"Politisch korrekte" Neuauflagen

Es gibt 275 Antworten in diesem Thema, welches 47.582 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Anubis.


  • Es wird etwas umformuliert, aber der Inhalt wird deshalb ja nicht verändert. Wo also ist das Problem? Schaffen wir uns da nicht selbst eines? Für mich ein Luxusproblem, das wir in der ersten Welt vom bequemen Sofa aus diskutieren.


    Das finde ich nicht. Es geht hier ja nicht um wissenschaftliche Arbeiten - da darf man sich gerne politisch korrekter Ausdrücke bedienen, das finde ich sogar nur höflich.


    Aber bestehende literarische Texte "umzuformulieren" finde ich einfach unnötig. Wenn ich meinen Kindern dann Bücher vorlese, die vor was weiß ich wievielen Jahren spielen und ein Sklave wird als African-American bezeichnet, zeigt das nicht nur ein verfälschtes Bild, sondern ich finde es schlicht und ergreifend lächerlich. Wenn man denn so höflich ist, eine ethnische Gruppe politisch korrekt zu benennen, warum werden sie dann in Roman xy so schlecht behandelt? Oder soll das vielleicht auch "umformuliert" werden? Dann tun wir halt alle so, als habe es Rassismus nie gegeben (und gäbe ihn auch jetzt nicht) und als hätte sich die ganze Welt immer schon lieb gehabt.


    Nein, für mich muss ein Werk so bleiben dürfen wie es verfasst wurde (abgesehen vom normalen Ablauf in einem Verlag, sprich Lektorat etc. natürlich) und braucht nicht 100 Jahre nach dem Erscheinungstag plötzlich von anstößigen Begriffen "gereinigt" werden. Das geht mir alles schon zu sehr in Richtung Zensur. Wenn man das darf, dann gleich alle Schimpfworte entfernen und am besten auch den Sex (falls dieser in Kinderbüchern vorkommt). Damit unsere Kinder ja nichts lernen und glauben, die Welt ist ein Disneyfilm.

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Ich frage mich, was so schlimm an einer Anpassung sein soll. Nicht-Betroffenen ist sie weitgehend egal, sie sind von der PC genervt. Betroffene dürfen wählen: Entweder sie fühlen sich verletzt oder eben nicht. Ich selbst würde hier den Weg wählen, der am wenigsten Schaden anrichtet und somit Rücksicht auf diejenigen nehmen, die verletzt werden könnten.


    Vor allem aber sollten nicht die Nicht-Betroffenen darüber urteilen, von was sich die Betroffenen verletzt fühlen dürfen oder nicht.


    Und mir ist nachwievor die Gefahr zu groß, dass Eltern das unkommentiert stehen lassen. Es gibt genug Eltern, die auf die Frage "Mama, was ist denn ein Neger?" einfach mit "Ein Schwarzer!" antworten. Und schon ist das Wort unreflektiert in den Wortschatz übergegangen...

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  • Cemetry: Das ist aber eine Erziehungsfrage. Es gibt nun mal Eltern, die so sind. Das wird sich auch nicht ändern, wenn Kinderbücher umformuliert werden. Dann schnappen die Kinder das Wort eben woanders auf und das Szenario spielt sich später ab. Da kann man nur hoffen, dass die Schule das in Perspektive rückt.

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  • Sehe ich auch so :winken:


    Ich auch. Überlegt euch mal, was wäre, wenn Männer auf einmal beschließen würden, dass es Sexismus nicht gibt und Emanzipation niemand braucht. Denkt mal an Schwule, Lesben und alle, die nicht zur privilegierten Klasse gehören. Ihr seid die privilegierte Klasse.


  • Ich auch. Überlegt euch mal, was wäre, wenn Männer auf einmal beschließen würden, dass es Sexismus nicht gibt und Emanzipation niemand braucht. Denkt mal an Schwule, Lesben und alle, die nicht zur privilegierten Klasse gehören. Ihr seid die privilegierte Klasse.


