Rolf Lappert - Nach Hause schwimmen

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    Wilbur Sandberg träumt davon, wie Bruce Willis zu sein, stark und cool und jeder Situation gewachsen. Davon ist er allerdings meilenweit entfernt, kleingeraten und wortkarg, wie er ist. Letzteres ist kein Wunder, wenn man bedenkt, wie viel er in seinem kurzen Leben schon hinter sich hat, angefangen mit dem Tod seiner Mutter bei der Geburt des Sohnes, den sie sich so gewünscht hatte, und dem spurlosen Verschwinden seines Vaters. Somit wächst er zunächst im Waisenhaus auf, bis seine Großeltern aus Irland anreisen und ihn mit nach Hause nehmen.


    Mit noch nicht mal zwanzig Jahren landet Wilbur im Krankenhaus, nachdem man ihn halb ertrunken aus dem Wasser gefischt hat. Ob Unfall oder Selbstmordversuch, ist unklar und lässt sich auch nicht so einfach herausfinden, weil Wilbur einfach das Sprechen eingestellt hat. Resigniert lässt er die Behandlungen über sich ergehen und spielt nicht nur einmal mit dem Gedanken ans Sterben. Nicht einmal die Klinikpraktikantin Aimee, die ihn insgeheim fasziniert, kann ihn dazu bringen, den Mund aufzumachen.


    Wilbur ist ein echter Antiheld, nicht nur körperlich. Egal, was er anpackt, es tendiert dazu, irgendwie schiefzulaufen. Auch wenn er die besten Absichten hat, steht er am Ende meist doch wieder in einem schlechten Licht da.


    Beginnend mit Wilburs Erwachen nach seiner Rettung aus dem Wasser erzählt Rolf Lappert dessen Lebensgeschichte in zwei Handlungssträngen, abwechselnd in der Gegenwart und in Rückblenden, die jeweils mit einem passenden Bruce-Willis-Filmtitel überschrieben sind. Dabei bedient er sich einer schönen Sprache mit zahlreichen Metaphern, die originell sind, ohne gewollt zu wirken. Ärgerlich nur einige wenige Ausdrücke, die wie eine schlechte Übersetzung aus dem Englischen wirken, wie etwa "organisches Obst".


    Die vielen Schicksalsschläge, Niederlagen und Enttäuschungen, die Wilbur hinnehmen muss, könnten leicht Gefahr laufen, überfrachtet und übertrieben zu wirken. Diese Klippe wird durch einen ironischen Unterton anstelle von Pathos erfolgreich umschifft.


    Es empfiehlt sich, den Roman möglichst rasch zu lesen, um angesichts der vielen Namen und Schauplätze nicht den Überblick zu verlieren, denn Wilbur begegnet in seinem ruhelosen Dasein ziemlich vielen verschiedenen Menschen, die knapp und treffend geschildert werden und oft für skurrile Schmunzelmomente sorgen.


    Ein gelungener Entwicklungsroman, der ab und zu ein bisschen an John Irving erinnert (nicht nur wegen des zu kurz geratenen Helden).


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Wie praktisch, dass Valentine den Inhalt schon beschrieben hat, mir fällt es nämlich schwer zu entscheiden, wovon das Buch denn nun wirklich handelt.


    In gewisser Weise empfand ich die Geschichte als sehr altmodisch, sie hätte auch Jahrzehnte eher spielen können, ich wurde ab und zu überraschend ins korrekte Jahr zurückgeworfen, wenn z:b. Sinhead O’Connor gehört wurde oder Bruce Willis mal wieder thematisiert wurde.

    Wilburs Lebensweg ist so schicksalsgebeutelt und voll von skurrilen Wendungen, dass es nicht realistisch wirkt, aber ohne dabei künstlich zu wirken, der Autor hat einfach nur in ein Leben hinein komprimiert, was alles passieren kann. Die Wendungen erinnern auch mich ein wenig an John Irving.


    Der Bezeichnung Entwicklungsroman stimme ich hier vollkommen zu und zudem ist es einfach eine schöne Erzählung.


    4ratten