Maarten't Hart - Das Wüten der ganzen Welt

Es gibt 36 Antworten in diesem Thema, welches 8.874 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von kaluma.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Kurzbeschreibung:
    Der Roman Das Wüten der ganzen Welt, dessen Titel einer Zeile aus der Bach-Kantate 80 (Eine feste Burg ist unser Gott) entlehnt ist, spielt in der südholländischen Provinz der Nachkriegszeit. In seinem autobiografisch geprägten Werk, in dem eine düstere Atmosphäre ständigen Bedrohtseins vorherrscht, verbindet t’Hart eine spannende Kriminalgeschichte mit Elementen des Bildungs- und Erziehungsromans.


    Teilnehmer:
    tina
    Kirsten
    Kaluma
    Auryn


    [hr]


    Viel Spaß!

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Mein erster Eindruck von dem Buch ist "düster". Es scheint keine Freude in Alexanders Leben zu geben. Wohl auch keine Liebe, zumindest habe ich noch keine liebevolle Geste oder ein liebevolles Wort der Eltern gesehen. Alexander scheint das nicht zu vermissen, zumindest sagt er nichts darüber. Das finde ich am schlimmsten. Er scheint nicht einmal zu wissen, dass es so etwas wie eine liebevolle Kindheit auch geben kann.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo ihr! :winken:


    Ich habe auch erst kurz rein gelesen und bin jetzt bis einschließlich des Kapitels "Zugeständnis" vorgedrungen.


    Ich habe mein Buch gebraucht gekauft und durfte mich erst einmal an einer fremden Widmung erfreuen. Keine Ahnung, warum man sowas in ein Buch schreibt, aber ist irgendwie trotzdem lustig. :smile:


    Ein Fund aus meinem Bücherstapel - wann gekauft? Ich weiß nicht. Schön zu lesen.


    Jetzt zu meinen ersten Eindrücken. Es ist wirklich extrem düster und traurig und ich hoffe, dass das jetzt nicht die ganze Zeit so weiter geht! :sauer: Gut, er wird auch von anderen Kindern gequält und geärgert, aber da müssen ja leider einige Kinder durch. Richtig schrecklich sind aber wirklich seine Eltern, wie sie ihn kein bisschen trösten oder sich mal Sorgen um ihn machen!
    Ich meine, ihr Kind wäre fast ertrunken!
    Und dann machen sie ihm noch Angst, indem sie schonmal vorsorglich Särge im Keller aufstellen und ihn beim Klavierspielen erschrecken...
    Es wird ja schon leicht angedeutet, dass er in naher Zukunft paranoide Ängste entwickelt. Kein Wunder bei den Eltern!

    “Every man must die, Jon Snow. But first he must live.” <br />GRRM - A Storm of Swords<br /><br />:lesen: Stephen King - 11/22/63

  • Auryn: schöne Widmung :smile:


    Ich kann mich nicht erinnern, dass ich das Buch beim ersten Lesen als so düster empfunden habe. Natürlich sind die Bücher von Maarten 't Hart alle ein bisschen ruhiger, aber das hier deprimiert mich schon ein wenig :sauer:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe gestern Mittag begonnen dieses Buch zu lesen und muss gestehen, dass erst einmal einige Seiten gebraucht habe, um mich wieder in den Stil von 't Hart einzulesen, aber jetzt bin ich drin.


    Bis Zugeständnisse:


    Den Prolog fand ich schlimm. Was mich ganz besonders wütend machte, war nicht der Hass um das Schiff zu versenken, sondern die Gleichgültigkeit des Kommandanten. Er hätte befehlen können, das Schiff ziehen zu lassen und wollte es auch, aber er entschied sich dann doch dafür es zu versenken, weil sein Kollege es so wünschte. Das ist unfassbar. Ihm war es egal weil ihm die Menschen absolut gleichgültig waren und ich bin mir sicher, dass er wusste, dass sich auf dem Schiff Flüchtlinge befanden. Er opferte diese Menschen (denn man kann sich ja denken, was mit ihnen geschah, da ihnen die Flucht nicht gelang), weil er keine Lust auf weitere Diskussionen hatte.
    Ich bin mir übrigens gar nicht im Klaren, ob es sich bei dem Vroombout aus dem Prolog um den Polizisten handelt, von welchem in den nachfolgenden Kapiteln die Rede ist. Ich glaube es wird nicht erwähnt wie alt dieser ist.