    Gutes Beispiel. Ich habe vor kurzem ein Jugendbuch gelesen. Zitat aus meiner Rezension:


    Zitat

    Als sehr störend empfand ich immer wieder teilweise homophobe Kommentare Luzies. So bezeichnet sie ihren homosexuellen Sportlehrer als "Schwuchtel" und "stockschwul" - Ausdrücke, die mir auch in der Splitterherz-Trilogie der Autorin unangenehm aufgefallen sind. Ich bin der Meinung, dass solche Aussagen nichts in einem Jugendbuch so völlig unreflektiert zu suchen haben. Immerhin nimmt Luzie als Hauptcharakter auch eine gewisse "Vorbildfunktion" ein und gerade dann sollte eine Protagonistin auch etwas kritischer auftreten oder ihr auch mal ein bisschen Gegenwind entgegenwehen. Das ist hier leider überhaupt nicht der Fall. Die genannten Ausdrücke sind völlig normal, was für mich wirklich erschreckend ist.


    Ist für mich ähnlich gelagert. Bei Themen wie Sexismus, Homophobie und Rassismus bin ich inzwischen wirklich sehr sensibel.

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Woher willst Du wissen das es hier nur Hetereosexuelle gibt? ;)


    Wie kommst Du jetzt auf diesen Gedankengang? :confused: Ich weiß sehr genau, dass es hier nicht nur Heterosexuelle gibt - stand das in Frage? Allerdings betrifft mich Sexismus auch nicht direkt, obwohl ich eine Frau bin. Trotzdem wäre es das letzte, was ich tun würde: Die Tatsache, dass Sexismus existiert und vielen Menschen schaden kann wegzudiskutieren. Das steht mir nicht zu, nur weil ich so privilegiert bin und mich das Thema halt zufällig nicht betrifft oder ich mich nur darüber ärgere, dass ich meine Wasserkisten wegen der blöden Emanzipation selbst schleppen muss :zwinker:

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    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()


  • @Nimue
    Sorry, das war nicht auf Dich bezogen. Meine Antwort bezog sich auf JD (Du warst wohl schneller als ich)


    JL.. und ich er hat das ein bisschen anders gemeint, als Du es aufgefasst hast. Ich würde mal behaupten, dass die meisten, die hier mitschreiben privilegiert sind. Egal welches Geschlecht, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung :zwinker:

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  • Zumindest scheint ja Preußler selbst ebenfalls reflektiert zu haben. Denn ohne seine Zustimmung hätte der Verlag das Ganze ja nicht ändern dürfen (was sie ja im Statement dazu auch geschrieben haben). Ich bin schon seit ein paar Tagen am überlegen wie ich das nun wirklich finden soll. Denn ich bin gegen rassistische, sexistische usw. Begriffe. Egal wo und egal wie. Gerade vorhin habe ich Nimues Meinung zu des Roman von Bettina Belitz gelesen und da viel mir auf das ich ihr einfach nur zustimmen kann. Denn der Begriff Schwul und Schwuchtel als Schimpfwort, das stört mich nicht nur im Buch sondern auch in der Realität. Wenn ich jetzt aber von einem heutigen Autor erwarte das zu reflektierteren lande ich schon auch bei Autoren die das in der Vergangenheit nicht haben.
    Für mich haben sowohl Verlag und Autor schon ein Zeichen gesetzt solche Begriffe nicht zu dulden.


    Dennoch... irgendwie stößt es bei mir trotzdem auch auf. Ein für oder gegen kann ich daher definitiv nicht richtig einnehmen. Warum habe ich hier im Thread ja schon geschrieben. Andererseits halte ich es auch für schwierig das komplett ab zu lehnen, wenn wir eine Gesellschaft sein wollen die uns alle einschließt.

  • Vor allem aber sollten nicht die Nicht-Betroffenen darüber urteilen, von was sich die Betroffenen verletzt fühlen dürfen oder nicht.


    Die einzig intelligente Reaktion ist die der Schwulen. Indem sie dieses Schimpfwort akzeptierten und selber auf sich anwendetet, ist es von einem Schimpfwort zu einer neutralen Bezeichnung geworden.


    Tatsache ist - das wird von vielen Gutmenschen leider verdrängt - , dass wir alle (alle!) Rassisten sind. Und dass wir alle Menschen, die irgendwie anders sind, ausgrenzen. Mit Worten, mit Taten. Und der ganze Shitstorm hier um die paar Neger bei Preussler und Lindgren ja nur versteckt, dass auch und gerade der Gutmensch, der ach-so-obacht gibt, keine unziemlichen Wörter zu verwenden, nur schon deswegen - nur schon, weil er die ganze Zeit übers Andersein des andern nachdenkt - u.U. der letzten Endes schlimmere Rassist ist, als der, der einen pigment-technisch Herausgeforderten einfach mal Neger nennt...


