Virginia Woolf - Mrs. Dalloway

Es gibt 64 Antworten in diesem Thema, welches 21.517 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Breña.


  • Schade das ihr zu dem Roman keinen Zugang gefunden habt, ich gehöre ja zur Gattung^^ der Virginia Woolf Fans und Mrs. Dalloway war das erste Buch das ich von ihr gelesen habe.
    Ich denke es hängt auch mit dem eigenen Geschmacksempfinden zusammen ob man einen Roman und sei er noch so Anspruchsvoll geschrieben und von hoher Qualität mag oder nicht mag. Ich kann mir schon auch vorstellen das man mit seinen Gedanken ganz dabei sein muss um alles zu erfassen, aber der eigene Geschmack spielt ja dann trotzdem eine Rolle. Das heißt ja nur das es einem persönlich nicht gefallen hat.


    Woolf ist schon schwer zugänglich. Sie erfordert mehr Konzentration als ein Klassiker wie Proust. Auf diese handlungsarme Welt muss man sich erst mal einlassen, bei Woolf ist das Buch dann schon vorbei, bevor man hineingekommen ist.


    Gruß, Thomas


  • ... bei Woolf ist das Buch dann schon vorbei, bevor man hineingekommen ist.


    Genau das ist es! Das Buch hat mich ganz dezent erst auf den letzten 40-50 Seiten interessiert, davor fand ich das "Geschwafel" einfach unerträglich. Es hat m. M. n. an allen Ecken und Enden etwas gefehlt. Dann kam das Ende und ich dachte - ja und? Dass Peter sie noch liebt, erfahren wir ja das ganze Buch über mehrfach... :rollen:

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    Inhalt:


    >>>Ein Junitag im Jahre 1923. Clarissa Dalloway, (sie hatte schon einen Auftritt in "Die Fahrt hinaus"), Gattin eines Parlamentsabgeordneten, trifft die Vorbereitungen für eine große Abendgesellschaft. Während dieser Verrichtungen ergeht sie sich in Erinnerungen, lotet ihr Leben aus und wird sich der Enge und Leere ihres Daseins schmerzlich bewußt. Mrs. Dalloways Reflexionen, wie überhaupt die inneren Monologe des Romans, bilden den eigentlichen Kern der Handlung, während die Darsteller puppengleich auf dem gesellschaftlichen Parkett agieren.<<<
    (Quelle: amazon)


    Meine Meinung:


    Schon lange wollte ich "Mrs Dalloway" lesen und irgendwie kam immer wieder etwas dazwischen. Durch die Leserunde (danke, tina!) hatte ich nun endlich die nötige Motivation und wurde von dem Buch auch nicht enttäuscht.


    Anders als befürchtet, war ich sofort mitten in der Geschichte, besser gesagt, im "Bewusstseinsstrom". Faszinierend, wie wenig (äußerlich) und gleichzeitig wie viel (innerlich) in diesem Roman passiert. Ebenso, wie Virginia Woolf die Fäden zwischen den vielen verschiedenen Personen spinnt und wie viele Themen sie in den doch recht übersichtlichen 188 Seiten des Romans anspricht (Gesellschaftskritik, Frauenrechte, Homosexualität, Kriegstraumata, Kritik an Ärzten, soziale Fragen, Kriegstraumata und Depressionen u.v.a.).


    Die Sprache ist wunderbar bildhaft und kommt einige Male auch herrlich zynisch daher ("Seit fünfundfünfzig Jahren schwamm er [Hugh Whitbread, ein Bekannter von Clarissa Dalloway, angestellt am Königshof] als Fettauge auf der Suppe der englischen guten Gesellschaft." (S. 102)).


    Eine der Personen, die mir am meisten nahe gegangen sind, war der kriegstraumatisierte Septimus Warren Smith, der wegen seiner Krankheit arroganten und unfähigen Ärzten hilflos ausgeliefert ist. In seine Person lässt Woolf die Erfahrungen mit einfließen, die sie selbst aufgrund ihrer psychischen Krankheit gemacht hat.


    Mein Fazit:
    Bücher wie dieses könnte ich nicht jeden Tag lesen, da ich aufgrund des besonderen Stils nur sehr langsam und mit größter Konzentration vorankommen konnte. "Mrs Dalloway" ist wie ein 5-Gänge-Festmenü: man kann es nicht jeden Tag essen - aber wenn man es dann ab und an einmal isst, ist es ein besonderer Leckerbissen. Daher:
    5ratten :tipp:



    P.S.: Und auch hier mein Filmtipp: "The Hours - Von Ewigkeit zu Ewigkeit". Schon vor dem Lesen von "Mrs Dalloway" fand ich diesen Film grandios und jetzt werde ich ihn mir das fünfte Mal noch einmal ansehen. :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von Anja ()

  • Mrs Dalloway ist kein einfaches Buch und schon gar nicht leicht zugänglich. Wenn man sich aber die Mühe macht, sich etwas intensiver damit auseinanderzusetzen, ist es durchaus lesenswert.


    Die äußere Handlung ist in diesem Buch sehr reduziert, wir begleiten einen recht gewöhnlichen Tag im Leben von Clarissa Dalloway, der auf den Höhepunkt einer Party am Abend zuläuft. Dabei springt Virginia Woolf mit dem Leser im Schlepptau sehr geschickt zwischen den Gedanken verschiedener Personen hin und her. Dadurch ergeben sich viele interessante Perspektiven, da man eine Person so wohl von außen, als auch von innen kennenlernt.


    Das Buch liest sich wie eine Reise durch verschiedene Köpfe. Manche darf man länger begleiten und auch etwas über die Persönlichkeit und die Vergangenheit erfahren, manchmal ist es wirklich nur ein kurzer Besuch, bei dem man im "Vorbeigehen" einen Gedanken aufschnappt. Mrs. Dalloway selbst steht dabei nicht unbedingt immer im Mittelpunkt, aber der Personenkreis hängt immer in gewissem Maße mit ihr zusammen.


    Alle Charaktere sind einzigartig und wirken authentisch. Es ist faszinierend, wie Virginia Woolf sich in das Gefühlsleben und die Gedanken dieser so unterschiedlichen Personen hineinversetzen kann und sie damit für den Leser zum Leben erweckt. In einigen Figuren scheint sie auch eigene Erfahrungen verarbeitet zu haben.


    Auch wenn dieses Buch nicht die Dinge liefert, die man normalerweise von einem guten Buch erwartet - sympathische Charaktere, eine spannende Handlung etc. - fand ich es sehr lesenswert und habe wieder richtig Lust darauf bekommen, mehr von Virginia Woolf zu lesen.
    4ratten

    ~~better to be hated for who you are, than loved for who you&WCF_AMPERSAND're not~~<br /><br />www.literaturschaf.de

  • Virginia Woolf – Mrs. Dalloway

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    OT: Mrs. Dalloway
    OA: 1925
    239 Seiten
    ISBN: 978-3596140022


    Inhalt:


    Clarissa Dalloway ist eine reizende, empfindsame Frau. Sie wird eine ihrer berühmten Abendgesellschaften geben. Die Vorfreude auf dieses Ereignis und der strahlende Junimorgen erfüllen sie mit einem intensiven Glücksgefühl und lösen eine Flut von Erinnerungen und Visionen aus.


    Eigene Meinung:


