Neil Gaiman - Der Ozean am Ende der Straße/The Ocean at the End of the Lane

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  • Neil Gaiman - Der Ozean am Ende der Straße


    "Der Ozean am Ende der Straße" - alleine wegen des Titels bin ich schon auf das Buch neugierig geworden. Ein Ozean ist nicht einfach mal so am Ende einer Straße. Aber wie sich herausstellt ist er das doch, es ist eigentlich ein Ententeich, aber DER Ozean, voller Magie und voller Kraft.
    Dazu ein ausgesprochen wunderschönes Cover, dass den Zauber des Buches gut wieder spiegelt.


    Die Geschichte beginnt damit, dass der erwachsene Protagonist wegen einer Beerdigung zum Ort zurückkehrt, an dem er als 6 Jähriger mit seiner Familie gelebt hat. Dann beginnt er von seiner Vergangenheit zu erzählen, als er noch hier gewohnt hat und 6 Jahre alt war.
    Seine Erinnerungen kommen zurück, als er beim "Ozean" bei den Hemstocks landet. Er fühlt sich von diesem Ort irgendwie angezogen und dann beginnt seine Geschichte von damals.


    Von der Geschichte an sich ist es schwer was zu schreiben, ohne zu viel zu verraten. Es handelt sich nämlich eigentlich um eine normale Familie, in der es der 6 Jährige Junge nicht so leicht. Aber zum Glück trifft er Letti Hemstock, seine erste richtige Freundin, mit der er viel erlebt und auf die er sich echt verlassen kann.
    Es beginnt ein kleines Abenteuer, das man bestimmt als märchenhaft bezeichnen kann.


    Das ganze Buch wird von zauberhaften und magischen Dingen durchzogen mit vielen fantasyreichen Highlights, welche ganz tolle Ideen von Neil Gaiman sind.


    Es lohnt sich in jedem Fall das Buch zu lesen, wenn man für schöne Lesestunden in eine kleine zauberhafte Welt eintauchen möchte.


    Den Satz auf dem Cover beschreibt das Buch perfekt: "Ein poetisches Juwel, wie man es nicht oft zu lesen bekommt" von Daniel Kehlmann.


    Ich vergebe: 5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von pankratz ()

  • Ich muss vorweg schicken, dass ich normalerweise keine Fantasy lese, weil mir die meisten darin erscheinenden Wesen und übermenschlichen Fähigkeiten zu abgehoben sind. Dass ich nun doch bei Neil Gaiman landete, lag am schönen Cover des Buches. Das passiert mir nur höchst selten.


    Die Geschichte beginnt ganz harmlos, nimmt aber sofort gefangen. Bevor man als Nicht-Fantasy-Leser merkt, dass die Handlung unwirkliche Züge annimmt, steckt man schon mittendrin in einer Mischung aus Magie und Realität und wird immer neugieriger. Normalerweise würde ich bei so bizarren Dingen wie Hungervögeln oder Lumpenbällen abwinken, aber in diesem Fall war mein Interesse geweckt, und ich wollte unbedingt wissen, wie es mit den Kindern weitergeht. Zu gerne hätte ich auch erfahren, was hinter den Hempstocks steckt, aber diese Frage bleibt wie noch einige andere am Ende offen.


    Die Charaktere gefielen mir mit einer kleinen Einschränkung alle. Die Bösen, allen voran Ursula, waren so richtig schön gemein, und die Guten, vor allem die Hempstocks, sind mir richtig ans Herz gewachsen. In erster Linie war Lettie eine liebenswerte Figur. Sie vereinte die Weisheit und Verlässlichkeit einer Erwachsenen mit der schlichten Selbstverständlichkeit eines Kindes, das seltsame Umstände als gegeben hinnimmt, ohne sie in Frage zu stellen. Die Einschränkung betrifft den namenlosen Jungen, der mir für seine sieben Jahren zu reif erschien. Während seiner Begegnung mit Lettie passierten ihm einige kleinere und größere Tragödien, die er alle ohne Nachwirkungen wegsteckte. Man kann natürlich damit argumentieren, dass seine Erinnerung ausgelöscht wurde. Das ist zwar eine akzeptable Erklärung, aber letztlich doch sehr simpel. Davon abgesehen war er ein sympathischer Junge, der einige Weisheiten auf Lager hat.