    Der Vater von Alexander wird anscheinend vom Polizisten erpresst, denn so sparsam wie die Eltern sind, werden sie wohl nicht freiwillig Geld „verleihen“. Es wurde ja auch angedeutet, dass juut Vroombout reden könne. Nun ist natürlich die Frage präsent worüber der juut reden könnte und welches dunkle Geheimnis die Familie verbirgt. Sie sind mit Sicherheit auch genau aus diesem Grund aus Rotterdam in die ländliche Gegend gezogen und ich denke, dass von dort auch der Polizist dieses Geheimnis kennt, denn es wurde ja geschrieben, dass er seine Ausbildung in Rotterdam absolvierte. Ich habe ja schon so meine Vermutung worum es sich handelt.
    Was mich übrigens sehr verwirrt, sind die vielen verschiedenen protestantischen Kirchen. Da blicke ich überhaupt nicht durch.


    Bis Frommer Samstag


    Diese Evangelen haben ja wirklich nicht mehr alle Latten am Zaun. Was soll das denn für ein Kampagne sein und warum such man sich dann für so etwas solche Dummschwätzer aus. Nun denn, wie Vroombout schon sagte: Es war zumindest kein einziger Heide anwesend. Mit Vroombout habe ich keinerlei Mitleid. Ich war entsetzt, als über die pädophilen Übergriffe las. Ich bin gespannt, wer der Mörder ist. Ich habe ja einen Verdacht, aber mal schauen. Vielleicht klärt es sich ja auch gar nicht auf.


    Viele Grüße Tina


  • Ich habe gestern Mittag begonnen dieses Buch zu lesen und muss gestehen, dass erst einmal einige Seiten gebraucht habe, um mich wieder in den Stil von 't Hart einzulesen, aber jetzt bin ich drin.


    Das hat bei mir auch überraschend lange gedauert. Bis vor ganz wenig Seiten war ich mir ziemlich sicher, dass das mein letztes buch von 't Hart ist. Mittlerweile freund ich mich wieder mit ihm an.


    Was mich übrigens sehr verwirrt, sind die vielen verschiedenen protestantischen Kirchen. Da blicke ich überhaupt nicht durch.


    Wem sagst du das :rollen: Es wird im Verlauf der Geschichte auch nicht besser.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo,


    leider bin ich diese Woche etwas im Stress und konnte erst den Prolog lesen. Ich habe ja das Buch schon einmal gelesen, vor ca. 8-9 Jahren. Kann mich aber gar nicht mehr erinnern, welche Rolle die Ereignisse des Prologs in der weiteren Geschichte spielten.



    Ihm war es egal weil ihm die Menschen absolut gleichgültig waren und ich bin mir sicher, dass er wusste, dass sich auf dem Schiff Flüchtlinge befanden. Er opferte diese Menschen (denn man kann sich ja denken, was mit ihnen geschah, da ihnen die Flucht nicht gelang), weil er keine Lust auf weitere Diskussionen hatte.


    Ich habe es so verstanden, daß die Flüchtlinge mit von Bord in die Rettungsboote gegangen sind. Ich meine mich zu erinnern, daß 15 Mann in die Boote gingen und das wäre doch genau die Zahl der anfangs aufgeführten Personen? Muß nochmal nachschauen.
    Allerdings ist nun ihre Flucht mißglückt und es ist noch nicht klar, was weiter mit ihnen geschenen ist, zurück in NL.


    Den Kommandanten verstehe ich schon. Hätte er das Schiff nicht versenkt, hätte sein übereifriger Stellvertreter wohl für seine Absetzung gesorgt und selber seinen Platz eingenommen - kann man zumindest genauso spekulieren wie deine Variante, Tina.


    Zitat


    Ich bin mir übrigens gar nicht im Klaren, ob es sich bei dem Vroombout aus dem Prolog um den Polizisten handelt, von welchem in den nachfolgenden Kapiteln die Rede ist. Ich glaube es wird nicht erwähnt wie alt dieser ist.


    Doch, ich meine, Arend Vroombout hieß der Polizist.


    Später mehr, ich hoffe dass ich heute noch ein wenig zum Lesen komme.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich musste bei Alexanders Schilderung von endlosen Zugfahrten schmunzeln. Ich kann verstehen, dass er da gut lernen konnte- ich kann im Zug sehr gut lesen :zwinker:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe heute nachmittag bis einschließlich Zugeständnis gelesen.


    Im Gegensatz zu euch habe ich sehr schnell in den Schreibstil hineingefunden und genieße das Buch sehr.


    Seltsamerweise empfinde ich gar nicht diese Düsternis in Alexanders Kindheit (wurde sein Name eigentlich überhaupt schonmal im Text genannt?), die ihr empfindet. Seine Eltern finde ich zwar extrem seltsam, aber nicht lieblos. Die Sache mit dem Ertränken haben sie vermutlich gar nicht geglaubt oder für ernst genommen. Das finde ich auch traurig, aber man weiß ja, wie gerne so etwas bagatellisiert wird, auch heute noch (nach dem Motto "Sind halt Jungs", "Ist doch nix passiert" :sauer:). Damals waren da die Sitten sicher noch etwas rauher und die Kinder nicht so behütet wie heute. Andererseits müssen Kinder diese Selbstbehauptung selber schaffen, sonst werden sie nie respektiert, Erwachsene können da nur indirekt helfen. Ich weiß noch, daß ich mich als Kind auch gegen Rowdys behaupten mußte. Zum Glück hatte ich Freunde und praktischerweise einen großen Bruder. Alexanders großer Nachteil ist halt, daß er ein Außenseiter ist und keine Freunde hat. Aber dem Haupt-Rowdy (Kurt Boog) schlug ja dann wohl doch ein bißchen das schlechte Gewissen.


    Die Sparsamkeit der Eltern finde ich jetzt zwar ein bißchen übertrieben, aber nicht wirklich schlimm. Die Niederländer gelten halt als sparsam und das ist wohl eine ironische Überspitzung davon. :breitgrins:
    Die Särge im Keller als Ausdruck der Sparsamkeit wirkten auf mich eher witzig als beängstigend, das mit dem Kindersarg halte ich auch für einen Witz, genauso wie das Zerplatzen der Tüte. Der Vater scheint einen seltsamen Humor zu haben. Aber immerhin steht da auch, daß die Eltern immer guter Laune sind und die Mutter immer dafür sorgt, daß ihr Sohn etwas Sauberes zum Anziehen hat. Klavierspielen darf er auch. Auch von Schlägen oder sonstiger Grausamkeit kann ich bisher nichts entdecken, von daher: so schlimm scheint Alexanders Kindheit gar nicht zu sein, mit Ausnahme der mobbenden Altersgenossen.
    Armut in der Kindheit heißt nicht notwendig, daß alles ganz schrecklich ist. Den Nachmittag mit den fünf verschiedenen Kirchenglocken fand ich zum Beispiel sehr schön.


    Ja, Alexanders Eltern werden offenbar von Vroombout erpreßt und ich meine mich auch zu erinnern, worum es da ging. Aber wie du, Tina, das schon ahnen kannst, ist mir schleierhaft.


    Die Familie Varekamp fand ich ja witzig, wie sie alle gleichzeitig Kopfschmerzen kriegen und ihre Existenz auf dieses gesunkene Schiff zurückführen. An die Methode, die Haustür mit einem Strick zu öffnen, erinnere ich mich aus meiner Zeit in NL (das kannte ich vorher nicht). Und das Tischgebet fand ich ja mal cool! :bang:


    Nochmal zum Prolog: Die Flüchtlinge sind definitiv auf die Beiboote gegangen.


    Und an einer Stelle ist die Rede davon, daß das Erdbeer- und Kartoffelparadies auf der Insel Rozenburg erst später, in Friedenszeiten zerstört wurde. Ich frage mich, ob damit die Flut von 1953 gemeint ist oder die Zerstörung der Landwirtschaft durch Bebauung?

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ja, Alexanders Eltern werden offenbar von Vroombout erpreßt und ich meine mich auch zu erinnern, worum es da ging. Aber wie du, Tina, das schon ahnen kannst, ist mir schleierhaft.


    Doch, man kann es zwischen den Zeilen heraus lesen. Das ging mir beim ersten Lesen so und ist mir beim zweiten Lesen auch direkt wieder eingefallen.


    Die Insel Rozenburg ist übrigens dem Europoort zum Opfer gefallen :winken:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Doch, man kann es zwischen den Zeilen heraus lesen. Das ging mir beim ersten Lesen so und ist mir beim zweiten Lesen auch direkt wieder eingefallen.


