Efraim Sevela - Legends from Invalid Street

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    Eine deutsche Übersetzung dieses Buches des jüdisch-litauischen Schriftstellers habe ich nicht finden können, daher stelle ich es unter seinem englischen Titel vor. Ich selbst habe die schwedische Übersetzung unter dem Titel "Legender från Invalidgatan" gelesen.


    Dieses 1971 erschienene Buch teilt sich in zwei Teile. Im ersten Teil, dem "Weg zum Glück", beschreibt der jüdische Erzähler, wie er 1953 aus geschäftlichen Gründen nach Vilnius/Wilno reist und zufällig in einem Frisiersalon landet, der allgemein unter dem Namen "Der Weg zum Glück" bekannt ist. Dort trifft sich jeden Sonntag eine Gruppe alter Juden, die im Krieg ihre Familien verloren haben und erzählen sich Geschichten aus ihrem Leben. Einige dieser Geschichten gibt der Erzähler hier wieder.
    Eines haben diese Geschichten alle gemeinsam: Die Grausamkeit, der die litauischen Juden im Zweiten Weltkrieg ausgesetzt waren. Hier gruselt es die Leserin immer wieder, obwohl - oder gerade weil - nicht auf die Tränendrüse gedrückt wird. Statt dessen werden die Furchtbarkeiten ruhig erzählt, wobei unter der Oberfläche eine große Traurigkeit zu verspüren ist.
    Ein weiteres Thema ist der deutliche Antisemitismus, den die paar überlebenden Juden durch die sowjetischen Machthaber nach dem Krieg zu verspüren bekommen. Hier wird Sevela stellenweise unglaublich ironisch, indem er seinen Erzähler scheinbar antijüdische Klischees vertreten lässt, um in nächsten Satz die Wahrheit dahinter durchscheinen zu lassen:

    Zitat

    So ist es, wenn man Geschäfte mit Juden macht. Sie sind ein furchtbar listiges Volk, sie schlagen aus allem einen Gewinn.
    Ich machte einen solchen Gewinn, dass ich mir mit Ach und Krach die Fahrkarte nach Hause leisten konnte.


    (Meine eigene, ungeschickte Übersetzung.)


    Der zweite Teil besteht aus den titelgebenden "Legenden aus der Invalidenstraße". In 6 Legenden lässt der Erzähler (ein anderer als im ersten Teil) die Straße seiner Kindheit im Vilnius der 30er wieder aufleben. In anekdotenhafter Form erzählt er von den jüdischen Bewohnern der Invalidenstraße, vor allem von seinen Verwandten und sich selbst. In die nostalgisch verklärten Erinnerungen dieser unwiderruflich vergangenen Welt mischt sich auch hier immer wieder die entsetzliche Zukunft, von der die Menschen zum Glück noch nichts ahnen.


    Ich habe die 180 Seiten dieses Büchleins recht gerne gelesen. Stilistisch hatte ich an der schwedischen Übersetzung nichts auszusetzen während ich mich inhaltlich mit der Nostalgie doch etwas schwerer tat. Allerdings gelingt es Sevela, trotz aller Idyllisierung und schon fast mythischen Überhöhung der Eigenschaften der Invalidensträßler die nicht ganz einfache Lebenswirklichkeit der litauischen Juden auch vor dem Krieg deutlich durchschimmern zu lassen.
    Keine verlorene Lesezeit also.


    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!