    Meine Bewertung wäre möglicherweise etwas besser ausgefallen, wenn ich das Buch auf Deutsch gelesen hätte. So fließend ist mein Englisch leider noch nicht, dass ich ein Buch einfach so weglesen. Stattdessen muss ich mich richtig konzentrieren, wodurch die Leichtigkeit flöten geht, die eine Lektüre manchmal ausmacht.


    4ratten

  • INHALT
    Es war nur ein Ententeich, ein Stück weit unterhalb des Bauernhofs. Und er war nicht besonders groß. Lettie Hempstock behauptete, es sei ein Ozean, aber ich wusste, das war Quatsch. Sie behauptete, man könne durch ihn in eine andere Welt gelangen. Und was dann geschah, hätte sich eigentlich niemals ereignen dürfen – Weise, wundersam und hochpoetisch erzählt Gaiman in seinem neuen Roman von der übergroßen Macht von Freundschaft und Vertrauen in einer Welt, in der nichts ist, wie es auf den ersten Blick scheint. (Quelle Eichborn-Verlag)


    MEINE MEINUNG
    Sehr spannend ist es immer wieder sich auf einen Roman von Neil Gaiman einzulassen, weiß man doch nie genau, was einen bei der Lektüre vor allem hinsichtlich Gaimans einzigartiger, überbordender Fantasie erwartet.
    Mit „Der Ozean liegt am Ende der Straße“ ist dem englischen Autor Neil Gaiman erneut ein sehr außergewöhnlicher und zugleich faszinierender Roman gelungen, der mit seiner schaurig-düsteren Stimmung und einer Vielzahl bemerkenswerter, märchenhaft-übersinnlicher Elemente den Leser zu fesseln weiß. Mit ihrer vielschichtigen Handlung und dem großen Reichtum an mehrdeutigen Details, die es beim Lesen zu entdecken gilt, regt die wundersame, ergreifende und fantasievolle Geschichte zum intensiven Nachdenken an und lässt vielerlei Deutungen zu.
    Beim Besuch seiner früheren Heimat anlässlich einer Beerdigung gelangt der Ich-Erzähler und namenslose Protagonist an einen für ihn einst magischen Ort, der Farm der Hempstocks und einem kleinen Ententeich, wo früher seine Freundin Lettie mit ihrer Mutter und Großmutter lebte. Die Geschichte beginnt zunächst als ein wehmütiger Rückblick des Ich-Erzählers auf seine Kindheit. In der für ihn so bedeutsamen Umgebung kehren plötzlich all seine bereits verdrängten Erinnerungen an die Vergangenheit und seine rätselhafte Freundin Lettie zurück, und so begibt er sich auf eine sehr emotional aufwühlende, abenteuerliche Reise zurück zu den seltsamen Erlebnissen in seiner Kindheit. Schon bald schleichen sich in die anfangs harmonische Handlung mysteriöse, unerklärliche und beängstigende Ereignisse ein. Allmählich nimmt die Handlung einen mystischen und teilweise albtraumhaften, ja grausamen Charakter an und wird von einer düsteren, gruseligeren Grundstimmung überlagert. Die Grenzen von Realität, Traum und Fantasie scheinen immer mehr zu verschwimmen und geben dem Leser zunehmend Rätsel auf. Viel e unerklärliche Geschehnisse mit angsteinflößenden Monstern steigern sich immer weiter und gipfeln schließlich in einem für den Erzähler sehr aufwühlenden und verstörenden Höhepunkt. Das sehr offene Ende lässt viel Raum für unterschiedliche Interpretationen, ist dennoch geschickt gewählt und in sich schlüssig.
    Sehr differenziert und liebevoll sind auch die wichtigen Figuren der Geschichte wie der Ich-Erzähler und drei außergewöhnlichen Hempstock-Damen gezeichnet, die mit ihren Eigenheiten sehr sympathisch wirken und dem Leser mit ihren wundervollen Charakteren ans Herz wachsen.
    Herausragend ist auch Gaimans eindringlicher, bildgewaltiger und teilweise sehr poetischer Schreibstil, der mich vollauf begeistern konnte und mich mühelos in seine märchenhafte, mysteriöse Welt eintauchen ließ.