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    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ein gewisser Rassismus steckt in jedem, das stimmt. Ich nehm mich da selber gar nicht aus - Gutmensch hin oder her. Der sogenannte Alltagsrassismus ist einfach so in uns drin, dass es schwer ist, ihn loszuwerden. Ich ertappe mich als privilegierter Mensch (und als weiße, heterosexuelle, nicht-behinderte Frau bin ich das) häufig genug bei Gedanken, die irgendwie nicht sein müssen.


    Deswegen bezeichne ich aber trotzdem niemanden als Neger oder mit irgendwelchen ausgedachten, pseudo-lustigen Wortschöpfungen. Wenn es nötig ist, die Hautfarbe anzusprechen (und diese Notwendigkeit besteht meines Erachtens nach selten genug), tue ich das mit dem Wort, das meines Wissens nach am neutralsten ist. Sollte die betroffene Person anwesend sein und daran Anstoß finden, lasse ich mich gerne korrigieren. So einfach isses. Keine Trottelsprache, kein Gutmenschentum - einfach Rücksicht. Jetzt mal ganz davon abgesehen das ich es meistens eher nicht für nötig halte, die Hautfarbe der Person zu erwähnen (es sei denn, der Kontext verlangt es explizit, wie zum Beispiel eine Diskussion wie diese hier).

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  • @Nimue
    Sorry, das war nicht auf Dich bezogen. Meine Antwort bezog sich auf JL. Ich hab vorhin übersehen das noch eine neue Antwort danach kam.


    Es war ein rein statistischer, von heteronormativen Vorurteilen geprägter Schuss ins Blaue, und nichts für ungut :) Die meisten Menschen, die sich nicht an bestimmten Ausdrücken stören, stören sich nicht daran, weil es sie nicht betrifft. Wie nimue schon sagte, ändert es aber auch nichts am Argument, wenn sich auch einige Betroffene nicht daran stören.

  • Tatsache ist - das wird von vielen Gutmenschen leider verdrängt - , dass wir alle (alle!) Rassisten sind. Und dass wir alle Menschen, die irgendwie anders sind, ausgrenzen.


    Gerade das wäre für mich ein Beweis, dass da etwas geändert werden sollte. Möglicherweise durch Anpassung der Sprache, mit der wir ja schließlich alle aufgewachsen sind und zu Rassisten wurden.


    Für mich besteht ein ganz klarer Zusammenhang zwischen Rassismus (und Speziismus), Sexismus und Homophobie. Ein weiteres Beispiel ist für mich die Abweisung eines Vergewaltigungsopfers in zwei katholischen Kliniken. Die Begründung: Ein Rezept für die "Pille danach" könne aus ethischen Gründen nicht ausgestellt werden. Das ist für mich eine Form von Sexismus, denn die Pille danach ist nicht mal eine Abtreibung, sondern sie soll eine Schwangerschaft verhindern. Papyrus hat auf Facebook dazu etwas sehr interessantes geschrieben: Im Islam werden Opfer mit den Tätern verheiratet, in Amerika wird eine Vergewaltigung dementiert, sobald die Frau schwanger ist. Das ist Sexismus! Und was war die Ursache in der katholischen Klinik? Das medizinische Personal verstand die Weisung "Keine Pille danach erlaubt" als ein "wir behandeln keine Vergewaltigungsopfer". Bitte erklärt mir nun nochmal genau, weshalb es nicht absolut wichtig sein sollte, die Sprache anzupassen, damit solche Handlungen nicht mehr geschehen?


    Natürlich kann man sagen, dass da grundsätzlich etwas falsch gelaufen ist, dass die Eltern hätten besser erziehen müssen, dass jeder selbst denken sollte. Nur: Was genau hilft das den Opfern? Und bei Rassismus ist es genau das gleiche. Das hat nichts mit "Gutmenschen" zu tun (dieses Wort an sich ist eine üble Beleidigung, sandhofer).

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Für mich besteht ein ganz klarer Zusammenhang zwischen Rassismus (und Speziismus), Sexismus und Homophobie.


    Ganz Deiner Meinung.


    Bitte erklärt mir nun nochmal genau, weshalb es nicht absolut wichtig sein sollte, die Sprache anzupassen, damit solche Handlungen nicht mehr geschehen?


    Weil wir das Pferd damit am Schwanz aufzäumen. Die Sprache anzupassen, hilft nicht. Weil das Denken dahinter immer noch das gleiche ist. Bsp.: Zuerst war "Nigger" ein diskriminierendes Schimpfwort. Also, hat man sich gedacht, ändern wir den Sprachgebrauch - ab sofort sind das "Negroes". Weil aber das diskriminierende Denken hinter dem Wort noch immer dasselbe ist, hat man gemerkt, dass auch "Negroe" pejorativ wurde. So kam "Black". Dann kam "Coloured". Es ist, wie wenn Du eine von Schimmel befallene Stelle an der Wand hast, und einfach von Zeit zu Zeit Tünche drüber streichst. Sieht für einen Moment sicher bedeutend besser aus. In ein paar Wochen oder Monaten hat sich der Schimmel wieder den Weg durch die Tünche gebahnt. Schlimmer denn je.


    Dem Kind aus einem "Negerkönig" einen "Südseekönig" zu machen, nützt nichts. Es ist eine Frage der Zeit, bis "Südsee" als ethnische Bezeichnung ebenfalls pejorativ konnotiert ist. Das Denken nämlich dahinter ist immer noch problematisch: Wie kommt Astrid Lindgren dazu, einen dicken, fetten Weissen zum König von einem fremden Volk anderer Ethnie zu machen? Was für ein Bild des Exotischen steckt dahinter? Und warum ein König, warum kein demokratisch gewählter Bürgermeister? Das alles will die Tünche "Südsee" doch nur verstecken. Man muss sich nicht mit dem Problem auseinander setzen, wenn man ein vermeintlich neutrales Wort gewonnen hat.


    Ein anderes Beispiel: Man meint mit der Bezeichnung "Sinti" oder "Roma" nun dieser Ethnie vorurteilslos gegenüber zu treten. Aber wie lange hat es gedauert, bis diese Ethnie (nicht alle "Zigeuner" mögen es übrigens als "Sinti" oder "Roma" bezeichnet werden) auch nur halbwegs und halbherzig eine Anerkennung ihres Status' als Opfer des Nationalsozialismus erreichte? Und noch heute werden sie in Ländern, die Mitglied der EU sind, alles andere als nett und vorurteilslos behandelt - von Staates wegen, nota bene! Aber Hauptsache, es werden nicht Zigeuner diskriminiert, sondern Sinti oder Roma.

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  • Weil wir das Pferd damit am Schwanz aufzäumen. Die Sprache anzupassen, hilft nicht.


    So sehe ich das auch, das ganze dient vielleicht der Gewissensberuhigung (und schadet daher eher als es nutzt-man hat ja nun seinen Teil beigetragen, die Sache ist erledigt und stößt auch keinem mehr auf), aber in der Sache bringt es uns kein Stück weiter.

    Die Literatur gibt der Seele Nahrung,<br />sie bessert und tröstet sie.<br /><br />:lesen:<br />Alfred Kerr: Die Biographie


  • Dem Kind aus einem "Negerkönig" einen "Südseekönig" zu machen, nützt nichts. Es ist eine Frage der Zeit, bis "Südsee" als ethnische Bezeichnung ebenfalls pejorativ konnotiert ist. Das Denken nämlich dahinter ist immer noch problematisch: Wie kommt Astrid Lindgren dazu, einen dicken, fetten Weissen zum König von einem fremden Volk anderer Ethnie zu machen? Was für ein Bild des Exotischen steckt dahinter? Und warum ein König, warum kein demokratisch gewählter Bürgermeister? Das alles will die Tünche "Südsee" doch nur verstecken. Man muss sich nicht mit dem Problem auseinander setzen, wenn man ein vermeintlich neutrales Wort gewonnen hat.


    Seit wann ist Südsee eine ethnische Bezeichnung? Ich hab Pippi nie gelesen - weder mit Neger- noch mit Südseekönig. Ich ging jetzt aber einfach davon aus, dass da eben eine geographische Bezeichnung statt einer ethnischen Bezeichnung eingesetzt wurde.

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