Elisabeth Herrmann - Das Kindermädchen (Joachim Vernau 1)

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    Joachim Vernau hat es geschafft. Während andere Juristen es gerade mal schaffen, ihre Miete zu bezahlen, fährt er Porsche und ist kurz davor in eine der führenden Familien Berlins einzuheiraten. Seine manchmal tüttelige Mutter ist ihm eher im Weg, zwischen Arbeit, Geschäftsessen in teuren Restaurants und abendlichen Empfängen. Freizeit hat er zwar kaum noch, denn die Kanzlei seines zukünftigen Schwiegervaters deckt ihn fleißig mit Arbeit ein und seine Freundin ist eigentlich nur noch mit ihrer politischen Karriere beschäftigt, für die eine glückliche Beziehung ein nützliches Accessoire ist, aber er beruhigt sich damit, dass das ja nur eine Phase ist.


    Doch eines Tages taucht eine alte Russin im Garten des Kanzleianwesens der Zernikowskis auf, die behauptet, dass eine Freundin von ihr Zwangsarbeiterin im Haushalt von Joachims zukünftigem Schwiegervater gewesen wäre und diesen in der NS-Zeit als Kindermädchen betreut hätte. Sie findet kein Gehör und am nächsten Tag wird sie tot aufgefunden. Joachim packt die Neugier und je mehr man ihn zum Schweigen zu bringen versucht, desto tiefer gräbt er nach den verborgenen Leichen im Keller der Zernikowskis und lässt sich dabei auch nicht vom drohenden Zerbrechen seiner Beziehung aufhalten.


    Normalerweise stehe ich deutschen Krimis eher skeptisch gegenüber, die Umgebung ist mir häufig zu vertraut um wirkliche Spannung zuzulassen, „Das Kindermädchen“ hat mich vom Klappentext her aber genug angesprochen, um eine Ausnahme zu werden. Negativ fand ich direkt zu Beginn die Auswahl der Namen für die einzelnen Figuren. Sigrun, Joachims Freundin, konnte ich sofort nicht ausstehen, zu unsympathisch in Richtung nordisch-arisches Rassedenken wirkte dieser Name auf mich, Abraham und Aaron hingegen sind für mich jüdisch assoziierte Namen, die nicht so recht zu einer Familie aus altem preußischen Adel passen wollten. Das war aber auch schon so ziemlich das Einzige, was mich wirklich an diesem Buch gestört hat, ansonsten ist „Das Kindermädchen“ nämlich ziemlich gelungen. Joachim ist kein Superheld, sondern einfach nur ein Mann, der eigentlich lieber in Ruhe seine Beziehung pflegen würde, aber seinen Beruf nun halt doch nicht aus finanziellen Gründen gewählt hat, sondern Jurist geworden ist, um der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen. Deswegen kann er nicht – auch nicht seiner Freundin zuliebe - ignorieren, dass etwas in ihrer Familie im Argen liegt. Die Gegner wirken allerdings gerade ab der Mitte manchmal etwas zu professionell und die Autorin hat ein paar doch sehr reißerische Szenen eingebaut, die das Buch meiner Meinung nach gar nicht benötigt hätte, aber insgesamt bin ich wirklich zufrieden und bin gespannt welche Abenteuer Joachim im nächsten Buch erleben wird, das glücklicherweise schon hier bereit liegt.



    4ratten


    [hr]
    Joachim Vernau - Reihe
    [list type=decimal]
    [li]Das Kindermädchen[/li]
    [li]Die 7. Stunde[/li]
    [li]Die letzte Instanz[/li]
    [li]Versunkene Gräber[/li]
    [li]Totengebet[/li]
    [/list]

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()

  • Meine Meinung:
    Es gibt sie also doch noch, Kriminalromane die mich überzeugen können. Schon länger habe ich keinen Krimi mehr gelesen der mich sowohl von der Handlung als auch vom Fall her überzeugen konnte. Und er ist gut recherchiert. Die Autorin hat es geschafft die historischen Begebenheiten in einen spannenden Plot zu verwandeln.
    Die Hauptfigur ein Anwalt der mit seinen Idealen hadert, nun ja, Joachim fand ich ein wenig lasch und blass, aber da die Geschichte selbst gut geschrieben war konnte ich der Autorin ihre Figur noch ein mal verzeihen. Denn die Spannung die konnte mich sehr wohl überzeugen. Eigentlich geht es gar nicht so sehr um einen Mord sondern viel mehr um die Wahrheit über die Familie seiner verlobten. Warum vertuscht sie das Ganze, was steckte wirklich dahinter, das ist die Zentrale Frage. Und gleichzeitig kommt einem unweigerlich in den Sinn wie viele in der Realität schweigen und ihre Wissen mit ins Grab nehmen/nahmen, ohne den Menschen, die betroffen waren wenigstens einen Funken Gerechtigkeit wieder fahren zu lassen. Gerade über Geschehnisse in Osteuropa wird weiterhin tapfer geschwiegen oder um die Fragen herumanövriert... Ganz neben bei gelingt es der Autorin diese unangenehmen Fragen zu stellen die eigentlich der Leser in der Realität stellen sollte.
    Einzig das etwas reisserische Ende war nicht so ganz mein Fall. Ansonsten habe ich aber einfach nichts zu meckern. :breitgrins:


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

  • Von außen betrachtet führt Joachim Vernau das perfekte Leben. Er kommt zwar aus eher einfachen Verhältnissen, doch er hat es geschafft - seine Karriere als Prozessanwalt ist auf dem aufsteigenden Ast, ihm winkt womöglich sogar die Partnerschaft in der Kanzlei seines Quasi-Schwiegervaters, und seine Lebensgefährtin ist Sigrun Zernikow, stellvertretende Bürgermeisterin von Berlin und der vielversprechende Jungstar ihrer Partei. Alles bestens also.


    Das alles gerät ins Wanken, als eine alte Ukrainerin plötzlich mit einem Schriftstück in der Kanzlei auftaucht, das Zernikow senior unterschreiben soll. Die Frau wird fortgeschickt und kurze Zeit später tot aus dem Landwehrkanal gefischt. Wie sich herausstellt, sollte die Unterschrift auf dem Dokument dem früheren Kindermädchen der Zernikows eine Entschädigung sichern, denn die junge Frau kam nicht freiwillig während des 2. Weltkrieges nach Berlin - sie war eine von vielen Zwangsarbeiterinnen, die in Fabriken, auf Bauernhöfen und eben auch in Familien arbeiten mussten.


    Als Joachim nachhakt, was es mit diesem Kindermädchen auf sich hatte, stößt er nur auf Schweigen und Ablehnung, doch seine Neugier ist geweckt und er fängt an, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Sigrun und ihre Familie sind über sein Herumstochern in der Familienvergangenheit natürlich alles andere als erbaut ...


    Anfangs hat es mir Elisabeth Herrmann nicht leicht gemacht, mich in das Buch hineinzufinden. Der im Krieg spielende Prolog machte mich sehr neugierig, doch in der Gegenwartshandlung fand ich Joachim und Sigrun, dieses Society-Power-Pärchen, reichlich unsympathisch und Joachims bissigen Erzähltonfall ziemlich arrogant. Party hier, Fototermin da, die aufgedonnerte Sekretärin, dicke Autos, teures Parfum und Markenklamotten - nicht wirklich meine Welt.


    Mit dem Auftauchen der rätselhaften Ukrainerin und der darauffolgenden dramatischen Entwicklungen änderte sich meine Wahrnehmung aber ganz gewaltig, und irgendwann hatte mich das Buch dann richtig gepackt, das in einer spannenden Krimihandlung mit Figuren, die sich viel glaubwürdiger entwickelten als befürchtet, auf höchst spannende Weise ein dunkles Kapitel der deutschen Geschichte aufgreift und dabei mit oft spitzer Feder ein ziemlich treffendes Bild vom heutigen Deutschland zeichnet.


    Negativ aufgefallen sind mir nur ein paar kleine Schlampigkeiten - es verschwindet z.B. eine Dokumentenkopie aus einer Schreibtischschublade, die Joachim ein paar Kapitel vorher höchstpersönlich zerrissen hat, oder jemand fährt einen "Peugeot Megane". (Korinthenkackerei, ich weiß ... aber sowas ärgert mich.)


    Davon abgesehen nach schleppendem Beginn ein wirklich gelungener deutscher Krimi mit einer guten Portion Gesellschaftskritik.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung
    Ich war von Das Kindermädchen nur mäßig begeistert. Die Geschichte war mir zu vorhersehbar. Joachims Wandlung vom ehrgeizigen Fast-Schwiegersohn zum Anwalt für die Unterdrückten nehme ich ihm nicht ab. Auch die anderen Charaktere kamen mir nicht echt vor. Die ehrgeizige Politikerin, die Mutter, die aus Sehnsucht nach ihrem Sohn zur Ladendiebin wird die Sekretärin, die aus Liebe alles tut... das war mir ein bisschen zu viel des Guten. Die Geschichte an sich ist nicht schlecht, aber die Ausführung hat mich nicht überzeugt.
    2ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Joachim Vernau ist Anwalt einer angesehenen Kanzlei, auf dem besten Weg die Tochter seines Chefs zu heiraten und den ganzen Betrieb zu übernehmen. Eines Tages steht eine schäbig gekleidete Frau im Garten. Sie möchte mit dem Schwiegervater reden und als dies nicht möglich ist, gibt sie Vernau einen russischen Text, den der Schwiegervater unterschreiben soll. Vernau will mehr wissen, vor allem als die Frau am nächsten Tag tot in einem Fluss gefunden wird. Vernau will die Augen nicht abwenden, und ein paar unmissverständliche Warnungen stacheln seinen Dickkopf erst Recht an, die Wahrheit herauszufinden.


    Beeindruckt an diesem Buch hat mich vor allem die historische Hintergrundgeschichte der ukrainischen Kinder und Jugendlichen, die als billige Arbeitskräfte, als Zwangsarbeiter nach Deutschland geschleppt wurden, um sich um Kinder zu kümmern oder zu kochen, während die deutsche Kindermädchen und Köchinnen wie viele Frauen zu Fabrikarbeit verdonnert wurden. Elisabeth Herrmann hat diese Informationen sehr geschickt in ihren Kriminalroman eingeflochten und zu einer spannenden Geschichte verarbeitet.
    Joachim Vernau ist unerschrocken, frech, humorvoll und hat problemlos das Zeug zum Ermittler. Sehr erfrischend fand ich, dass er und Marie-Luise keine Polizisten sind, sondern eben Anwälte.
    Der Kriminalfall an sich ist nicht sehr verzwickt und dadurch nicht schwer zu durchschauen. Allerdings wiegt der historische Teil dies locker wieder auf. Spannend wird es trotzdem immer wieder und wer auf welcher Seite steht ist bleibt bis zum Schluss offen.


    Elisabeth Herrmann hat einen spannenden und interessanten Kriminalroman geschrieben, der sich mit der Nazi-Zeit beschäftigt. Ich empfehle dieses Buch und freue mich über die weiteren Bücher dieser Reihe.


    Vernau-Reihe von Elisabeth Herrmann:
    Das Kindermädchen
    Die 7te Stunde
    Die letzte Instanz
    Versunkene Gräber


    5ratten

  • Die historische Seite dieses Krimis war mir nicht neu, aber ich finde, dass sie ausgesprochen gelungen in die Rahmenhandlung eingebettet wurde, sodass eine spannende Mischung zwischen Familiengeschichte und Krimi entstanden ist.


    Ich habe die Verfilmung vor Jahren im Fernsehen gesehen und kann mich erinnern, sie nicht besonders gut gefunden zu haben, und nach der Lektüre des Krimis muss ich auch sagen, dass ich mir den Protagonisten Joachim Vernau ganz anders vorstelle, als dies im Film der Fall war. Zum Glück konnte ich mich aber auch nicht mehr an den Ausgang erinnern, dadurch war das Buch spannend genug, es in einem Tag durchzulesen. Dass der Anwalt teilweise etwas von einem Actionhelden hat, so wie er diverse tätliche Angriffe wegsteckt, fand ich nicht ganz überzeugend, dafür aber beispielsweise die Geschichte rund um seine Mutter und Frau Huth sympathisch und plausibel.


    Insgesamt handelt es sich um einen spannenden Krimi mit historischem Kontext, die anderen Teil der Krimireihe rund um Joachim Vernau liegen schon bereit.


    4ratten

  • ...und nach der Lektüre des Krimis muss ich auch sagen, dass ich mir den Protagonisten Joachim Vernau ganz anders vorstelle, als dies im Film der Fall war.

    Bei mir ist es umgekehrt: seit ich die erste Verfilmung eines Joachim-Vernau-Krimis gesehen habe, stelle ich ihm mir immer wie Jan Josef Liefers vor ^^

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.