[Guyana] Jan Carew – Wilde Küste

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    Inhalt: Der Junge Hector Bradshaw lebt mit seinem Vater Fitz, einem reichen Geschäftsmann, seinen beiden Schwestern, einer ältlichen, nervigen Tante und diversem Personal in Georgetown. Da er sich in den Augen seines Vaters als aufsässig erweist, wird er kurzerhand auf den Besitz der Familie in dem Dorf Tagorlie, an der Küste Guyanas, geschickt, um dort unter der Aufsicht der alten Hausbediensteten Sister aufzuwachsen. Hectors Leben war nie besser, Sister läßt ihm eine Menge Freiheiten, der alte Doorn und dessen Sohn Tengar bringen ihm alles bei, was er über die Sümpfe und die Jagd wissen muß, und für seine Schulbildung sorgt ein junger, diplomversessener Privatlehrer. Das einzige, was Hector stört: Auch hier in Tagorlie will niemand über seine Mutter reden, die bei seiner Geburt starb, obwohl etliche Leute offenkundig etwas zu sagen hätten. Und noch ein Geheimnis, aber besser gehütet, schwebt über dem Dort und das hat mit Tengars Frau Elsa und dem alten Doorn zu tun. Als Hector sein Schulabschlußexamen bestanden hat, kommt der Vater, der ihn die ganzen Jahre über ignoriert hat, mit seiner Geliebten nach Tagorlie. Aber Fitz Bradshaw ist nicht mehr der Mann von einst, er ist geistig völlig zerrüttet und nicht mehr zurechnungsfähig.



    Meine Meinung: Einen Actionreißer darf man hier nicht erwarten, der Roman ist alles andere als das, immerhin gibt es eine recht gefährliche Jagdszene. Im wesentlichen liegt hier eine Coming-of-age-Geschichte zugrunde, denn es geht um Hectors Reifeprozeß. Er muß sich in Tagorlie positionieren, was nicht einfach ist. Einerseits gehört seinem Vater quasi das ganze Dorf (nicht die Menschen natürlich, aber das Land). Andererseits ist Hector daran herzlich wenig interessiert. Aber Sister hat klare Vorstellungen davon, was sich für den jungen Master Bradshaw gehört und was nicht, und dem kann Hector letztlich doch nur selten entrinnen.


    Es gibt ein paar interessante Einblicke in das Dorfleben an der Küste Guyanas, die Bevölkerung setzt sich vor allem aus Nachkommen afrikanischer Sklaven und mit mehr oder weniger starken Einsprengseln indischer, indianischer und europäischer Herkunft zusammen. Daraus resultiert auch ein recht spannender religiöser Synkretismus, der leider nur wenig Raum einnimmt. Bis auf den großen Windtanz, an dem Hector unerlaubterweise teilnimmt, und der zwar beschrieben, dessen Bestandteile aber nicht erläuter werden, wird vieles nur unterschwellig angedeutet. Hierfür hätte ich mir einen größeren Anteil an der Erzählung gewünscht.


    Als Psychogramm taugt der Roman allerdings auch nur bedingt. Dafür tauchen einfach zu viele Personen auf, die in ihrer Persönlichkeitsstruktur sowie in ihren offenen und verborgenen Beziehungen zueinander aufgedröselt werden müßten, und das geben die nicht einmal 300 Seiten parallel zu den anderen Aspekten nicht her, auch hier bliebt also vieles nur angedeutet. Manches kann man sich als Leser ohne weiteres erschließen, das geht in Ordnung, aber das Bild rundete sich für mich letztlich nicht. So bleibt im wesentlichen eine ganz ordentliche erzählte Geschichte vor tropische Kulisse und ein am Ende zwar halbwegs aufgeklärtes, aber nur mäßig dramatisches Familiengeheimnis im Hintergrund.


    3ratten


    Schönen Gruß,
    Aldawen