Frauen im Mittelalter - und im Roman

Es gibt 34 Antworten in diesem Thema, welches 10.230 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kerstin.

  • Zitat von "fairy"

    Ich weiß nicht, ob man "Die Rechenkünstlerin" in diese "Die ..in" Schublade stecken kann, schließlich erschien das Buch schon 1998, so weit ich weiß. Und das Phänomen ist ja eher ein aktuelleres...


    Richtig, daher finde ich ja, dass hier viel zu stark verallgemeinert wird. Nicht alle historischen Romane, deren Titel "Die ..." lautet sind gleich. Und wie bereits erwähnt, oft sind es nicht die Autoren (zumindest nicht sie allein), die ihren Büchern die Titel geben.
    Ich erinnere mich an einen älteren Thread, in dem wir Cover-Ähnlichkeiten diskutiert haben. So kamen/kommen z. B. eine Zeit lang sehr viele Bücher heraus, die ein "Dan Brown" ähnliches Cover haben, da die Verlage damit bessere Verkaufszahlen erreichen wollen. Gleiches Vorgehen sehe ich bei der Titelvergabe.
    ...ich gehe mal nach dem Thread suchen...

  • Ich kenn noch ein Buch, das voll jedem Klischee entspricht, ohne ein "die ...in"-Buch zu sein:


    Ganz schröcklich. :rollen:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo, ihr Lieben!


    Als betroffene Autorin muß ich mich jetzt doch mal einmischen. ;)


    Zitat von "Sabine"

    Doch von einem Roman erwarte ich auch etwas Unterhaltung; es muss auch nicht immer hundertprozentig jede kleinste Kleinigkeit historisch korrekt sein - es genügt mir, mir vorstellen zu können "so könnte es vielleicht gewesen sein, warum nicht?".


    Das wäre der Idealfall -- die Realität sieht speziell für Autorinnen eher sehr, sehr bitter aus, wenn frau nicht ausschließlich das Schema "arme, schöne, superkluge und superstarke, geradezu unfehlbare Frauen setzt sich in grausamer, häßlicher, notgeiler Männerwelt mit weiblicher List und Charme durch, haut die Bösewichter übers Ohr und kriegt den verständnisvollen Softie" bedienen will.


    Es geht nicht um "Kleinigkeiten", sondern darum, daß das Gros der "historischen Romane" dem Etikett "historisch" in keinster Weise gerecht werden, sondern nur triviale Klischees und Vorurteile bedienen. Und zwar ganz grundsätzlich!


    Es ist richtig, daß Frauen im Mittelalter wesentlich mehr Möglichkeiten hatten als in der hochgelobten Neuzeit -- die Tiefpunkte findet ihr während Hexenwahn/30jährigem Krieg und im 19. Jh. Doch nicht nur deshalb sind die allermeisten Frauenromane historisch gesehen völliger Quark. Sie transportieren moderne Vorstellungen und Fragen in ein tatsächlich erfundenes "Mittelalter", das sich aus den Vorstellungen der Zigarrensammelbildchen des frühen 20. Jhs. speist.
    Die Päpstin ist ein besonders schlimmes Beispiel, dieses Buch hat bei vielen Leserinnen einen Nerv getroffen, aber mit historischer Realität hat das soviel zu tun wie leider die meisten "historischen" Romane aus der Feder US-amerikanischer Autorinnen, nämlich gar nichts.


    Problematisch für Autoren ist, daß viele Leser für wahr halten, was ihnen am besten schmeckt. Ob das nun Dan Browns Verschwörungstheorien sind oder Donna Cross "Mittelalter"-Phantasien, Jean Auels Pseudo-Steinzeit oder Marion Zimmer Bradleys Wicca-Bibeln: Die Popularität eines Autors bestimmt sowohl seine Glaubwürdigkeit als auch die Bewertung der sprachlisch-erzählerischen Wertigkeit seiner Romane.


    Die Trivialität der üerwältigenden Mehrheit der Publikation in diesem Genre hat inzwischen zu einer verheerenden Abwertung des Genre geführt. Als ich vor Erscheinen meines ersten Buches bei dem Versuch, Lesungen zu organisieren, einer hiesigen Buchhändlerin die Frage nach dem Genre stolz mit "historischer Roman" beantwortete, sah sich mit ein wenig mitleidig von oben nach unten an und erwiderte mit gespitzten Lippen: "Ach soooo ..." Das Thema Lesung war komplett erledigt, als rauskam, wann und wo die Handlung spielt und worum es geht: "Das verkauft sich nicht, da müssen sie schon eine neue Päpstin schreiben. So was, was die Leute für Mittelalter halten. Sie wissen schon."


    Nicht daß ich gegen diese Art Bücher einen Kreuzzug führen möchte -- das hat schon seine Berechtigung --, aber die Ausschließlichkeit, mit der dieser Kurs verfolgt wird, ist für Leser und Autoren, die etwas anderes in einem historischen Roman suchen, extrem frustrierend.
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Hallo zusammen !


    Zitat

    Sie transportieren moderne Vorstellungen und Fragen in ein tatsächlich erfundenes "Mittelalter", das sich aus den Vorstellungen der Zigarrensammelbildchen des frühen 20. Jhs. speist.


    Genau das ist es, was mich an den historischen Romanen auch nervt. Mich interessiert eben, was die Leute damals dachten und wussten und nicht unsere heutigen Anschauungen, geprägt durch z.B. die Aufklärung und durch Walter Scotts romantisches Mittelalter. Wenn man eine Weile schwerpunktmäßig über eine bestimmte Zeit liest, dazu noch zeitgenössische Autoren dann fallen die Unstimmigkeiten richtig ins Auge.


    Leider ist es schwer, die "guten" von den "schlechten" Büchern zu unterscheiden. Ich habe aber das Gefühl, dass es in letzter Zeit eher wieder besser geworden ist in dieser Hinsicht, oder ich habe einfach nur bei der Buchauswahl Glück gehabt.



    Gruß von Steffi

  • Zitat von "Steffi"

    Leider ist es schwer, die "guten" von den "schlechten" Büchern zu unterscheiden. Ich habe aber das Gefühl, dass es in letzter Zeit eher wieder besser geworden ist in dieser Hinsicht, oder ich habe einfach nur bei der Buchauswahl Glück gehabt.


    Dann wohl eher letzteres, gepaart mit leidgeschulten Augen. ;)
    Wenn ich mir die Verlagsvorschauen ansehe, hat die Flut anachronistischen Geschichtskitsches noch längst nicht ihren höchsten Stand erreicht.


    Naja, es ist halt wie in allen anderen Branchen: Jeder Trend wird solange gesurft, bis die Hersteller auf Bergen ihrer Ware sitzenbleiben. Da hilft es, wenn die Käufer immer kritischer werden.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Also ich habe die Romane
    Die Stimme
    Die Vision
    Die Hexe von Paris

    von Judith Merkle Riley nur so verschlungen und sie gehören zu meine Lieblingsbüchern. Ihre anderen Bücher habe ich alle im Regal stehen, bekomme gerade wieder Lust darauf...


    Jedenfalls ist es doch eigentlich wurscht ob dass alles historisch richtig ist, hauptsache tolle Unterhaltung ! Wer Fakten will, soll Fachbücher lesen :zwinker:


    Toll fand ich auch Die Waldgräfin von Dagmar Trodler, könnte sich doch durchaus so zugetragen haben !


    Und Die Päpstin fand ich auch toll, egal ob es so war oder nicht...

  • Zitat von "Jona77"

    Jedenfalls ist es doch eigentlich wurscht ob dass alles historisch richtig ist, hauptsache tolle Unterhaltung ! Wer Fakten will, soll Fachbücher lesen :zwinker:


    Das ist Quatsch, weil in zumindest in Sachbüchern ebensoviel Unsinn verbreitet wird wie in Romanen. Da besteht leider absolut kein Unterschied.


    Nix gegen Spannung und Unterhaltung, aber man sollte das Produkt dann auch so nennen dürfen wie es ist: trivial.
    Liebe Grüße, :blume:
    Iris :sonne:

  • Wenn die Sachbücher auch nicht korrekt sind, woher weiß man dann so genau wie es war ? Wie bekommt man herraus, welche Literatur gut recherchiert ist und welche nicht ??


    Ich finde es aber natürlich trotzdem gut, wenn sich jemand der historische Romane schreibt, genau über die Themen informiert die er ansprechen möchte. Ich würde auch nicht versuchen ein politisches Buch zu schreiben ohne überall genau nachzuschauen/nachzulesen, Hintergründe zu recherchieren etc. Aber ich denke z.B. Merkle Rileys Bücher werden nicht von Leuten gelesen die anspruchsvolle historische Literatur suchen. Mir ist eben der Unterhaltungswert wichtiger, anderen die historische Genauigkeit ! Hab ich kein Problem mit.


