. Das betrifft weniger manches Mißverhältnis in der Boryna-Familie, denn Erbstreitigkeiten bspw. sind nicht ungewöhnlich, erst recht nicht, wenn es etwas zu verteilen gibt. Aber daß Klatsch und Tratsch einen Menschen ziemlich vernichten kann, ist nicht überraschend, wird hier mit Jagna als Opfer jedoch besonders gründlich vorgeführt. Wobei man sich schon die Frage stellen muß, inwieweit sie wirklich nur Opfer war (so sieht sie sich selbst) und nicht auch manches bewußt provoziert hat (wenn auch nicht als Alleinschuldige, zu der das Dorf sie macht). Überhaupt ist die Dorfmeinung recht wetterwendisch, und jeder wird zum Opfer der bösen Zungen, sobald er es nicht hören kann. Wie auf einer solchen Basis überhaupt ein gemeinschaftliches Leben auf so vergleichsweise engem Raum erträglich sein kann, hat sich mir nicht erschlossen, aber vielleicht ist das eine Frage der Gewöhnung.


    Sympathie für Charaktere ist zwar nichts, was ich in einem Roman notwendigerweise entwickeln muß, aber ich muß schon zugegen, daß Reymont es dem Leser in dieser Beziehung besonders schwer macht. Am ehesten konnte ich, trotz ihrer Fehler, noch Anna solche Gefühle entgegenbringen. Dem Rest hätte ich, mehr oder weniger permanent, wahlweise wegen Dummheit, Arroganz, Gier oder ähnlich aparter Wesenszüge schütteln mögen. Aber zumindest waren sie in ihrem Verhalten konsequent, was es dann auch nachvollziehbar machte.


    Insgesamt kann ich mir aber schon durchaus vorstellen, warum dieses Werk als „polnisches Nationalepos“ gehandelt wird. Das Land ist schließlich bis in die jüngste Zeit stark agrarisch geprägt, und solche Traditionen pflegen recht langlebig zu sein. Daher liefert das hier Erzählte manche Erklärung, auch im Hinblick auf die Rolle der Kirche und ihren Einfluß auf Moralvorstellungen im Land.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Schönen Gruß,
    Aldawen