    FAZIT
    Ein wundervoller, schaurig- märchenhafter Roman über die Macht von Freundschaft und Vertrauen, über widersprüchliche, kindliche Reminiszenzen an die Kindheit und die vielfältigen Herausforderungen des Erwachsenwerdens.
    Sehr lesenswert!


    5ratten

    Einmal editiert, zuletzt von bookstars ()

  • (Ich habe gerade erst realisiert, dass es wohl üblich ist, dass jeder Teilnehmer der Leserunde eine finale Rezension schreibt - also versuche ich, hier auch noch mal eine Art "zusammengefasste Meinung" abzugeben.)


    Neil Gaimans Buch "The Ocean at the End of the Lane" ist ein sehr persönliches Buch mit vielen autobiographischen Elementen - der Autor gibt an, dass die (nie benannte) Hauptfigur ihm selbst als Kind sehr ähnlich sei.
    Im Laufe des Buches, das als erinnernder Rückblick angelegt ist, vermischen sich zunehmend realistische Schilderungen und Fantasy-Elemente - allmählich entwickelt sich ein bedrohliches und spannendes Szenario, in dem die Ichfigur übernatürlichen Mächten gegenübertreten muss, die immer mehr in sein Zuhause vordringen und denen er sich stellen muss. Ihm stehen dabei 3 Nachbarinnen, die Hempstock-Frauen, hilfreich zur Seite, deren Macht und Herkunft im Laufe des Buches immer deutlicher wird, aber nie ganz konkret aufgelöst wird. Diese leicht offene Form gibt uns die Möglichkeit, das Buch auch als Parabel zu lesen und es ganz individuell auszulegen - man kann es sozusagen auf mehreren Ebenen lesen und für sich erschließen.
    Das schmale Buch präsentiert sich in einer unaufdringlichen, aber wunderschönen Sprache und enthält eine Menge kluger jedoch unprätentiöser Sätze, meist Gedanken zu Kindheit und Erwachsenwerden, die man noch eine Weile in der Erinnerung mit sich herumträgt - sicher ein Buch, das man mehrmals im Leben lesen kann.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Ich bin sehr überrascht, dass alle so begeistert von diesem Buch sind. Ich fand es hingegen nur ganz okay. Die Grundidee hat mir eigentlich gefallen, mit der Rahmenhandlung mit dem Mann, der in seine Heimat zurückkehrt und auch mit dem kleinen Jungen, mit zu viel Fantasie.
    Aber die Geschichte, die der Junge dann erlebt hat, hat mich nicht wirklich gepackt und ich habe nicht mitgefiebert. Ich mochte ihn, ja, aber das andere war nur so ....okay. Und diese Ursula ging mir am Anfang auch auf den Keks.



    Irgendwie scheint die Magie dieses Buches wohl etwas an mir vorbei gegangen zu sein. Die Machart der Geschichte fand ich auch eigentlich gut, nur halt die Geschichte an sich nicht so.


    Es war im Übrigen auch mein erstes Buch von Neil Gaiman.

    Library child from day one

    Man kann mir folgen

    Leseblueten

    Einmal editiert, zuletzt von Mungo ()


  • Ich bin sehr überrascht, dass alle so begeistert von diesem Buch sind. Ich fand es hingegen nur ganz okay. Die Grundidee hat mir eigentlich gefallen, mit der Rahmenhandlung mit dem Mann, der in seine Heimat zurückkehrt und auch mit dem kleinen Jungen, mit zu viel Fantasie.
    Aber die Geschichte, die der Junge dann erlebt hat, hat mich nicht wirklich gepackt und ich habe nicht mitgefiebert. Ich mochte ihn, ja, aber das andere war nur so ....okay. Und diese Ursula ging mir am Anfang auch auf den Keks.


    Das ist ja das Schöne, dass Geschmäcker oft verschieden sind. Obwohl ich auch jetzt gerade gute fünf Minuten schon hier sitze und mir überlege, wieso mich das Buch eigentlich doch überzeugen konnte, weil deine Zusammenfassung oben trifft es dann doch wieder ganz gut. Einerseits ist das Buch wirklich "ok", aber irgendwie konnte es mich dann doch in seinen Bann schlagen und es ist mir immer noch in bleibender Erinnerung. Jedoch kann ich jetzt auch nicht wirklich sagen, was genau es ist, denn wenn man die Geschichte Review passieren lässt, ist sie einfach nichts Besonders. Aber gekoppelt mit dem Schreibstil und dieser Atmosphäre, die der Autor in dem Buch schafft, hat es mich doch eingefangen.