    Die Päpstin wurde im Forum öfter genannt und als schlecht recherchiert dargestellt. Aber wie ich schon sagte, wenn man denn Romane liest, sollte man dann wirklich immer erwarten das der Schriftsteller keine eigene Fantasy einfließen lässt ? Sollte er natürlich nicht, wenn auf der Buchrückseite -nach einer wahren Begebenheit- etc. steht.


    Iris@, Du kennst Dich ja aus, heißt -nach einer wahren Begebenheit- eigentlich "genau so war es" oder "so ähnlich war es", hab ich mich schon öfter gefragt...

  • Zitat von "Jona77"


    Ich finde es aber natürlich trotzdem gut, wenn sich jemand der historische Romane schreibt, genau über die Themen informiert die er ansprechen möchte. Ich würde auch nicht versuchen ein politisches Buch zu schreiben ohne überall genau nachzuschauen/nachzulesen, Hintergründe zu recherchieren etc. Aber ich denke z.B. Merkle Rileys Bücher werden nicht von Leuten gelesen die anspruchsvolle historische Literatur suchen. Mir ist eben der Unterhaltungswert wichtiger, anderen die historische Genauigkeit ! Hab ich kein Problem mit.


    Solange in den Quellen angegeben ist, was historisch stimmig ist und in welchen Punkten der Autor etwas dazu erfunden hat, ist ja auch alles in Ordnung. Nerven tut es nur, wenn alles als absolut wahr verkauft wird. :rollen:

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Iris"


    Das ist Quatsch, weil in zumindest in Sachbüchern ebensoviel Unsinn verbreitet wird wie in Romanen.


    Ich würde ja unterscheiden zwischen Sachbüchern, geschrieben von einem (leider oft auch selbsternannten, oder allenfalls journalistisch ausgebildeten Second-Hand-)Fachmann für den Laien, und den Fachbüchern, geschrieben vom Fachmann für den Fachmann, also mit wissenschaftlichem Anspruch auf korrekte Widergabe der Fakten. (Wobei oben genannte Personen gerne auch weiblich sein dürfen!)


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Zitat von "Jona77"

    Wenn die Sachbücher auch nicht korrekt sind, woher weiß man dann so genau wie es war ? Wie bekommt man herraus, welche Literatur gut recherchiert ist und welche nicht ??


    Indem man Quellen untersucht, vergleicht, die Tendenzen und Interessen der Verfasser sowie die Entstehungssituation der Quelle mit heranzieht, frühere Ergebnisse betrachtet, seinen eigenen Standpunkt hinterfragt ...
    Irgendwann während dieses unendlichen Verfahrens kristallisiert sich dann etwas heraus, das einem als die wahrscheinlichste Variante vorkommt, und die behandelt man dann -- zusammen mit allen annähernd wahrscheinlichen Varianten und dem, was andere vor einem für die wahrscheinlichste hielten. Das ist Wissenschaft.
    Eine absolute Wahrheit gibt es nicht. :)


    Edit: Ob ein historischer Roman trivial ist, entscheidet sich auch nicht allein an der historischen Genauigkeit, sondern auch an der literarischen Qualität, also am Stil, an der Erzählweise, an der Relevanz der Erzählung für unser eigenes Dasein ... Das bedeutet keineswegs, daß ein Text "schwierig" sein muß, er muß seine "Message" auch nicht wie auf einem Transparent vorantragen. Es ist ein stimmiges Gesamtbild, das aus einem Roman einen guten Roman macht, nicht die Anzahl der Käufer -- obwohl sich das nicht ausschließen muß. :)


    Sachbuchautoren pflücken sich meist nur daraus, was ihnen am besten in die eigene Theorie paßt, Romanautoren gehen letztendlich nach der Handlung, die sie sich ausgedacht haben. In beiden Fällen wird meist zurechtgebogen, was sich nicht von alleine ins Schema fügt.
    Das ist einfach normal.
    Es dürfte sogar füre inen gewissenhaften Autor schwierig sein, genau zwischen einer historischen Realität und der selbst geschaffenen, fiktiven Welt zu unterscheiden.


    Zitat

    Aber ich denke z.B. Merkle Rileys Bücher werden nicht von Leuten gelesen die anspruchsvolle historische Literatur suchen. Mir ist eben der Unterhaltungswert wichtiger, anderen die historische Genauigkeit ! Hab ich kein Problem mit.