    Mrs. Dalloway ist alles andere als einfach zu lesen. Man muss sich schon Ruhe und Zeit nehmen, um den Gedanken der Protagonisten zu folgen zu können, welche von Virginia Woolf auch noch in sehr lange und verschachtelte Sätze bettet. Alle Personen erleben diesen einen sonnigen Junitag in London, aber ein jeder empfindet ihn anders. Sehr gravierend sind die unterschiedlichen Empfindungen von Septimus und Clarissa. Septimus ist ein gebrochener junger Mann, der nicht mehr in der Lage ist ein „normales“ Leben zu führen. Gebrochen wurde dieser Mann durch einen grausamen Krieg und Woolf stellt auf erschreckend deutliche und sehr bildliche Weise dar, wie er leidet unter dem Verlust eines Freundes, seine Einsamkeit inmitten von Menschen und die fehlerhaften und fahrlässigen Methoden seiner Ärzte, welchen er „anvertraut“ wird. Clarissa allerdings erlebt den Tag etwas vergnügter, aber auch sie hat ihr Päckchen zu tragen. Durch die Ankunft eines alten Freundes, welcher den größten Teil seines Lebens in Indien verbracht hatte, geraten ihre Gedanken aus den Fugen und sie wird immer wieder an die Zeit ihrer Jugend erinnert. Der glücklichsten und unbeschwertesten Zeit ihres Lebens, unwiederbringlich zu Ende, aber nach wie vor präsent. Dieses Buch zeigt sehr eindrücklich, wie sehr uns unsere Vergangenheit prägt, ob wir nun wollen oder nicht und dass wir niemals Herr unserer Gedanken und Gefühle sind und daran wird auch das Alter nichts ändern, wenn wir in unserem Herzen, unabhängig von unserem Körper jung bleiben. Sehr schön wird dies durch Peter ausgedrückt, als er Clarissas 17jährige Tochter Elizabeth ansieht: „Elizabeth zum Beispiel“, sagt er. „Sie fühlt nicht die Hälfte dessen was wir fühlen, noch nicht.“
    Letztendlich ist dieses Buch eine Wertschätzung des Lebens, auch wenn sehr oft vom Tod die Rede ist. Virginia Woolf gelang es mit diesem Roman ein Porträt über das Älterwerden und die sehr prägende Jugend zu entwerfen, in welchem sich wohl sehr viele von uns stellenweise wiederfinden werden.
    Ich bin mir bei diesem Buch sehr sicher, dass ich es noch einmal lesen werde; vielleicht in 10 Jahren und ich bin mir ebenso sicher, dass ich dann in diesem Buch ganz neue Inhalte entdecken werde.


    5ratten


    Tina

  • Ich gehe mit den letzten drei Rezensentinnen d'accord! :tipp:
    Inhalt und Aufbau des Romans wurden ja bereits mehrfach beschrieben, darum verzichte ich auf eine Wiederholung und gehe hauptsächlich auf meine persönlichen Leseeindrücke ein.


    Auf den ersten zehn, fünfzehn Seiten hatte ich die allergrößten Schwierigkeiten mit Mrs. Dalloway. Es heißt zwar oft, das Buch hätte gar keine Handlung, aber am Anfang konnte ich ihr trotzdem nicht folgen. :breitgrins: Zu viele Namen, zu wenig Erklärungen ... sobald mir allerdings "der Knopf aufgegangen" war, konnte ich mich nicht mehr losreißen (siehe Seite 2 in der von Anja verlinkten Leserunde).


    Was hat diesen speziellen Reiz ausgemacht? - Dass in Zusammenhang mit diesem Buch Ausdrücke wie "Geschwafel" oder "Geschwätzigkeit" fallen, finde ich gar nicht so überraschend. Das ist wahrscheinlich wirklich der Haupteindruck, der zurückbleibt, wenn man keinen Zugang zu der Geschichte findet.


    Man muss schon richtig "auf Empfang" gestellt sein, um der Lektüre etwas abgewinnen zu können. Aber wie die positiven Meinungen hier zeigen: wenn es gelingt, sich darauf einzulassen, überwältigt sie einen vielleicht sogar.


    Da ist die betörend schöne Sprache mit ihren eleganten Sätzen und den eindringlichen Bildern.


    Dann die Kunstfertigkeit, mit der Virginia Woolf sowohl verschiedene Zeitebenen als auch einzelne Schicksale verflechtet - das ist mir in dieser Feinheit bisher noch nicht untergekommen.


    Und schließlich die emotionale Intensität, die sie immer wieder erzeugt und die für mich manchmal kaum auszuhalten war - es gab Stellen, nach denen war ich wie außer Atem und dachte bloß: "Was war das denn?"


    Dazwischen existierten sehr wohl auch Längen - wie stefanie_j_h sehr treffend formuliert hat, handelt es sich hier ja um eine Reise durch verschiedene Köpfe, und nicht alle Charaktere nahmen mich gleich gefangen. Dennoch wuchs die Faszination im Verlauf der Lektüre mehr und mehr, und sie steigert sich jetzt nach dem Ende noch immer.


    Ein vielschichtiges Werk, von dem ich beim ersten Lesen bestimmt noch nicht alle Facetten erfasst habe - aber das will ich im Lauf der Jahre ändern ... :smile:


    5ratten

    [color=darkblue]&quot;Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Dieses Buch hat es geschafft, mich gleichzeitig zu nerven und zu faszinieren. Denn einerseits war es mir fast zu sperrig und andererseits haben mich sowohl die elegante Sprache als auch der komplexe, kunstvolle Aufbau des Romans in seinen Bann geschlagen.


    Gleichzeitig den Leser die innere Sicht, die Gedanken- und Gefühlswelt der handelnden Personen erfahren zu lassen und bei ihm doch dabei eine fühlbare Distanz zu erzeugen, ist großes Können. Dabei schafft es Virginia Woolf auch noch, mitten im Satz die Sichtweise ihrer Protagonisten zu wechseln, ohne dass es gekünstelt wirkt.


    Allerdings brauchte ich jedesmal wenn ich das Buch in die Hand nahm, eine gewisse Zeit bis ich wieder richtig eintauchen konnte und hatte auch stellenweise Schwierigkeiten mich zu konzentrieren. Der Sommerurlaub war wahrscheinlich einfach nicht der richtige Zeitpunkt für die Lektüre. Ich werde den Roman daher irgendwann noch einmal lesen, bevor ich entscheide, ob ich ihn mag oder nicht.

  • *steinesammel*
    So viele negative Rezensionen in der Zwischenzeit dazu gekommen.
    Das finde ich wirklich traurig und ungerecht.
    Nur weil man (warum auch immer) keinen Zugang zu einem Buch findet, kann man es doch nicht abwerten?
    Zumindest geht sowas bei Klassikern wie Virginia Woolf einfach nicht. :sauer:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Warum nicht? Wenn ich einen Klassiker blöd finde, schreibe ich das auch. Neu oder alt, Bestseller, Klassiker oder was immer, das macht für mich keinen Unterschied.

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”


  • *steinesammel*
    Nur weil man (warum auch immer) keinen Zugang zu einem Buch findet, kann man es doch nicht abwerten?
    Zumindest geht sowas bei Klassikern wie Virginia Woolf einfach nicht. :sauer:


    Eigentlich war ich der Meinung, das Buch eben nicht abgewertet zu haben, sondern habe dem falschen Lesezeitpunkt Schuld an meinem indifferenten Gefühl gegenüber dem Roman gegeben. Positive und negative Eindrücke hielten sich bei mir die Waage, daher werde ich, wie geschrieben, Mrs. Dalloway später noch einmal lesen, um einen zweiten Eindruck zu erhalten.


    Meiner Ansicht nach darf ein Klassiker auch durchaus nicht gefallen. Geschmäcker sind verschieden und jeder darf und soll sich eine eigene Meinung bilden.

  • Zu Mal gerade die Aussage etwas ist ein Klassiker auch eine sehr starke Zuschreibung ist... Ich finde schon das man eben schreiben darf das man etwas für schlecht oder überbewertet hält.
    Diese KLassikererfurcht ist aber irgendwie in den Köpfen verankert. Ich merke das auch immer wieder an der Uni. Kritik an bestimmten Autoren (egal aus welchem Fach) fällt vielen dabei extrem schwer.


  • Zu Mal gerade die Aussage etwas ist ein Klassiker auch eine sehr starke Zuschreibung ist... Ich finde schon das man eben schreiben darf das man etwas für schlecht oder überbewertet hält.
    Diese KLassikererfurcht ist aber irgendwie in den Köpfen verankert. Ich merke das auch immer wieder an der Uni. Kritik an bestimmten Autoren (egal aus welchem Fach) fällt vielen dabei extrem schwer.


    Klar, denn wie kann etwas schlecht sein, was seit so vielen Jahren gelesen wird?
    Ich finde aber auch, dass man Kritik äußern kann. Besonders wenn sie sachlich gehalten ist und das ist hier ja der Fall. :zwinker:

  • Ich habe das Buch vor einigen Jahren begonnen und hatte es damals relativ schnell wieder abgebrochen, weil ich mich damit auch nicht zurecht fand. Vielleicht habe ich irgendwann Lust, das ganze nochmal zu probieren, vielleicht nicht, dann bleibt es bei meinem damaligen Eindruck.