    Die Insel Rozenburg ist übrigens dem Europoort zum Opfer gefallen :winken:


    Nun, es ist nur eine Vermutung, aber ich denke es hängt zusammen mit der Nazi-Zeit, in welcher sich Alexanders Eltern vielleicht nicht sehr positiv verhalten haben. Wie gesagt, es ist nur eine Ahnung. :smile:

  • Die Sparsamkeit der Eltern finde ich jetzt zwar ein bißchen übertrieben, aber nicht wirklich schlimm. Die Niederländer gelten halt als sparsam und das ist wohl eine ironische Überspitzung davon. :breitgrins:


    Naja, aber hier geht es auf Kosten des Sohnes. Damit meine ich nicht die Kleidung, aber solche Dinge wie Radfahren zur Schule im Winter, das zu Erfrierungen führt oder das Verkaufen seines geliebten Klaviers. Alles "kost Geld" :rollen:

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • solche Dinge wie Radfahren zur Schule im Winter, das zu Erfrierungen führt oder das Verkaufen seines geliebten Klaviers. Alles "kost Geld" :rollen:


    Davon habe ich noch nichts gelesen (bin wohl noch nicht weit genug im Buch). Noch spielt Alexander auf seinem Klavier, das die Flut offenbar unbeschadet überstanden hat.


    Du hast recht, die erwähnten Dinge gingen mir dann auch zu weit. Aber genau um solche Fragen geht es ja im Buch. Wo endet "normale Verschrobenheit" und wo wird es wirklich kritisch... genau das will der Autor vorführen, denke ich.
    Dasselbe ist es mit diesen Gläubigen, die diesen Samstag organisieren, an dem sie missionieren wollen, das sind schon sehr, sehr einfache Gemüter. :breitgrins: Das ist witzig geschildert, aber auch hier stellt sich die Frage, wo das anfängt kritisch zu werden. Wenn man die Bibel allzu wörtlich nimmt und Kinder damit in Schrecken versetzt, zum Beispiel.


    Danke für die Info zu Rozenburg.



    Nun, es ist nur eine Vermutung, aber ich denke es hängt zusammen mit der Nazi-Zeit, in welcher sich Alexanders Eltern vielleicht nicht sehr positiv verhalten haben. Wie gesagt, es ist nur eine Ahnung. :smile:


    Ich erinnere mich an etwas ganz anderes, was nicht direkt mit der Nazizeit zu tun hat.
    Aber vielleicht habe ich das auch falsch in Erinnerung. Ich merke beim Lesen immer wieder, daß ich eigentlich fast alles aus der Handlung vergessen habe.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich merke beim Lesen immer wieder, daß ich eigentlich fast alles aus der Handlung vergessen habe.


    So geht es mir auch :rollen: Ich kann mich erinnern, dass ich mich damals viel mit meinem (damals noch) Freund darüber unterhalten habe. Lange Zeit war vieles noch präsent. Aber als ich aufgehört habe, 't Hart zu lesen, konnte ich auch immer weniger an seine Bücher erinnern. Obwohl mir keines richtig schwer gefallen ist... seltsam.



    Davon habe ich noch nichts gelesen (bin wohl noch nicht weit genug im Buch).


    Ich glaube, ich lese einfach zu schnell für eine Leserunde :redface: Deshalb erzähle ich auch relativ wenig über das Buch, sondern reagiere eher auf das, was der Rest schreibt. Ich will nicht zu viel, zu früh verraten.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Bis Bösendorfer:


    Ich habe heute Abend ein gutes Stück weiter gelesen und habe dann irgendwann erschreckt festgestellt, wie schnell doch die Zeit vergangen ist. Das spricht wohl für das Buch. Ich kann noch nicht einmal genau begründen, was mich so fesselt. Auf alle Fälle bin ich begeistert von den Beschreibungen des Autors bezüglich Natur und Umwelt.
    Ich fand es furchtbar, dass die Eltern einfach das Klavier verkauften. Ich hätte es verstehen können, wenn sie wirklich in Not gewesen werden, aber ich finde gerade bei Alexanders Eltern sieht man sehr gut den Unterschied zwischen Sparsamkeit und Geiz. Ich fühle mich von dem Autor ein wenig an der Nase herumgeführt, was den Mörder angeht. Ständig versucht er den Leser mit einem Hinweis auf eine Fährte zu führen, welche dann letztendlich doch in einer Sackgasse endet, aber gerade das gefällt mir.
    Was mir allerdings gar nicht gefällt und was ich äußerst merkwürdig finde. Viele versuchen den Mord aufzuklären, aber anscheinend nimmt kaum einer Anstoß an der Pädophilie, welche in diesem Ort anscheinend an der Tagesordnung ist. Mir erscheint es fast, als würde man das als „Kavaliersdelikt“ sehen, denn keiner regt sich wirklich auf oder nimmt Anstoß daran, was den Kinder geschehen ist. Ich finde das erschreckend. Gerade auch vom Kommissar finde ich das schlimm.

  • ...aber anscheinend nimmt kaum einer Anstoß an der Pädophilie, welche in diesem Ort anscheinend an der Tagesordnung ist. Mir erscheint es fast, als würde man das als „Kavaliersdelikt“ sehen, denn keiner regt sich wirklich auf oder nimmt Anstoß daran, was den Kinder geschehen ist.


    Das waren doch alles ehrenhafte Männer, warum sollte man denen etwas ankreiden? Und was kann es den Jungen schon schaden, wenn die ein bisschen befummelt werden? Ist doch nicht schlimm... So oder so ähnlich sind wohl die Gedanken der Leute :rollen: Mich hat das auch sehr gestört.


    Das verkaufte Klavier.... hier stellen die Eltern ganz deutlich ihre Geldgier vor ihren Sohn. Natürlich haben sie das schon öfter getan, aber noch nie haben sie so deutlich seine Träume mit Füßen getreten.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Das verkaufte Klavier.... hier stellen die Eltern ganz deutlich ihre Geldgier vor ihren Sohn. Natürlich haben sie das schon öfter getan, aber noch nie haben sie so deutlich seine Träume mit Füßen getreten.


    Das fand ich genau aus diesem Grund auch schlimm. Diese Gleichgütligkeit gegenüber dem Jungen, ob ihm etwas Freude macht, zumal er ja keine Freunde oder sonstigen Interessen hat.


    Bis Sylvesterabend:


    Wieder einmal veranlasst ’t Hart den Leser dazu, sich in Spekulationen zu verlieren, so wie es ja auch den beiden Jungs ergeht. Sind es nun Mantel und Schal des Mörders oder sehen sie jenen einfach nur ähnlich, weil es damals die Mode war. Ich weiß gar nicht so recht, ob er mir William leid tun soll, denn er erscheint mir nicht sehr unglücklich zu sein. Es ist ein so merkwürdiges zwiegespaltenes Gefühl. Einerseits liest man hier von Kindesmissbrauch und es schaudert einen, aber andererseits scheint dieses Kind gar nicht darunter zu leiden und sogar diesen Typen zu vermissen.
    Jedoch kann ich gut verstehen, was William über seine Mutter sagte: Dass sie so einen Zorn auf Vroombout hegte, dass sie, wenn sie die Gelegenheit gehabt hätte, ihn getötet hätte und auch er, genau wie sein Bruder Herman, ist davon überzeugt, dass seine Mutter etwas mit dem Mord zu tun hat.


    Das letzte Kapitel fand ich besonders interessant. Der Apotheker erzählt von Purim, liebt Bruckner, hat Literatur welche den Nazis ein ganz besonderer Dorn im Augen war und heißt Simon. Laut Aussage von Alexanders Eltern, sind der Apotheker und seine Frau nicht christlich, aber vielleicht sind sie ja Juden. Mit Sicherheit haben sie schreckliches in der Nazizeit erlebt und wenn Vroombout ein Verräter war, so liegt der Hass auf ihn ganz besonders nahe.


    Etwas fand ich merkwürdig in meinem Buch. Es ist antiquarisch und im Kapitel Sylvester war mit einem Highlighter eine Passage markiert:


    Zitat

    Draußen probten die Lotsenboote und Seeschlepper noch immer ihre Nebelhörner, Schiffsglocken und Sirenen.


    Es ist bisher die einzige Stelle, welche markiert ist und genau dieses finde ich gar nicht so herausragend. Komisch.


    Viele Grüße Tina

  • Es ist bisher die einzige Stelle, welche markiert ist und genau dieses finde ich gar nicht so herausragend. Komisch.


    Aber Nebelhörner und Schiffssirenen zu Silvester sind doch etwas Feines. Das habe ich schon ein paar Mal erlebt und jedes Mal Gänsehaut bekommen.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Das streite ich auch gar nicht ab :smile:, aber es ist so markiert, als wäre es dem Leser sehr relevant vorgekommen und ich finde da gibt es doch in diesem Buch ganz andere Sätze, die unglaublich detailliert Situationen und Stimmungen wiedergeben.


    Bis Dachkammer:


    Ich fand die Beschreibung von der Februarsonne, welche in die Dachkammer von Alexanders Studentenwohnung schien, in Bezug auf das Leben wunderschön. Ich sah dieses Bild ganz deutlich vor mir und konnte ’t Hart so gut verstehen, weil ähnliche Gedanken auch mir schon oft durch den Kopf geschossen sind. Allerdings hätte ich sie nie in diese perfekten Worte packen können.
    Das wäre eine Passage welche ich mir markiert hätte, wenn ich denn in Büchern markieren würde, was ich nicht tue, außer mit Post-its.
    Ich habe mich jetzt die ganze Zeit gefragt, ob diese Nebelhörner relevant für den Inhalt der Geschichte sind, aber vielleicht hatte der vorherige Leser einfach eine hohe Affinität zur Seefahrt. :breitgrins:


    Viele Grüße Tina

  • Ich bin inzwischen bis in die Mitte des Buches vorgedrungen und beim Kapitel Silvesterabend angekommen.


    Tja, die erfrorenen Füße und das verkaufte Klavier, auf diese Stellen hatte ich ja so gewartet. :breitgrins: Nun komme ich mir fast vor, als müßte ich Alexanders Eltern verteidigen, obwohl ich das gar nicht will, weil ich eigentlich eher mit Alexander mitfühle.


    Die Sache mit den Erfrierungen würde ich unter "dumm gelaufen" verbuchen. Wenn die Winter i.a. mild sind, haben seine Eltern sicher nicht damit gerechnet, daß Alexander sich Erfrierungen holen könnte. Das geht manchmal schneller, als man denkt. Es hieß ja, es sei ein besonders harter Winter gewesen. Hinterher ist man immer schlauer. Und dann hat er ja eine Zugfahrkarte bekommen.
    Ich habe als Kind mal etwas ähnliches erlebt, ohne hier ins Detail gehen zu wollen, und kann meinen Eltern da auch keinen Vorwurf machen.


    Das mit dem Klavier ist etwas anderes. Dafür habe ich kein Verständnis und könnte, wie Alexander, das nicht verzeihen. So, wie es im Buch erzählt wird, wirkt es allerdings keinesfalls wie böse Absicht, sondern der Vater versteht einfach zuwenig von Musik und vom Klavierspielen und hat ernsthaft geglaubt, das alte Klavier, das er als Ersatz für den Blüthner besorgt hat, würde sich genausogut eignen. Schließlich wußte er ja auch nicht, daß Blüthner eine Spitzenmarke und das Klavier daher wertvoll ist. Hier fehlt ihm einfach die Bildung. Allerdings fehlt ihm auch, und das muß man ihm ankreiden, das Interesse am Werdegang seines Sohnes. Eigentlich ist es ja gerade bei ärmeren Leuten meist so, daß sie wollen, daß es ihren Kindern später mal besser geht und daher investieren sie, soviel sie irgend können, in die Ausbildung ihrer Kinder. Diese Haltung vermisse ich hier.


    Habt ihr schon gesehen, daß die im Buch erwähnten Musikstücke hinten nochmal zusammengefaßt sind? Ich schaue immer nach, was ich davon kenne oder sogar auf CD habe. Gestern nachmittag habe ich dann passend zum Text die Bachkantate "Gottes Zeit ist die allerbeste Zeit " BWV 106 angehört und mir vorgestellt, wie die beiden Jungs zusammen musizieren.



    Ich kann noch nicht einmal genau begründen, was mich so fesselt. Auf alle Fälle bin ich begeistert von den Beschreibungen des Autors bezüglich Natur und Umwelt.


    Ich bin auch immer gefesselt von den Büchern von ´t Hart. Man könnte lesen und lesen ohne aufzuhören. Er versteht es einfach, kleine Dinge und Alltäglichkeiten so zu erzählen, daß es spannend und unterhaltsam ist.



