Tereza Vanek - Die Dichterin von Aquitanien

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 2.300 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Alexa.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links

    Verlag: Goldmann
    ISBN: 978-3-442-47226-0
    Seiten: 704
    Ausgabe: Taschenbuch
    Preis: 9,95 €
    ET: 07.2010


    Mitte des 12. Jahrhunderts, nahe Paris


    Die junge Marie wächst in einfachen Verhältnissen auf. Kurz nach dem Tod ihres trinkfreudigen Vaters erhält sie die Nachricht, sie sei die illegitime Tochter von Geoffrey VI, dem Bruder des englischen Königs Henri II, und wird nach England an den Hof gebracht. Es fällt ihr schwer, sich in der neuen Umgebung zurechtzufinden, und um ihre Einsamkeit zu vertreiben, beginnt Marie schließlich, heimlich zu dichten. Als Königin Eleonore von Maries Gedichten erfährt, wird diese bald zu einer ihrer Lieblingsdamen. Aber Marie zieht nicht nur Bewunderung, sondern auch viel Neid auf sich …


    Meine Rezension


    Da der historische Hintergrund – Eleonore von Aquitanien, Richard Löwenherz & Co. – absolut meinem Beuteschema entspricht, war ich wirklich gespannt, was Tereza Vanek aus einem meiner Lieblingsthemen gemacht hat. Auch hatte ich bereits eine Trilogie über Marie de France gelesen – wenn auch zum Fantasy-Genre gehörend -, die mich seinerzeit sehr begeistert hat. Somit war die Messlatte recht hoch angesetzt, aber Tereza Vanek hat es geschafft, mich bis auf wenige Kleinigkeiten restlos zu überzeugen. „Die Dichterin von Aquitanien“ war mein erster Roman, den ich von der Autorin gelesen habe und eines steht fest: es wird definitiv nicht mein letzter gewesen sein.


    Tereza Vanek schreibt in einem wunderbar flüssigen und anschaulichen Stil, der mir problemlos das Mittelalter in plastischen Bildern vor Augen entstehen lassen konnte. Leider gibt es aber auch einige kleinere Fehler, die dem Lektorat nicht hätten entgehen dürfen. Vor allem zu Beginn werden einige Wörter verwechselt, was meinen Lesefluss beträchtlich gebremst hat, da der Satz plötzlich keinen Sinn mehr ergeben hat. So wird aus einem Ritter plötzlich ein Richter und statt “deiner Mutter” heißt es “meiner Mutter”. Auch stimmen auf den ersten Seiten eine Zeit- und Altersangabe nicht miteinander überein. Im weiteren Verlauf der Handlung sind mir solche Ungereimtheiten nicht mehr aufgefallen und ein stolperfreies Lesevergnügen ist garantiert.


    Die Handlung selbst ist von Beginn an spannend und interessant erzählt. Sie beginnt mit Maries Kindheit und obwohl ich oft Schwierigkeiten habe, Kinder bei ihren Abenteuern zu beobachten, habe ich mich hier rundherum wohl gefühlt und Marie sofort ins Herz geschlossen. Als Marie zur Frau heran wächst und sich ihr Schicksal abzeichnet, war es dann endgültig um mich geschehen. Ich habe Marie auf ihrem steinigen, abwechslungsreichen Lebensweg jeden einzelnen Moment gerne begleitet. Tereza Vanek versteht es, ihre Leser mitzureißen und in ihre Geschichte einzuschleusen und zu integrieren. Der Unterhaltungswert des Romans ist enorm und ich hatte wirklich jeden Abend große Schwierigkeiten, das Buch zum Schlafen aus der Hand zu legen. Atmosphärisch dicht erzählt und emotional berührend ist „Die Dichterin von Aquitanien“ ein historischer Roman, der sich deutlich von der Masse abhebt, auch wenn am Ende einige Handlungsverläufe etwas unglücklich und zu bemüht erscheinen. Hier hätten manche Wege gerne anders beschritten werden dürfen, vielleicht auch, um den Leser nochmal zu überraschen oder zu schockieren.
    Die Geschichte um Marie de France ist rein fiktiv, da so gut wie nichts über sie bekannt ist. Einzig ihre Lais haben die Zeit überdauert, in historischen Quellen bleibt sie eine nebulöse Figur, auch wenn es viele Spekulationen über ihre Herkunft gibt. Allerdings ist der historische Hintergrund durchaus plausibel mit Tereza Vaneks Interpretation ihres möglichen Lebens verknüpft. In ihrem Nachwort geht die Autorin ausführlich auf diesen Umstand ein und begründet, warum sie „dieses Leben“ für ihre Marie gewählt hat. Mich hat sie absolut überzeugt!


    Die Protagonistin Marie ist eine großartige, starke und ausnehmend sympathische Figur. Dass sie nicht immer die Heldin, sondern auch Opfer oder Zuschauerin ist, macht sie zu einer realistischen und glaubhaften Titelfigur, die ich unheimlich gerne auf ihrem Lebensweg begleitet habe. Zwar konnte ich sie nicht immer verstehen, aber sie handelt immer ihrem Charakter entsprechend und bleibt damit eine plausible Figur. Das männliche Pendant, Jean, hat nicht nur Marie zum Träumen gebracht, sondern auch mich begeistert, obwohl er zunächst so gar nicht der strahlende Held in glänzender Rüstung ist. Aber er entwickelt sich und wird im Laufe seines Reifen zu einem wirklich interessanten, starken Mann, der jedes Frauenherz höher schlagen lässt.
    Aber nicht nur die beiden Protagonisten überzeugen, auch die Nebenfiguren sind gut ausgearbeitet und dynamisch, glaubwürdig und faszinierend.
    Ebenso die historischen Persönlichkeiten, die durchaus polarisieren könnten. Jeder der bereits Romane über diese Zeit gelesen, sich vielleicht sogar eingehender damit beschäftigt hat, wird sich vermutlich sein ganz persönliches Bild von Henry II., Richard Löwenherz und Eleonore von Aquitanien gemacht haben. So auch ich und an meinen Vorstellungen hat Tereza Vanek zum Teil ganz schön gerüttelt. Gerade Richard hat die Autorin nicht mit verklärtem Blick zurück ins Leben gerufen, sondern zeigt Seiten an ihm auf, die nicht unbedingt liebenswert erscheinen. Auch Eleonore von Aquitanien ist hier der eher überhebliche Typ, auf den bestmöglichen Vorteil für sich und ihre Söhne, vor allem Richard, bedacht. Henry II. ist der bullige, laute, zu starken Temperamentsausbrüchen neigende König, wie er zumeist geschildert wird. Das macht den großen Reiz der historischen Persönlichkeiten aus. Sie sind lebendig und greifbar, nachvollziehbar in ihrem Handeln und äußert wandlungsfähig. Besonders gefreut hat mich, dass sie nicht einfach nur zur Ausstattung des Romans gehören und als Statisten fungieren, sondern beträchtliche Rollen in der Handlung einnehmen und Maries Leben aktiv begleiten und zum Teil sogar lenken.


    Der Verlag hat sich viel Mühe gegeben, das Buch ansprechend zu gestalten und hat neben einer zeitlichen Abfolge der wichtigsten historischen Ereignisse, auch einen Stammbaum und eine Karte als unerlässlich angesehen. Das wirklich ausführliche Nachwort der Autorin rundet die Handlung ab, so dass der Liebhaber historischer Romane zufrieden mit dem Buch abschließen kann.


    Fazit


    Das Buch kam mir unter, als ich gerade so gar nichts mehr mit historischen Romanen anfangen konnte – eigentlich mein bevorzugtes Genre -, aber da mich das Thema reizte, gab ich „Die Dichterin von Aquitanien“ wenigstens eine Chance. Belohnt wurde ich mit einem mitreißenden, überzeugenden Roman, der mich ausnehmend gut unterhalten hat und der mir endlich wieder richtig Lust auf mein Lieblingsgenre gemacht hat. Vielen Dank, Tereza Vanek!


    Meine Bewertung


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Liebe Grüße<br />Melli

  • Eine schöne Rezi, vielen Dank!
    Ich habe von der Autorin "Die Träume der Libussa" gelesen und fand die Geschichte sehr gut - es geht in dem Buch um die Gründung von Prag. "Die Dichterin von Aquitanien" kommt daher auch gleich auf meinen Merkzettel.


    Grüße von Annabas :winken:

  • Tereza Vanek – Die Dichterin von Aquitanien


    Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Inhaltsangabe:


    In dem Buch wird das Leben der Dichterin Marie de France fiktiv erzählt.


    Klappentext: Mitte des 12. Jahrhunderts, nahe Paris: Die junge Marie wächst in einfachen Verhältnissen auf, doch kurz nach dem Tod ihres trinkfreudigen Vaters erhält sie die Nachricht, sie sei die illegitime Tochter von Geoffroy VI, dem Bruder des englischen Königs Henri II. Marie wird nach England an den Hof gebracht. Es fällt ihr schwer, sich in der neuen Umgebung zurecht zu finden, und sie wird in eine unglückliche Ehe gezwungen. Um ihre Einsamkeit zu vertreiben, beginnt Marie schließlich, heimlich zu dichten. Als Königin Aliénor von Maries Gedichten erfährt, wird diese bald zu einer ihrer Lieblingsdamen. Und so beginnt Maries Leben am Hof, das sich als nicht ganz so idyllisch herausstellt, wie es zu nächst erscheint. Denn Marie zieht sowohl Bewunderung als auch Neid auf sich ...


    Der erste Satz:


    „Es war ein grauer Märztag“


    Meine Meinung zum Buch:


    :tipp:


    Das ist einer der besten historischen Romane, der mir in der letzten Zeit in die Hände gekommen ist. Es stimmt einfach alles darin.


    Die Personen, allen voran Marie, sind wunderbar gezeichnet, man sieht sie vor sich und glaubt, sie schon lange zu kennen. Als Leserin erhält man unaufdringlich sehr viele Hintergrundinformationen, welche helfen, die Handlungsweise der Personen zu verstehen, auch wenn das aus heutiger Sicht manchmal schwerfällt. Doch die Autorin zeigt das Leben der Frauen und Männer im 12. Jahrhundert eindrücklich auf und man spürt die extremen Abhängigkeiten (insbesondere der Frauen) vom Wohlwollen der Herrschenden, so dass viele Ungerechtigkeiten schweigend ausgehalten werden mussten.


    In der Geschichte tauchen viele historische Personen auf – manche haben mein Interesse geweckt, so dass ich in der nächsten Zeit etwas mehr von ihnen erfahren möchte. Gerade die Lais (Gedichte) der Marie de France interessieren mich, und ich werde mich mal auf die Suche nach einer Ausgabe davon machen. Neugierig geworden bin ich auch auf das Leben der Aliénor/Eleonore von Aquitanien. Etliche vermeintliche Helden sind aber auch auf ihrem Sockel ins Wackeln geraten – in Richard Löwenherz scheinen die heutigen Historiker nicht mehr so sehr den Helden zu sehen, und auch mein Bild von Thomas Becket, den ich bisher als Opfer Henris II gesehen habe, wurde etwas zurechtgerückt.


    Zu lesen ist das Buch sehr schön. Die höfische Welt des 12. Jahrhunderts erschien mir lebhaft vor Augen und ich habe mich keine Zeile lang gelangweilt. Man hofft, leidet und liebt mit der Hauptperson mit und ich werde Marie de France sicher lange im Gedächtnis behalten.


    Das Buch ist mit einem umfangreichen Nachwort versehen, in dem man mehr über die tatsächlichen historischen Gegebenheiten und über das tatsächliche Leben der historischen Persönlichkeiten erfährt. Ein Stammbaum der englischen Könige, eine Zeittafel und eine Landkarte, auf der die Machtverteilung deutlich wird, helfen dem Leser, sich in die Geschichte einzufinden.


    Das kann nur die volle Punktzahl geben: 5ratten


    Viele Grüße von Annabas :winken:

  • Hallo,


    die Rezis machen ja so richtig Appetit - das ist voll mein Beuteschema. Und noch viel besser - das Buch subbt bei mir schon, ich brauche nur ins Regal zu greifen :breitgrins: .


    LG
    Alexa

  • Wow, das klingt klasse. Also kann ich das Buch beruhigt auf meinen Wunschzettel setzen - ich hatte etwas Bedenken, dass es wieder so ein flaches "Die ...in"-Buch ist.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Huhu,


    ich habe mittlerweile tatsächlich ins Regal gegriffen und das Buch wirklich "gerade so weggefressen". Einmal angefangen konnte ich einfach nicht mehr aufhören. Das ist für mich Mittelalter pur, wundervoll geschrieben und facettenreich. Auch die Darstellung realer historischer Personen war interessant und beleuchtet wieder einmal von einer anderen Seite - die einzeig wahre Wahrheit gibt es hier vermutlich auch nicht.


    Seltsam für mich zum Schluss war die Erkenntnis, dass das Buch von einer Frau geschrieben wurde. Ich hatte auf den Autor/die Autorin nicht geachtet und war der innerlichen festen Überzeugung, dass das Buch von einem Mann geschrieben wurde. Warum allerdings lässt sich schwer in Worte fassen. Ich denke noch mal drüber nach, aber es wird vermutlich einfach eine Gefühlssache bleiben.


    Also: Absoluter Lesetipp!