    Ich denke aber, dass man die Art und Weise einfach mögen muss und ich mir gut vorstellen kann, dass es vielen Leuten so geht wie dir. :winken:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)


  • Ich bin sehr überrascht, dass alle so begeistert von diesem Buch sind.


    Mir ist auch schon einmal aufgefallen, dass Bücher nach gemeinsamen Leserunden oft besser bewertet werden als von alleine Lesenden. In Runden, bei denen der Autor teilnimmt, ist das noch einen Tick auffälliger, da gibt es oft fünf Ratten. Es könnte daran liegen, dass bei vielen Teilnehmern auch viele Gedanken einfließen, auf die man alleine gar nicht gekommen wäre, man somit also wirklich auch noch das Letzte aus dem Buch herausholt. Ein Autor kann zudem noch Hintergründe etc. erklären und seine Freude an dem, was er da geschaffen hat, weitergeben. Dann kommen natürlich auch ganz andere Bewertungen zustande als wenn man alleine versucht, einen Inhalt zu verarbeiten und nicht so tief eintaucht.

  • Danke für die Antworten, das sind interessante Gedanken, vor allem das mit den Leserunden. :)
    Es kann auch sein, dass es auf Englisch nochmal ganz anders für mich gewesen wäre.


    Aber naja, ich habe es ja auch nicht bereut, das Buch gelesen zu haben. :winken:

  • An dem Tag als es rausgekommen ist habe ich eine Vorstellung im Radio gehört und wollte es unbedingt lesen. Ist dann irgendwie wieder in Vergessenheit geraten. Muss es mir aber unbedingt noch besorgen. Ich habe bisher alle Bücher von Neil Gaiman gemacht.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~



  • Jedoch kann ich jetzt auch nicht wirklich sagen, was genau es ist, denn wenn man die Geschichte Review passieren lässt, ist sie einfach nichts Besonders.


    Echt, findest Du? Für mich war das Buch allein schon durch die Protagonisten (v.a. die Hempstocks) etwas Besonderes, hinzu kam noch Gaimans wunderschöne Art zu erzählen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Mir ist auch schon einmal aufgefallen, dass Bücher nach gemeinsamen Leserunden oft besser bewertet werden als von alleine Lesenden.


    Das stimmt. Alleine lese ich oft ganz anders. Manchmal würden auch Sachen an mir vorbei gehen, die in Leserunden aufkommen. Allein die Stimmung einer Leserunde ist anders als alleine und das fließt dann auch in die Bewertung ein (vielleicht uach nur unbewusst).

    Pessimisten stehen im Regen, Optimisten duschen unter den Wolken.

  • Inhalt
    Nach einer Beerdigung fährt unser Protagonist rastlos durch die Gegend und landet dabei in der Heimat seiner Kindheit, wo er spontan im Haus der Hempstocks, mit dem er viele Kindheitserinnerungen verbindet, vorbeischaut. Dort angekommen nimmt er den Leser mit auf eine Reise durch eben jene Kindheitserinnerungen. Als Siebenjähriger war er ein stiller Junge, der sich gut selbst beschäftigen konnte, am liebsten Bücher las, und eine blühende Fantasie besaß, die es mit dem Inhalt seiner Lektüre aufnehmen konnte. Nach dem Tod eines Untermieters seiner Eltern lernt er Letteie Hempstock von einem nahegelegenen Bauernhof, sowie ihre Mutter und Großmutter kennen, und die beiden freunden sich schnell an. Doch Lettie ist anders als andere Mädchen, in ihrer Familie gibt es nur Frauen, und hinter dem Haus, am Ende der Straße, gibt es einen Ozean, oder doch nur einen Ententeich? Als seine Eltern eine neue Haushaltshilfe einstellen, ist unserem Protagonisten und Lettie sofort klar, dass mit ihr etwas nicht stimmt, und für die beiden beginnt ein unglaubliches Abenteuer.


    Meine Meinung
    Unser kleiner Protagonist, der erstaunlicherweise die ganze Geschichte hindurch namenslos bleibt, ist ein angenehmer Zeitgenosse und er hat mich ein bisschen an mich selbst erinnert. Während er eher zurückhaltend ist, ist die etwas ältere Lettie ein selbstbewusstes Energiebündel, und ebenso wie ihre Mutter und Großmutter hat sie besondere Kräfte, und eine damit verbundene Aufgabe. Sie ist ziemlich mutig, und auch sie mochte ich sehr.


    Die Geschichte entwickelt sich zunächst langsam, spätestens mit Ankunft der neuen Haushaltshilfe nimmt sie aber richtig Fahrt auf, und unser kleiner Protagonist kommt in arge Bedrängnis. Die Geschehnisse sind dabei sehr mystisch angehaucht, es ist haufig traurig, gelegentlich auch brutal, wenn auch nicht ausschließlich im physischen Sinne. Insgesamt ist die Geschichte ziemlich düster und hat etwas Märchenhaftes an sich. Trotzdem wird man beim Lesen keinesfalls deprimiert, denn allen Ereignissen steht die Freundschaft von Lettie und dem Protagonisten entgegen. Das Vertrauen, dass er ihr und ihrer Familie entgegenbringt, die Geborgenheit, die er bei ihnen spürt erzählt eine zweite, schöne Geschichte.


    Neil Gaiman schafft es wie kein zweiter, mit Worten zu spielen und eine unglaubliche Atmosphäre zu erzeugen. Ich habe schon einige Bücher von ihm gelesen, und sein Stil ist sehr variabel, und passt sich seinen Protagonisten hervorragend an, ob es nun allerdings tatsächlich als poetisch zu bezeichnen ist, werde ich an dieser Stelle nicht beurteilen. Ein bisschen ungewöhnlich fand ich den Stil hier aber schon, und hab am Anfang ein bisschen gebraucht, um reinzukommen. Die Geschichte die er hier erzählt kann von verschiedenen Standpunkten aus gelesen und interpretiert werden, was sie besonders spannend macht. Allerdings hätte ich mir hier fast einen kleinen Lektüreschlüssel gewünscht, um die Ereignisse richtig zu interpretieren. Als kleiner Bonus hat das Buch auch einige Bilder zu bieten, die sehr gut zur Geschichte passen, und eine tolle Überraschung waren.


    Fazit
    “Der Ozean am Ende der Straße“ ist eine Art düsteres Märchen, mit einer ganz besonderen Atmosphäre und Charme. Der Interpretationspsielraum macht es wahrscheinlich zur perfekten Lektüre für den Deutsch- oder Englischunterricht. Am Ende bleibt es dem Leser überlassen, die fantastischen Ereignisse zu deuten. Wer ungewöhnliche Bücher mag, ist hier richtig.


    4ratten

  • Der namenlose Mann (Erfahren wir seinen Namen nicht, will Namen Macht bedeuten?) ist vielleicht Mitte vierzig und statt zum Beerdigungskaffeetrinken fährt er zum Haus seiner Kindheit. Ein Stückchen weiter ist der Hof der Hempstocks. Dort am Ententeich – oder ist es der Ozean – erinnert er sich an damals, als er sieben war und ein Monster in sein Leben trat.


    Die gesamte Kindheitsepisode voller Magie mit dem einzelgängerischen und manchmal einsamen Jungen als Hauptfigur erinnerte mich an Roald Dahls „Hexen hexen“ oder „Matilda“, Gaiman fängt ebenso sehr den Zauber der Kindheit ein, in der alles möglich ist.


    Gaiman zeigt aber auch, dass man die Monster der Kindheit besiegen kann, auch wenn man manchmal Hilfe dazu benötigt und das Herz dabei zerbricht. Man kann auch so sein Leben weiterleben und das Herz wächst wieder zusammen, doch kommt man immer wieder an Stellen, an denen man nicht weitermachen kann und dann ist es gut, wenn man einen Ort wie den Hof der Hempstocks hat, der einem stets Heimat und Zuflucht sein kann und sei es nur für ein paar Stunden.


    Die Alltäglichkeiten des Lebens werden in einen zauberhaften und wunderbaren Kontext gesetzt und bei aller Trauer um vergangene Verluste bleibt noch die Hoffnung – und das Leben geht immer weiter...


    Ich habe geweint - also: 5ratten

  • Alleine wenn ich hier den Buchnamen lese, kommen gleich wieder einige schöne Erinnerungen ans Lesen zurück :smile:

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.

  • Bei mir auch ... war letztes Jahr eine meiner Weihnachtsurlaubslektüren und passt perfekt in diese Jahreszeit.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • 4ratten


    Es ist ein trauriger Anlass, der ihn in die Gegend seiner Kindheit führt. Zwischen Gottesdienst und Tee bleibt ihm noch eine Stunde und so fährt er in der Gegend herum. Ziellos wie er meint, doch plötzlich steht er vor einem Haus, wo früher sein Elternhaus stand. Statt nun zurückzufahren, nimmt er die Gegenrichtung und landet auf dem Hof der Hempstocks, die er aus seiner Kindheit kennt. Er sucht den Teich dort auf, an den er sich noch vage erinnert und setzt sich ans Ufer, wo ihm schlagartig alles wieder einfällt, was damals geschah...
    Dieser Beginn könnte der Anfang einer netten Kindheitsgeschichte sein, aber nicht, wenn sie Neil Gaiman erzählt ;) Der siebenjährige Ich-Erzähler ohne Namen wird nach dem überraschenden Besuch anderer Welten plötzlich mit Schrecknissen konfrontiert, die sich Erwachsene nicht vorzustellen wagen. Wesen ergreifen Besitz von ihm und seiner Familie, anderes Unheimliches muss helfen, will aber mehr undundund. Wenn der Junge nicht seine Freundin Lettie zur Seite hätte mit ihrem Ozean, er und die Welt wären verloren.
    Diese Geschichte handelt so ziemlich alle Themen ab, die mit der Kindheit verbunden sind. Unverbrüchliche Freundschaft, Vertrauen und dessen MIssbrauch, Einsamkeit, Angst, Leben, Tod und nichtzuletzt die große Liebe zu Büchern, die stets Hilfe leisten. Ein phantastisches Märchen mit Gruselfaktor, das alle Möglichkeiten offen lässt.

    Je mehr sich unsere Bekanntschaft mit guten Büchern vergrößert, desto geringer wird der Kreis von Menschen, an deren Umgang wir Geschmack finden.    Ludwig Feuerbach (1804 - 1872)

  • Es wurde hier ja schon sehr viel geschrieben über das Buch, deshalb spar ich mir die Zusammenfassung und den Inhalt und schildere nur erste Eindrücke, hab das Buch heute morgen fertig gelesen:


    Schon länger hab ich nichts mehr gelesen das mich derart überrascht und gefesselt hat. Die Geschichte ist unerwartet, unheimlich, stellenweise verstörend und im allerbesten Sinne phantastisch. Die im Kopf entstandenen Bilder wachsen vor dem inneren Auge, werden zu Gemälden, zu Geschichten in sich und wandern weiter in die Träume des Lesers (was allerdings durchaus auch zu einem Albtraum führen kann) . Das Erzählte hält die ganze Zeit über die Waage zwischen dem was man gemeinhin als Realität bezeichnet und dem was dahinter liegt, dem Universum das jeder einzelne Mensch in sich trägt und das sich immer und vollkommen von dem eines Anderen unterscheidet.

    Erzählt wird die Kindheitserinnerung eines Mannes, der eben von der Beerdigung seines Vaters kommt. Jeder der schon einen nahestehenden Menschen beerdigen mußte, weiß wie man sich dann fühlt, kennt das Gefühl der Leere, der Dunkelheit und der Unsicherheit angesichts der Trauer und der Endgültigkeit. In diesem Zustand erinnert sich der erwachsene Mann an traumatische Erlebnisse aus seiner Kindheit und vor allem daran was es für ihn im Innersten bedeutet hat und wie es sich für ihn angefühlt hat.


    Kürzlich las ich einen Satz von Stephen King : “Monsters are real. Ghosts are too. They live inside of us, and sometimes, they win.” (ich glaub es war sogar in einer Signatur hier im Forum) . Diesen Satz jedenfalls hätte man diesem Buch ebenso gut voranstellen können wie das gewählte Zitat von Maurice Sendac und es ist mir beim Lesen mehrmals durch den Kopf gegangen.
    Erzählt wird von den Monstern, den Ängsten, den Albträumen, die die oftmals unverständliche Welt der Erwachsenen in den Kindern manchmal hervorruft. Erzählt wird von der überbordenden Phantasie der Kindheit, die versucht die Lücken zu füllen, die entstehen, wenn man einfach noch nicht versteht was vor sich geht, sich klein, einsam und ausgeliefert fühlt und erzählt wird von den Bildern die diese Erschütterungen der Seele bei einem phantasiebegebabten Kind hervorrufen kann. Um diese Erinnerung zu vermitteln greift sich Neil Gaiman Elemente aus Mythen, Religionen, Märchen und Legenden und verwebt all diese Stücke viruos zu dem Stoff aus dem unsere Träume aber auch die Albtäume sind, die letztlich aus unserer inneren Welt entstehen, läßt ein Märchen ganz eigener Art entstehen. Wie bei Shakespeare zu lesen ist: "We are such stuff, as dreams are made on ..." , auch ein Satz der beim Lesen immer wieder im Hintergrund präsent war.


    Das Buch ist nichts für Leute die alles erklärt haben wollen, man muß das Mysteriöse, die Weite und die Unbestimmtheit aushalten können und man sollte einen Sinn für surreale Szenarien haben. Dies ist eins der Bücher für die man seinen Geist beim Lesen erweitern muß, um der Geschichte den Raum zu geben den sie braucht um sich in ihrer Vielschichtigkeit ausbreiten zu können und solche Bücher sind sehr rar, Bücher die ausbrechen aus dem Gewohnten und den starren Wänden des Erwarteten, diese Geschichte schägt Wurzeln im Kopf und wird weiter wachsen in den Gedanken des Lesers und das ist mit das Beste was man von jeder Geschichte sagen kann.


    Könnte sein, daß ich jetzt am Ende dieses lesetechnisch gesehen ziemlich mageren Jahres, doch noch mein Jahreshighlight gefunden habe. Vielleicht fang ich auch gleich nochmal von vorne zu lesen an.


    Diesmal vergebe ich tatsächlich volle


    5ratten








    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    7 Mal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Firiath : Ich hatte vor 3 Jahren einen ähnlichen Eindruck vom "Ozean" wie du. Leider bin ich bisher noch nicht dazu gekommen, noch mehr Bücher von Neil Gaiman zu lesen. Danke für deine Rezi!

    Einmal editiert, zuletzt von Lykantrophin ()

  • @Lycantrophin

    Ich kenn von ihm noch "Der Sternwanderer" welches ich auch in richtig positiver Erinnerung habe und uneingeschränkt empfehle, ein tolles Buch! "Niemalsland" hab ich ebenfalls gelesen und später sogar noch gehört, war davon aber nicht gänzlich begeistert war, wobei die Hörbuchversion für mich besser funktioniert hat. Lesend hatte es seine Längen, wird aber in der Erinnerung immer besser, seltsam eigentlich.

    "American Gods" hab ich vor Ewigkeiten mal angefangen, war mein erster Versuch mit dem Autor. Ich konnte aber damals nicht so viel damit anfangen und habs auch nicht beendet, wär vielleicht nochmal einen Versuch wert?

    Auf dem SuB liegt noch "Das Graveyardbuch" und "Der Fluch der Spindel"


    Ansonsten begegnet einem Neil Gaiman als Phantastik-Leser ja ständig irgendwo, sei es in Zitaten oder Erwähnungen verschiedenster Bücher oder in Verbindung mit Musikerinnen wie Tori Amos und seiner Frau Amanda Palmer - er ist ja auch ein recht umtriebiger Internet/Social Media-Nutzer und überhaupt sehr aktiv in vielerlei Bereichen. Mein Zugang zu ihm war nach dem gescheiterten Erstversuch mit "American Gods", sogar mehr über den Umweg der Buchillstration, für die ich immer schon einen ausgeprägten Faible hatte und viele seiner Bücher (u.a. eben "Sternwanderer" ) gibt es wunderschön illustriert. Im Grunde hat mich das dazugebracht es nochmal mit dem Autor zu versuchen.

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")