    Ich fühle mich von dem Autor ein wenig an der Nase herumgeführt, was den Mörder angeht. Ständig versucht er den Leser mit einem Hinweis auf eine Fährte zu führen, welche dann letztendlich doch in einer Sackgasse endet, aber gerade das gefällt mir.


    Dieses Einstreuen von immer neuen Hinweisen gefällt mir auch sehr gut.



    Was mir allerdings gar nicht gefällt und was ich äußerst merkwürdig finde. Viele versuchen den Mord aufzuklären, aber anscheinend nimmt kaum einer Anstoß an der Pädophilie, welche in diesem Ort anscheinend an der Tagesordnung ist. Mir erscheint es fast, als würde man das als „Kavaliersdelikt“ sehen, denn keiner regt sich wirklich auf oder nimmt Anstoß daran, was den Kinder geschehen ist. Ich finde das erschreckend. Gerade auch vom Kommissar finde ich das schlimm.


    Naja, der Kommissar sagt zumindest, daß er solche Leute nicht verstehen kann. Aber offenbar kann er nichts gegen sie machen. Vielleicht hat er keine Beweise, weil niemand aussagen möchte? Und sicher gibt es Leute (oder waren es die Zeiten), die Pädophilie nicht so ernst nehmen, solange die Kinder keinen ernsthaften körperlichen Schaden davontragen. Seien wir froh,daß das heute besser ist.


    Ich fand es überhaupt sehr merkwürdig, wie er Alexander auf diese drei Männer angesetzt hat. Wäre wirklich einer davon der Mörder gewesen, wäre das ja wohl recht gefährlich gewesen!! Und selbst wenn sie "nur" pädophil sind, mußte er nicht unbedingt ihre Aufmerksamkeit auf den armen Alexander lenken.


    So geht es mir auch :rollen: Ich kann mich erinnern, dass ich mich damals viel mit meinem (damals noch) Freund darüber unterhalten habe. Lange Zeit war vieles noch präsent. Aber als ich aufgehört habe, 't Hart zu lesen, konnte ich auch immer weniger an seine Bücher erinnern. Obwohl mir keines richtig schwer gefallen ist... seltsam.


    Das geht mir aber mit den Büchern anderer Autoren ganz genauso, oder noch schlimmer und hat wohl nur mit dem zeitlichen Abstand zu tun (und/oder mit dem eigenen Älterwerden :breitgrins:). Aus ´t Harts Büchern erinnere ich mich an Stimmungen und Details sehr gut, nicht aber an Handlungszusammenhänge.


    Das fand ich genau aus diesem Grund auch schlimm. Diese Gleichgütligkeit gegenüber dem Jungen, ob ihm etwas Freude macht, zumal er ja keine Freunde oder sonstigen Interessen hat.


    Bis Sylvesterabend:
    Der Apotheker erzählt von Purim, liebt Bruckner, hat Literatur welche den Nazis ein ganz besonderer Dorn im Augen war und heißt Simon. Laut Aussage von Alexanders Eltern, sind der Apotheker und seine Frau nicht christlich, aber vielleicht sind sie ja Juden.


    Soweit ich mich erinnere, ist Simon Minderhout kein Jude. Ich finde nichts im Text, was darauf hinweist. Wenn Alexanders Vater sagt, daß er weder Gott noch Kirche kennt, heißt das für mich nur, daß er nicht so fanatisch und missionarisch ist wie diese beschränkten Leute, die an diesem Missionssamstag gepredigt haben. Simon Minderhout ist kulturell interessiert und kennt wesentlich mehr Literatur als die Bibel, die offenbar das einzige ist, was die meisten in dem Ort gelesen haben.
    Er hat allerdings einen jüdischen Freund, der Komponist oder Dirgent ist wenn ich mich recht entsinne. Ich frage mich die ganze Zeit, ob das vielleicht der Mann war, der mit ihm im Zug saß.
    Die Lebensgeschichte von Simon Minderhout erfährt man übrigens im Buch "De nakomer", deutsch "Die Netzflickerin". Ich habe es vor längerer Zeit gelesen und kann mich daran besser erinnern als an "Das Wüten der ganzen Welt", allerdings auch nicht an alle Einzelheiten. Aber soviel ich weiß, mußte Simon sich gegen Vorwürfe, ein Antisemit zu sein, zur Wehr setzen.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.