    Ich habe auch nichts dagegen, daß Leser für solche Bücher schwärmen, schiele auch nicht neidisch auf den Erfolg (die wenigsten Autoren haben wirklich etwas davon). Was mich stört -- und diese Diskussion hatten wir schon einige Male -- ist, daß man es nicht beim Namen nennen darf, weil sonst die Fans beleidigt sind.
    Ich habe ein Faible für Comics und aus alter Treue auch für "all things Star Trek". Das ist trivial, das weiß ich, und es stört mich überhaupt nicht, daß ich eine triviale Ader habe. M.A.n. hat die jeder Mensch. Wohlfühlliteratur, -filme, -kleidung, -nahrung sind Dinge, die ein Mensch einfach braucht. Aber man soll bitte verdammichnocheins! nicht so tun, als sei das in irgendeiner Weise wirklich hochwertig als Literatur, Film, Kleidung oder Nahrung! ;)


    Zitat

    Iris@, Du kennst Dich ja aus, heißt -nach einer wahren Begebenheit- eigentlich "genau so war es" oder "so ähnlich war es", hab ich mich schon öfter gefragt...


    Bestenfalls "so ähnlich könnte es gewesen sein". ;)
    Dabei werden meist nur einzelne Daten oder Motive aufgegriffen und drumherum eine Geschichte konstruiert. Stell dir vor, du liest eine Notiz in der Zeitung, in deinem Heimatort sei ein Mord passiert, und du erzählst eine Geschichte, wie du denkst, daß es gewesen sein könnte.
    Liebe Grüße :blume:
    Iris :sonne:

  • Zitat von "Iris"

    Aber man soll bitte verdammichnocheins! nicht so tun, als sei das in irgendeiner Weise wirklich hochwertig als Literatur, Film, Kleidung oder Nahrung! ;)


    Das hat hier in diesem Thread eigentlich auch niemand. Zumindest ging es nicht darum - vielmehr ging es um die Rolle der Frau im Mittelalter und wie diese in Romanen dargestellt wird ;)


    Ich hatte gehofft, dass ich erfahre, ob es überhaupt empfehlenswerte Bücher gibt, die sowohl im Mittelalter spielen, als auch von einer Frau handeln.


    Für die Historische Genauigkeit haben wir ja einen entsprechenden Thread.


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • In der Leserunde zu "Orlando Furioso" habe ich gelernt, dass die Gleichstellung der Frau mit der Reformation von Luther den Bach runter ging.
    Vielleicht sollte man daher historische Romane die vor dieser Zeit spielen, lesen.


    Ich persönlich finde es schon recht hilfreich wenn im Anhang Quellen genannt werden ,welcher der Autor sich bedient hat. Hier scheint mir immerhin der Versuch von historischer Genauigkeit vorzuliegen.

  • Ich fand es schon sehr erschreckend, das gerade Bücher wie "Die Waldgräfin" als empfehlenswert gehandelt werden (von der Päpstin ganz zu schweigen).
    Ich selbst lese gerne Mittelalter-Romane und auch gerne Romane über Frauen(-leben), habe aber festgestellt, dass sich das für mich nicht vereinbart! Gerade Romane wie die Waldgräfin sind vollgestopft mit verschiedenen Einflüssen, von denen die Autorin wohl dachte, dass sie alle zusammen das Buch irgendwie interessanter machen. Hier ein bisschen deutsches Mittelalter, da ein wenig Judentum, ein Schuss Orient, etwas Nordländisches und so weiter und so fort. So etwas hätte wirklich so geschehen können? Das ich nicht lache!!
    Es ist schon richtig, wenn es heißt, dass das Leben der Frau im Mittelalter nicht so eingeschränkt war, wie wir es uns oft vorstellen. Aber warum müssen dann immer diese liebenswerten :sauer: "Superweiber" entstehen? Warum nicht einmal ein Roman über ein ganz durchschnittliches Frauenleben? Und kommt mir jetzt nicht damit, dass so etwas nicht ausreichend Stoff für einen gutes Buch geben würde...
    Schlussendlich finde ich es überaus interessant, was Rebecca Gable in "Die Hüter der Rose" getan hat: sich eine historische Frauenfigur zu nehmen und diese zu beschreiben, obwohl man eine Abneigung gegen sie hegt. Klasse! Ist doch mal ehrlicher als immer dieses Gewäsch.