    Nur weil etwas das Label "Klassiker" trägt, heißt das ja nicht, dass er deswegen jedem gefallen muss oder kann. Geschmäcker sind verschieden und auch literarisch hochwertige Werke können vielleicht einfach inhaltlich oder sonst wie nicht gefallen. Auch wenn das häufig als Tabu wahrgenommen wird.
    Wenn man nur positives über einen Klassiker sagen dürfte, könnte man ja gar nichts sagen, wenn einem nichts positives einfällt oder? :zwinker: Und damit würde sich das ganze irgendwie im Kreis drehen, denn dann kämen nur mehr positive Meinungen, die die ohnehin vorgefasste Meinung als Klassiker immer wieder bestätigen.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Ich sehe da zwischen Klassikern und anderer Literatur keinen Unterschied. In diesem Forum geht es doch darum, seine Meinung zu einem Buch abzugeben ... wenn es mir eben nicht gefallen hat, dann gibt es eine schlechte Bewertung, egal wie alt oder hochgelobt das Buch ist. Wenn ich zu einem Roman von heute keinen Zugang finde, bekommt der schließlich auch eine schlechte Bewertung, auch wenn viele andere vielleicht meinen, dass das Buch super ist. Meinungen (und Geschmäcker) sind nun mal verschieden.

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

    Einmal editiert, zuletzt von mondy ()

  • Ich habe Mrs Dalloway in einer zweisprachigen Ausgabe gelesen – Englisch/Deutsch – und wenn ich eins bemerkt habe, dann, dass Deutsch kompliziert ist. Ich liebe Bandwurmsätze mit ihren Verknüpfungen und Einschüben, aber im Vergleich ist der Text im Original wesentlich leichter aufzunehmen.


    Virginia Woolf verstand es, Geschichten und Gedanken miteinander zu verknüpfen und den Leser von einer Seele zur nächsten zu führen, ohne das es sprunghaft wirkt.


    Einspruch! :zwinker: Zunächst hatte ich Schwierigkeiten mit dem "Gehopse" zwischen Zeit und Person zurechtzukommen. So etwas kann auch ganz schnell schief gehen – man könnte keinen Zugang zu einer Person finden, alle könnten recht unnahbar und entfernt bleiben. Man findet hier auch keinen Charakter so richtig sympathisch, doch das muss man gar nicht, um dieses Werk großartig zu finden!
    Ja, der Bewusstseinsstrom ist teilweise unübersichtlich und verwirrend, aber das macht den Gedankenüberfluss eben aus. Die vielen Zeit- und Personensprünge erscheinen auf den ersten Blick wirr, und sind doch so unglaublich strukturiert und bewusst gesetzt. Es ist einfach faszinierend wie geschickt die einzelnen Personen und Begebenheiten verbunden werden. Äußerlich mag so wenig geschehen und doch passiert in den Personen selbst so viel, als das man es in einer Inhaltsangabe fair widerspiegeln könnte.

    Das Buch liest sich wie eine Reise durch verschiedene Köpfe. Manche darf man länger begleiten und auch etwas über die Persönlichkeit und die Vergangenheit erfahren, manchmal ist es wirklich nur ein kurzer Besuch, bei dem man im "Vorbeigehen" einen Gedanken aufschnappt.


    Eine wunderschön passende Beschreibung! :klatschen:


    Man muss sich hineinlesen und an die Wiederholungen und Gedankensprünge gewöhnen, doch dann hat man etwas davon. Dies ist eines der Bücher, die mehrmals gelesen werden sollten, da man beim ersten Mal wohl nur einen klitzekleinen Teil richtig mitnimmt – es werden so viele Themen angeschnitten, das Buch wäre perfekt für eine Analyse im Deutschunterricht. :breitgrins:


    4ratten


    Und zum Thema Klassiker und solche-die-es-noch-werden-(wollen): Ich kann mit Kafka und Irving zum Beispiel nicht anfangen, während andere sie in den Himmel loben. Geschmäcker sind verschieden und gerade das macht den Reiz aus. Diejenigen, die keinen Zugang zu Mrs Dalloway gefunden haben, haben bestimmt ganz andere Dinge mitgenommen und andere Dinge gelesen, auf die man selbst gar nicht erst gekommen wäre. Ich denke mir erst so hat man die Möglichkeit ein Werk "richtig rund" zu sehen.

    Es geschah kurz nach Anbruch des neuen Jahres, zu einem Zeitpunkt,

    als die violetten und gelben Blüten der Mimosenbäume rings um die Ambulanz

    aufgesprungen waren und ganz Missing in Vanilleduft gehüllt war.


    Abraham Verghese – Rückkehr nach Missing


  • Wenn das Dein Ernst ist, dürfte man NIE eine negative Rezension schreiben, denn die sagt ja meistens, dass man keinen Zugang zu einem Buch gefunden hat, das Buch zu langatmig, langweilig, unverständlich, platt etc. fand.


    Die Ehrfurcht vor den Klassikern ist mMn nicht angebracht, weil sie dazu führt, dass man keine eigene Meinung bilden "darf" oder noch schlimmer, das Gefühl hat, seine eigene Meinung dem allg. Lob anpassen zu müssen, also nicht nur zu sagen, dass einem das Buch gefiel, sondern sich aktiv darum zu bemühen.
    Das führt aber mMn dazu, dass man bei modernen Büchern eben gar keine eigene Meinung mehr bilden kann, bis einem jemand sagt, ob das Buch "gut" oder "schlecht" ist.


    Man darf sich ja allg. um ein Buch bemühen wollen, aber meist möchte man das ja, nachdem man schon Loblieder darauf gelesen oder gehört hat, also das gleiche Erlebnis wie der lobende Rezensent haben möchte.


    Man muss aber auch die Meinung vertreten dürfen, dass man bestimmte Klassiker nicht mag, keinen Zugang dazu fand.
    Ob man sie dann wirklich nicht verstanden hat oder nur eine andere Sichtweise als die meisten anderen vertritt, sei dahin gestellt. Selten findet man auch mal hochgelobte Literaturkritiker, die ganz offen Klassiker zerreißen.


    LG von
    Keshia

    Ich sammele Kochbücher, Foodfotos und Zitate.


    <3 Aktuelle Lieblingsbücher: "The good people" von Hannah Kent, "Plate to pixel" von Hélène Dujardin und "The elegance of the hedgehog" von Muriel Barbery.

  • Anfangs habe ich zu Mrs. Dalloway irgendwie keinen Zugang gefunden. Clarissa Dalloway wandert durch London und es passiert irgendwie nichts.


    Nach und nach bilden dann die ganzen Figuren eine schöne Geschichte, die mir sehr gut gefallen hat.
    Auch die Liebesgeschichte von Peter Walsh, der damals nach Indien ging, weil er Clarissa nicht haben konnte hat mich sehr berührt.


    Am besten fand ich dann den Salon am Ende des Buches. Endlich treffen alle Figuren in dem Salon zusammen und man sieht hier eigentlich sehr gut wer wen leiden kann oder wer nur kommt um gesehen zu werden.


    Auch die Unsicherheit von Clarissa fand ich gut beschrieben. Bisher habe ich sie immer als die starke Frau gesehen. Aber hier sieht man gut, dass sie auch sehr unsicher sein kann.


    Das war mein erstes Buch von Woolf. Aber irgendwann werde ich sicher wieder was von ihr lesen.

  • Meine Meinung

    Anfangs habe ich zu Mrs. Dalloway irgendwie keinen Zugang gefunden. Clarissa Dalloway wandert durch London und es passiert irgendwie nichts.

    So ging es mir auch. Aber je Personen aufgetaucht sind, desto mehr hat mir die Geschichte gefallen. Durch jeden neuen Charakter habe ich mehr über Mrs. Dalloway und auch die übrigen Figuren erfahren, denn über sich selbst sprechen nur die wenigsten.


    Mrs. Dalloway kommt mir einsam vor. Sie ist umgeben von Menschen, aber sie lässt niemand wirklich nahe an sich heran. Auch, wenn sie glücklich wirkt, ist sie es nicht wirklich. Ihre Freunde wissen das, aber niemand spricht es offen an.


