Lion Feuchtwanger - Die häßliche Herzogin

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  • Lion Feuchtwanger: Die häßliche Herzogin


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    Die Meisterin der Intrigen


    Margarete, Herzogin von Tirol, ist eine wichtige Figur auf dem Schachbrett der europäischen Geschichte. Sicher im Urteil und rasch im Handeln, zwingt sie selbst ihren Gegnern Achtung ab. Doch ihre groteske Häßlichkeit macht sie zum Gespött der Leute. Auf grausame Weise sucht sie zu erlangen, was der Schönheit von selbst zufällt: Macht und Liebe.


    Inhalt:


    Margarete ist zwölf, als sie Hochzeit feiert mit dem zwei Jahre jüngeren Prinzen Johann von Böhmen. Sie ist klug, sie beobachtet scharf und weiß ihren Verstand zu gebrauchen. Doch all ihr Bemühen ist vergeblich: Was man dem Kind noch mitleidig nachsieht, der erwachsenen Frau verzeiht man ihre Häßlichkeit nicht. Resigniert und vereinsamt, ist ihr am Ende auch das Schicksal Tirols gleichgültig.
    Das ausgehende Mittelalter mit seinen dynastischen Machtkämpfen, seinen Intrigen und Leidenschaften wird in diesem Roman lebendig. 1923 geschrieben, eröffnet die "Häßliche Herzogin" die Reihe der großen historischen Romane Feuchtwangers. Seitdem steht sie in der Gunst des Publikums ganz oben.


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    Meine Leseeindrücke:


    Ich lese gern Feuchtwanger, ich mag seine Sprache. Er kann viele Dinge so bildhaft und effektiv ausdrücken. Doch bei diesem Buch brauchte ich eine ganze Weile, bis ich mich eingelesen hatte. Der Leser wird anfangs überfallen mit einer Vielzahl von Personen (mehrere von ihnen mit den Namen Heinrich und Johann), und Landstrichen (Böhmen/Tirol/Kärnten/Görz/Krain - bis auf Böhmen mußte ich erstmal nachsehen, wo das alles liegt.) Politische Gegebenheiten wie Bündnisse, Ehen und Lehensvergaben und gegenseitige Verpfändungen bekommt man um die Ohren geworfen. Wittelsbacher, Luxemburger, Könige, Grafen und Barone - es dauerte gut 50 Seiten, bis ich sortiert hatte, was das Wesentliche ist.


    Auch die Zeit der Handlung wird nicht explizit genannt, ich mußte also nachschlagen: Margarete wurde 1318 geboren und das Buch beginnt, als sie 12 Jahre alt ist: im Jahr 1330.
    Fünf Jahre später stirbt ihr Vater Heinrich, Herzog von Kärnten und Tirol und König von Böhmen.


    Margarete ist ein kluges Kind bzw. eine kluge Jugendliche und wird dem Leser sehr sympathisch vor Augen geführt. Die Handlung stützt sich wesentlich auf ihre Häßlichkeit. Laut Wikipedia ist diese Häßlichkeit aber gar nicht historisch verbürgt, sondern ein nach ihrem Tod entstandenes Gerücht. Nun ja, es ist ja auch ein Roman und kein Sachbuch. Offenbar war sie jedoch eine gute und kluge Politikerin. Ich bin gespannt, welche Rolle Margaretes Aussehen noch spielen wird. Jetzt wurde sie schon zum erstenmal aufgrunddessen enttäuscht und der Leser konnte miterleben, wie durch Intrigen ganz schnell Machtverhältnisse sich ändern und so mancher ganz tief fallen oder gar seinen Kopf verlieren kann.

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich habe jetzt ca. zwei Drittel gelesen und es gefällt mir zunehmend. Das Buch steckt voller historischer Details. Das 14. Jahrhundert entfaltet seine Dramatik: Kriege, Heuschreckenplage, Pest, Judenverfolgung... und mittendrin beendet Margarete ihre erste Ehe, heiratet erneut, bekommt und verliert Kinder und ihren zweiten Mann, versucht ihr Land Tirol auf Vordermann zu bringen, ohne allzuviele Schulden zu machen. Allerdings hat sie in all den Wirren unterschiedlichster Interessen der Wittelbacher, Habsburger, Luxemburger nicht viel Glück und Erfolg.

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    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich möchte gern endlich mal noch eine abschließende Meinung nachreichen (nachdem mich Anfang März die Grippe aus der Bahn geworfen hatte).


    Die häßliche Herzogin hat mir trotz einiger Anlaufschwierigkeiten gut gefallen. Es ist ein solider historischer Roman, der überaus detailreich ist. Feuchtwanger hat ganz offensichtlich sehr genau recherchiert und hat unzählige Fakten zusammengetragen, die manchmal nur in einem halben Satz erwähnt werden, aber insgesamt zu einem stimmigen und reichhaltigen Bild des 14. Jahrhunderts in dieser Gegend beitragen. Auch die Personen entstehen wie gemalt vor den Augen des Lesers, nicht zuletzt dank Feuchtwangers bildhafter Sprache. Er beschreibt bestimmte Personen unverwechselbar mit für sie typischen Adjektiven, ganz typischen Verhaltensweisen.


    Ob die historischen Personen wirklich so waren, und ob die zahlreichen Giftmorde auch tatsächlich so stattgefunden haben, ist eine andere Frage, die man bezweifen kann. Noch mehr Zweifel habe ich an der Tatsache, ob es wirklich Margaretes Häßlichkeit war, die schuld an ihren Mißerfolgen, ihrem schleichenden Machtverlust ist. Mir scheinen hier eher ganz reale machtpolitische und familiäre Gegebenheiten, die ungünstig für Margarete waren, den Ausschlag gegeben zu haben. Trotzdem ist es natürlich legitim, das in einem Roman so zu schildern. Man kann darüber denken, wie man will. Doch zum Glück bleibt dies ja nicht der einzige Aspekt, es kommen auch historische Begebenheiten wie die Ausbreitung der Pest, die Entwicklung der Städte im 14. Jahrhundert, Judenpogrome und noch vieles mehr zur Sprache. Spannend und informativ ist das Buch auf jeden Fall und es regt dazu an, sich ein wenig tiefgehender mit dieser Epoche zu beschäftigen.


    Da ich am Anfang etwas länger brauchte, um in das Buch mit seinen Intrigen und sonstigen Geflechten hineinzufinden, und es mir nicht ganz so gut gefiel wie die Bände der Wartesaal-Trilogie, die ich schon gelesen habe:


    4ratten

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