[Indien] Kamala Markandaya - Eine Handvoll Reis

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    (OT: A Handfull of Rice)


    Einige Jahre nach der indischen Unabhängigkeit zieht es Ravi wie so viele andere junge Menschen einige Jahre vom Land, wo einem ständig der Hungertod droht, in die Stadt zu einem vermeintlich besseren Leben. Recht schnell wird er desillusioniert. Zwar kann er einen Schulabschluss vorweisen, aber was hilft der ihm, wenn selbst viele Universitätsabsolventen keinen Job bekommen können? So schließt er sich einer Bande junger Männer an, die mehr schlecht als recht von kleineren Gaunereien leben.
    Eines Nachts lernt er die Familie des Schneiders Apu kennen und verliebt sich sofort in dessen Tochter Nalini. Wieder Erwarten gelingt es Ravi, von Apu als Lehrling angestellt und schließlich auch als Schwiegersohn akzeptiert zu werden und gibt sein altes Leben auf. Dabei kann er allerdings seine altes Gerechtigkeitsgefühl nicht ganz vergessen: Immer wieder gerät er mit Apu oder Nalini aneinander, wenn er über die Ungerechtigkeit der indischen Gesellschaft schimpft. Wieso haben einige Leute Geld wie Heu, während andere, egal wie hart sie arbeiten, kaum genug zum Überleben verdienen? Wieso muss er sich von seinen Kunden oder deren Dienstboten demütigen lassen, nur um die nötigen Aufträge zu bekommen?
    Dennoch ist er meist mit seinem Leben recht zufrieden. Wenn er auch hart arbeiten und mit seiner Arbeit noch einige Schmarotzer - Verwandte von Apu, die ebenfalls in dessen kleinem Häuschen leben - durchbringen muss und dabei ihm doch immer wieder sein früheres Leben vorgeworfen wird, so liebt er doch seine Frau und den gemeinsamen Sohn innig.
    Doch nachdem Apu erkrankt und schließlich stirbt, wird der Druck, der auf Ravi lastet, größer und größer. Er ist eben kein so guter Schneider wie sein Schwiegervater und es fehlt ihm auch an dessen Geschick im Umgang mit den Kunden und so geht es langsam nicht nur mit dem Geschäft sondern auch mit seinem Familienglück bergab.
    Die Versuchung, sich seinem alten Leben wieder zuzuwenden, wird größer und eines Tages bekommt er von einem früheren "Kollegen", der mittlerweile durch seine Gaunereien zu Reichtum gekommen ist, ein Angebot: Ravi soll ihm bei seinen Reisschiebereien helfen. Eben jenen Schiebereien, die mit dafür verantwortlich sind, dass der Reispreis nach einer Missernte noch weiter steigt als es sowieso schon der Fall wäre, und die so dafür verantwortlich sind, dass Ravi und seine Familie sich immer mehr einschränken müssen. Ravi muss sich entscheiden: Ehrsamkeit und Armut (und Hunger) oder relativen Reichtum auf Kosten anderer?


    Die südindische Autorin Kamala Markandaya lässt mit ihrem 1966 erschienen Roman eine mir fremde Welt Realität annehmen, in der die Menschen täglich um ihr Überleben kämpfen müssen, meist ohne Hoffnung auf Besserung. Ein soziales Sicherheitsnetz gibt es nicht; wer krank oder alt wird, muss hoffen, eine Familie zu haben, die ihm helfen kann. Wer diese nicht hat, hat Pech. Das bekommt auch Ravi zu spüren, denn mit seinem Umzug in die Stadt sind ihm seine Familienbande verloren gegangen. Zwar gelingt es ihm durch seine Hochzeit mit Nalini einen Platz in Apus Familie zu ergattern und wird zu deren Haupternährer, aber trotzdem bleibt er dort immer der Fremde, der Eindringling. Das macht es noch verständlicher, dass er die Ungerechtigkeiten seines Lebens nur schwer ertragen kann. Ebenso wird verständlich, dass der große, zu große Druck, der auf ihm lastet, ihn manchmal zu Handlungen treibt, die ihn von seiner Frau, seiner einzigen Stütze, entfremden.


    Mir gefallen Romane wie dieser, die von durchschnittlichen Menschen und deren alltäglichem Leben handeln, und wenn ich durch sie noch dazu erfahre, wie die Lebensbedingungen anderswo aussehen, dann interessieren sie mich noch mehr. Da braucht es keine großen, umstürzenden Ereignisse, keine Klippenhänger, keine strahlenden Helden oder schwärzeste Bösewichte; das ganz normale Leben mit dessen kleinen Freuden und Katastrophen ist spannend genug, schon gar, wenn es so gut geschildert wird wie es Markandaya tut. Ihre Protagonisten - allen voran Ravi - werden sehr lebendig, stehen mir deutlich vor Augen. Mit ihnen kann ich mich freuen und leiden, von ihnen würde ich gerne noch mehr lesen.


    4ratten

    Wir sind irre, also lesen wir!