    Wie auch Jaqui hat mir das Ende am besten gefallen. Für mich war es das einzige Mal in der gesamten Geschichte, dass die Charaktere sich so gezeigt haben, wie sie wirklich sind. Vor sich selbst, aber auch vor den anderen.


    Mrs. Dalloway ist seit längerer Zeit wieder das erste Buch, das ich von Virginia Woolf gelesen haben, aber die Faszination für ihre Bücher war direkt wieder da.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Lesen wollte sie, warum schweiften ihre Gedanken ständig ab? Seit Tagen hatte sie sich auf ihr Ritual am Samstagmorgen gefreut. Also, zurück zum Buch. Wer ist denn nun wieder Sarah Bletchley, wurde die vorher schon erwähnt? Hatte sie etwas überlesen? Kurz zurückgeblättert, aber nein, es gibt keinen Hinweis auf diese junge Frau mit Säugling. Arme Frauen, Witwen, Waisen - ach ach - ja. Und jetzt ein Aeroplan. Faszinierend wie ausschweifend man über ein Flugzeug schreiben kann, das Buchstaben mit Rauch an den Himmel schreibt. Das würde hier heute nicht funktionieren, ist viel zu windig. Und dieser Regen; hoffentlich hört der heute Mittag auf, damit sie es trocken zur Verabredung schafft. Aber zuvor: Lesen.

    Hätte sie vorher gewusst, dass Mrs. Dalloway als Gedankenstrom geschrieben ist, hätte sie es vermutlich gar nicht lesen wollen. Immerhin ist es besser als Ulysses, ein schreckliches Buch. Aber sie hat sich durchgekämpft, ob sie auch jetzt durchhält? Immerhin ist ihr Woolf deutlich sympathischer als Joyce. Irgendwie sind sich beide Werke schon ähnlich, ein Tag im Leben des Protagonisten, mehr Gedankenströme als Handlungsstränge. Hat Woolf das feministische Gegenstück zu Joyce geschrieben? Ihr gefiel, wie das Erzählte von Person zu Person springt; verschiedene Blickwinkel annimmt; keinen Halt macht vor Geschlechtern oder Klassengrenzen. Ein wenig mehr Handlung wäre trotzdem schön. Und mehr direkte Rede. Ach ach. Diese stille Diskussion zwischen dem Ehepaar, die in erster Linie in ihren Köpfen stattfindet. Starke Bilder, beeindruckend. Und immer wieder die explizite Erwähnung von Blumen. Könnte sie sich doch besser an den Symbolismus der Blumen erinnern, das ist bestimmt eine weitere Bedeutungsebene. Und nun wieder zurück zum Flugzeug. Ach ne.

    So ein Glück; Handlung; direkte Rede. Schräges Bild, den Sonnenschirm mit “einer heiligen Waffe, die eine Göttin nach ruhmreicher Bewährung auf dem Schlachtfeld sinken läßt” gleichzusetzen. Ach. Fear no more the heat o‘ th’ sun. Von wem ist das? Wo sind noch gleich die Anmerkungen? Shakespeare, natürlich.

    Die Gedanken zur eigenen Körperlichkeit sind spannend. Hier bremst sie ihr Lesetempo; hält inne; lässt ihre Gedanken schweifen. Fortschrittlich, was Woolf über die Liebe geschrieben hat. Die geistige, aber auch die körperliche Liebe. Nicht nur zwischen Mann und Frau, sondern auch zwischen Frauen. An keiner Stelle ordinär, im Gegenteil. Und immer wieder Blumen.


    Später. Draußen noch immer grau; windig; nass. Nur folgerichtig, das Buch in einem Zug gelesen zu haben. Der Gedankenstrom ein Sog. Doch immer wieder auch Längen; Abschweifen der Gedanken. Ihr Verhältnis zu den Werken von Woolf eine Hassliebe; ein Zwiespalt zwischen poetischem Tiefsinn und gekünstelter Langeweile. Genug für den Moment.




    An alle Fans: Entschuldigt bitte. Ich hoffe, ihr könnt meinen Text mit einem Augenzwinkern lesen.

    Ich bin hin und hergerissen zwischen Faszination und Genervtheit und konnte mich nur so dem Werk nähern.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges