David Ballantyne - Sydney Bridge Upside Down

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    Der Autor: David Ballantyne (1924 - 1986) zählte zu den berühmtesten Autoren seines Heimatlandes Neuseeland. Ballantyne veröffentlichte insgesamt acht Romane, von denen "Sydney Bridge Upside Down" am bekanntesten ist. Der Roman wurde in seiner Heimat zunächst verhalten aufgenommen, weil Ballantyne darin kritisiert, dass Neuseeland vom Fleischexport lebt.


    Das Buch:
    Der Sommer 1968 wird für den 13-jährigen Harry unvergesslich bleiben. Nicht wegen aktueller politischer und gesellschaftlicher Ereignisse, denn das neuseeländische Hafenstädtchen Calliope Bay liegt am Ende der Welt und bekommt nicht viel davon mit. Aber im Sommer 1968 ereignen sich auch in Calliope Bay außergewöhnliche Dinge:
    Die Ankunft einer schönen, frühreifen Cousine bringt für Harry mindestens genauso viel Aufregung mit sich wie eine Reihe von mysteriösen Unglücksfällen für den Rest des Örtchens. Immer wieder kreuzt der alte Sam Phelps mit seinem klapprigen Pferd "Sydney Bridge Upside Down" Harrys Weg. Weiß der Alte mehr über die Vorgänge als er sagt?


    Meine Meinung:
    "Sydney Bridge Upside Down" ist ein verwirrendes Buch. Nicht zuletzt aufgrund des offenen Endes, das den Leser herausfordert, seine eigenen Schlüsse über die geschilderten Ereignisse zu ziehen. Auch die Protagonisten sind sehr ambivalent geschildert, angefangen von Harry bis hin zu Sam Phelps samt seinem titelgebenden Ross; Eigen- und Fremdwahrnehmung können hier durchaus auseinanderklaffen.
    So muss letztendlich auch der Leser entscheiden, wie er das verwirrende Potpourrie aus dem Kaff am Ende der Welt einordnen und was er von den Personen halten soll:
    Harry könnte ein pubertierender Teenager, der immer wider unfreiwillig in Schwierigkeiten gerät und so gut wie möglich versucht, mit dem Weggang der Mutter klarzukommen. Sam Phelps ist eine unheimliche Figur, die nicht viel redet, aber immer im Hintergrund präsent ist. Ist er gefährlich oder versucht er selbst nur, den Verursacher der mysteriösen Unglücksfälle herauszufinden?
    Ist Harrys frisch eingetroffene Cousine Caroline ein frühreifes Luder, das die Männer in ihrer Umgebung geschickt zu manipulieren versteht oder ist sie ein Opfer frühen Missbrauchs?


    Das Setting der Geschichte trägt ebenfalls zu der beklemmenden Atmosphäre bei:
    Calliope Bay ist ein öder, verlassener Ort. Harry kann die Häuser in seiner Straße, die noch bewohnt sind, an einer Hand abzählen. Viele sind schon weggezogen in der Hoffnung auf ein besseres Leben, denn nach Schließung der Fleischfabrik gibt es hier keine Perspektive mehr.
    Die verlassene Fleischfabrik thront auf dem Hügel über Calliope Bay und spielt für Harry und seine Freunde die Rolle eines Geisterhauses - immer wieder zieht es sie trotz der Warnungen ihrer Eltern dorthin, um zu rauchen, mit einer gestohlenen Pistole anzugeben und sich erwachsen zu fühlen. Harry meint, manchmal die Schreie der sterbenden Tiere hören und die Blutlachen sehen zu können.
    Überhaupt ist Calliope Bay alles andere als ein idyllisches kleines Städtchen. Viele dunkle Flecken werden nur angedeutet, aber nicht näher angesprochen. Man ahnt von Misshandlungen und Kindesmissbrauch; unter der ruhigen und verschlafenen Oberfläche scheint es zu gären.


    Mehr möchte ich gar nicht verraten, da "Sydney Bridge Upside Down" ein Buch ist, das sich nicht in Worte fassen lässt. Der Leser muss sich schon selbst darauf einlassen und auch bereit sein, sich aktiv damit auseinanderzusetzen. Wer nur alles bequem vorgesetzt bekommen möchte, für den ist es sicher nicht das richtige Buch.
    Ich selbst fand es merkwürdig, befremden und stellenweise zäh, doch selbst im Nachklang wirkt es immer noch eine gewisse Faszination auf mich aus. Allein über den titelgebenden Namen und die Rolle des Pferdes "Sydney Bridge Upside Down" lässt unzählige Interpretationen zu, weil man nur die allernötigsten Informationen bekommt und die entscheidenden Schlussfolgerungen selbst ziehen muss.
    Punktabzug gibt es, weil der Roman trotz seines überschaubaren Umfangs stellenweise sehr langatmig daherkam. Außerdem fehlte mir das Gefühl, in Neuseeland zu sein, etwas "spezifisch neuseeländisches" sozusagen. Calliope Bay hätte auch ein anderer Hafenort in einer strukturschwachen Region sein können, in Amerika, Australien, England oder sonst wo.
    Ich vergebe 3ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:
    für ein unbequemes Buch, das den Leser herausfordert, seine eigene Wahrnehmung und Urteilsfähigkeit zu hinterfragen.

  • “Sydney Bridge Upside Down” ist der Name eines Pferdes. Es zieht eine Lore in der Hafenanlage in einem abgelegenen Kaff, das nur noch aus wenigen bewohnten Häusern besteht seit die alte Schlachtfabrik zugemacht hat. Erzähler der 1968 erschienenen Geschichte ist Harry, 13 Jahre alt. In diesem Sommer ist seine Mutter in die Stadt verschwunden, dafür kommt aber die etwas ältere Cousine zu Besuch. Harry ist zwischen kindlichen Spielen und erster pubertärer sexueller Anziehung gefangen, zugleich will er sie und sein Heim vor Eindringlingen und eingebildeten wie echten Feinden schützen.


    Das Buch gilt als neuseeländischer Klassiker und es bietet tatsächlich jede Menge Analysepotential. Aber auch wenn man nicht jede Äußerung unter die Lupe nehmen will, kann man sich von der Geschichte einnehmen lassen, während man Harry von Kapitel zu Kapitel immer weniger Vertrauen entgegenbringt. Als Leser*in vermutet man schneller als Harry eine Ehekriese hinter der Abwesenheit der Mutter, aber Harry ist als Erzähler lange Zeit so wortkarg, was tatsächliche Geschehnisse angeht, dass man sich fragt, was er eigentlich alles vor sich selbst verschweigt und vor allem auch uns, die wir nur seine Perspektive haben, um hinter die Wahrheit zu kommen. Und während es zu Unfällen kommt, die die kleine Welt erschüttern, fragen wir uns, wie (un-)zuverlässig Harry als Erzähler wirklich ist.


    4ratten