[Kolumbien] Tomás González: Die Teufelspferdchen

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    Inhalt, in diesem Fall ausnahmsweise mal wieder in Form des Klappentextes: Der Protagonist dieses Romans hat keinen Namen. Er wird „der, der sich zwischen den Pflanzen verliert“ genannt. Wir kennen ihn bereits aus Tomás González' früher erschienenen Romanen: In Horacios Geschichte ist er noch ein Jugendlicher, einer von Álvaros Söhnen, J.s und Davids Bruder, und wird als „der, der etwas von Bäumen verstand“ vorgestellt. In Am Anfang war das Meer ist er der „Verwandte“, von dem sich J. um seine Erbschaft betrogen fühlt und der am Ende J.s Beerdigung effizient und ohne Sentimentalität in die Hand nimmt.
    Der Roman beschreibt, wie der Protagonist eine Finca am Rand der Großstadt Medellín erwirbt und bewirtschaftet. Diese Bewirtschaftung – ein kontinuierlicher Ausbau und eine ständige Verschönerung des kleinen Landguts –, die er und seine Frau Pilar mit eigenen Händen betreiben, führt die beiden in eine immer größere Einsamkeit. Es ist ein vielschichtiger, tiefgründiger, geheimnisvoller Roman, das Charakterbild eines Mannes, der – vor einer Schuld fliehend? – sich zunehmend von der Welt abkapselt und von der „Fülle, die er selber schuf“, schlucken läßt. Mit der Finca schafft sich der Protagonist durch unermüdliche Arbeit ein von der Außenwelt abgenabeltes Mikroparadies, das zugleich eine Hölle ist, weil ein Übermaß an Sicherheit und Perfektion etwas Erstickendes hat und weil er sich selbst nicht entfliehen kann.
    Kurz gesagt: Das Buch ist die spannende, brillant erzählte Geschichte eines Scheiterns innerhalb eines Scheiterns, der persönliche Schiffbruch des Protagonisten innerhalb des Niedergangs der kolumbianischen Gesellschaft (hier aufgezeigt am Beispiel der Stadt Medellín).



    Meine Meinung: Für mein Empfinden handelt es sich um einen recht merkwürdiger Roman, der Klappentext hat mit dem Fazit des „Scheiterns innerhalb eines Scheiterns“ aber absolut recht. Ich habe ihn gestern in einem Zuge gelesen (bei rund 170 Seiten auch durchaus machbar) und das war wohl auch das Beste, denn bei Pausen hätte ich vermutlich den Zusammenhang verloren, obwohl es gar nicht mal stetige Handlung, viele Zeitsprünge oder übermäßig viele Personen gibt, über die man den Überblick behalten müßte. Trotzdem entstand das Gefühl, dran bleiben zu müssen, was aber auch nicht besonders schwer fiel, weil die Art der Erzählung einen ziemlichen Sog ausübte. Das bezieht sich weniger auf die Sprache, die schlicht, aber nicht simpel gehalten ist.


    Vielmehr war vor allem der Kontrast zwischen dem abgestorbenen Inneren des Protagonisten, dem äußeren Paradies der Finca und der äußersten, durch bauliche und gefühlsmäßige Abschottungen auf Distanz gehaltenen Hülle des gewalttätigen Umlandes durchaus faszinierend. Das hat nichts mit besonderer Sympathie für irgendeine der Personen und schon gar nicht den Protagonisten zu tun, dafür bleiben sie allesamt zu fern, zu distanziert, macht mich aber trotzdem neugierig auf die anderen Bücher González', in denen diese (seine; denn González' Romane tragen wohl stark autobiographische Züge) Familie betrachtet wird. Etwas mehr hätte für meinen Geschmack das spezifische Umfeld Medellín einfließen dürfen, aber andererseits wäre dann ein sehr viel anderer Roman entstanden, daher geht auch das völlig in Ordnung so wie es ist.


    4ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen