Diskussion: Sarit Yishai-Levi - Die Schönheitskönigin von Jerusalem

Es gibt 63 Antworten in diesem Thema, welches 10.595 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Vorleser.


  • Das Problem mit Zitaten die sich auf etwas vorhergesagtem beziehen, ist dass sie keinen oder einen falschen Sinn ergeben. Ich habe mit keiner Silbe gesagt, dass es damals keine Gewalt gegeben hat, falls du mal guckst was ich vorher geschrieben habe.


    Für mich ergab das - auch mit Deinem Posting zuvor - durchaus Sinn.
    Du hast zuerst geschrieben, dass Du Israel bislang als Kriegstreiber wahrgenommen hast und dass das heute auch zutreffen mag, Du die Grundlagen dafür aber in der Vergangenheit siehst. Richtig?
    Auf Tinas Beitrag hast Du dann erwidert, dass "das" damals nicht der Fall war und ich nehme an, dass Du Dich auf die "Kriegstreiberei" bezogen hast. Korrekt?


    In meinem Beitrag (mit Deinem Zitat) habe ich möglicherweise den Fehler begangen, das Wort Kriegstreiber mit dem Wort Gewalt zu ersetzen (weil mir das erste Wort sehr sauer aufstößt)... Insgesamt wollte ich die Diskussion von solch einseitigen Bezeichnungen wegbringen, weil sie nicht zweckdienlich sind und den Schuldigen schon von vorne herein benennen. Ich denke, dass man zur Beurteilung des Nahostkonflikts die gesamte Entwicklung betrachten muss - nicht nur Episoden. Das hast Du ja ebenfalls geschrieben und mein Beitrag zielte in diese Richtung.


    Zitat

    Ich muss aber wiederholen, dass ich es ablehne, das Buch auf Krieg und Besatzung und Schuldfrage zu reduzieren. :winken:


    Und was sie Reduzierung angeht, stimme ich Dir vollkommen zu. Aber kein Roman, keine Geschichte, keine Erzählung in Israel funktioniert gänzlich ohne dieses Thema. Denn selbst wenn so manche Familie (weniger bei den Aschkenazim) ohne einen direkten Berührungspunkt mit der Shoa auskommt - ohne den Bezug zur aktuellen politischen Lage kommt wohl keine israelische Familie aus.
    Mich hat es sehr verwundert, mit welcher stoischen Gelassenheit Israelis ihren Alltag meistern. Aber wie sollten sie sonst auch leben können? Wir sind betroffen, wenn wir von Paris und Brüssel hören - in Israel ist so etwas Alltag. Und das merkt man auch diesem Buch an - genauso wie die Spannungen unter den jüdischen Israelis.

    Liebe Grüße

    Tabea

    Einmal editiert, zuletzt von dubh ()

  • Dann will ich auch mal meine Eindrücke in die Runde werfen, zunächst ohne Eure Postings gelesen zu haben. Beziehungsweise habe ich den ersten Absatz von dubhs Beitrag gelesen und muss sagen, dass es mir ähnlich ging. Zwar wusste ich doch so gut wie immer, wer gerade spricht und um wen es geht, aber die Sprünge in Zeit, Erzählstimme und Tempus mochte ich nicht besonders. Gerade wenn Gabriela von Ereignissen erzählt, die vor ihrer Geburt stattgefunden haben oder zu einem Zeitpunkt, an den sie sich unmöglich selbst erinnern kann, hätte ich einen durchgängigen allwissenden Erzähler gelungener gefunden.


    Sehr interessant hingegen ist der historische Hintergrund. Ich weiß zwar ein klein wenig über die Entstehungsgeschichte des Staates Israel, aber es ist schon länger her, dass ich mich damit befasst hatte. Den Einblick in die Lebensgewohnheiten dort, vor und nach der Staatsgründung, fand ich sehr spannend, ebenso die Spaniolen (von denen hatte ich noch nie gehört und fand vor allem die Sprache interessant) und die Rivalitäten und gegenseitige Ablehnung zwischen sephardischen und aschkenasischen Juden ziemlich traurig. Die Menschheit ist schon blöd, immer etwas Trennendes zu suchen, statt das Verbindende zu sehen!


    Der rote Faden, der sich durch gleich mehrere Generationen der Ermozas zieht, sind die lieblosen Ehen. Fast war es mir ein bisschen zu konstruiert, dass sämtliche Erstgeborene, ob Männlein oder Weiblein, nicht mit ihrer großen Liebe zusammen sein dürfen und jahrzehntelang mit Partnern verheiratet sind, für die sie nichts oder nur wenig empfinden. Eine grässliche Vorstellung! (Wobei das bei Luna etwas anders ist, sie war ja durchaus in David verliebt am Anfang. Da war es erst nur er, der Isabella nachgetrauert hat, bis Luna dann im Krankenhaus Gidi kennenlernte, der zu Beginn schon als "der rothaarige Onkel im Rollstuhl" kurz aufgetaucht ist.)


    Die Ermoza-Frauen habe ich allesamt als sperrige Charaktere empfunden, zumindest die, die Hauptrollen spielten. Merkada allen voran - wie sie Gabriel die Schuld am Tod seines Vaters angehängt hat und dadurch seine Pläne zerstört hat, gegen allen Widerstand seine Rochel zu heiraten, war einfach unmöglich :grmpf: Bei ihr habe ich das kühle Auftreten nicht so ganz mit ihrem Aberglauben unter einen Hut gebracht. Dass der Glaube an Geister und Dämonen auch bei den Juden damals noch eine so große Rolle spielte, war mir nicht klar.


    Rosa war mir erst auch nicht so recht sympathisch, sie hat mir aber im Verlauf des Buches immer mehr leid getan. Ihr Mann liebt sie nicht, schläft nur einige wenigen Male pflichtbewusst mit ihr und lässt sie ansonsten weitgehend links liegen. Gabriel mochte ich eigentlich, aber diese Aischa-Geschichte ... was für eine bescheuerte Doppelmoral ist das denn, dass es okay ist, wenn er es nebenbei mit einer Araberin treibt, er aber niemals mit einer jüdischen Hure schlafen würde? :vogelzeigen:


    Luna benimmt sich als Kind und Heranwachsende ihrer Mutter gegenüber wirklich ekelhaft, mit dem Gang zur Polizei als "Höhepunkt". Ein bisschen musste ich da trotz allem schmunzeln, aber Rosas Verzweiflung angesichts des widerspenstigen Mädchens war auch mehr als nachvollziehbar. Und als ob all die Probleme innerhalb der Familie nicht genug wären, ziehen sich nach dem Mord an Matilda auch noch sämtliche Freundinnen von Rosa zurück, aus falsch verstandener Loyalität zu Matildas Familie. Als ob Rosa etwas dafür könnte, was ihr Bruder tut (oder vielleicht auch gar nicht getan hat).


    Ein bisschen schade fand ich, dass vieles, was den geschichtlichen Hintergrund betrifft, nur angerissen wurde. Ich hätte mir ein Glossar oder erklärendes Nachwort gewünscht, um Begriffe wie Stern, Lechi oder Hagana besser einordnen zu können. Man konnte sich zwar grob vorstellen, dass es sich um politische Bewegungen handelte, die teils auch gewaltbereit waren, aber ein wenig mehr Hintergrundinformation hätte mir sehr geholfen. In dem Zusammenhang hat mich Rachelika überrascht, die zuvor immer so folgsam und brav erschien und auf einmal ihre Familie hinters Licht führt, weil sie sich der Hagana anschließen will.


    Mit Luna bin ich bis zum Schluss nicht warm geworden, doch die Geschichte mit Gidi hat mich trotzdem berührt. Was wohl geschehen wäre, wenn sich diese beiden Seelenverwandten eher kennengelernt hätten? Er war, wie mir schien, der erste Mensch, mit dem sie ganz offen sein konnte, und es hat mich nicht gewundert, dass sie immer wieder seine Nähe gesucht und sich auch mit anderen aus der Krankenhauszeit getroffen hat. Mit all diesen Menschen verband sie etwas, das sie ihrer Familie nicht mal ansatzweise vermitteln konnte.


    Zwischen Gabriela und Luna setzt sich dann der Mutter-Tochter-Konflikt noch heftiger fort. Kann Gabriela gespürt haben, dass Luna sie nach der Geburt abgelehnt hat? Die lange Trennung durch den Krankenhausaufenthalt macht die Sache natürlich auch nicht besser. Dass Gabriela Luna nach ihrem frühen Tod dann so heftig vermisst, war für mich ziemlich überraschend. Trauert sie um verpasste Chancen, das Verhältnis zu bessern? Oder vermisst sie erst recht die Mutter, die sie nie hatte?


    Alles in allem fällt es mir ein bisschen schwer, ein Fazit zum Buch zu ziehen. Die kulturellen und historischen Hintergründe fand ich, wie gesagt, sehr spannend, die Familiengeschichte war mir ein wenig zu sehr auf Parallelen zwischen den Generationen angelegt.


    Und jetzt schau ich erst mal, was Ihr schon so geschrieben habt. Sorry, dass ich so spät dazustoße, aber ich war in den letzten beiden Tagen mit dem wahren Leben ziemlich beschäftigt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich war leider noch nie in Israel, aber auch für Leser, die das Land nicht kennen, vermittelt das Buch viel, hm, nennen wir's mal "Flair", was ich jetzt aber nicht romantisierend meine. Man merkt, dass es sich um ein ungewöhnliches Land mit einer ungewöhnlichen Geschichte handelt, etwas, das es so kein zweites Mal gibt und dass da in besonderem Maße Kulturen aufeinandertreffen.


    Zitat von dubh

    Zum Beispiel diese Situation auf dem Balkon, wenn alle das Spiel von Beitar Jerusalem FC verfolgen und der Hapoel-Anhänger David dazwischen ist und mehr oder weniger die Situation zu ertragen versucht.


    Das fand ich auch herrlich!


    Zitat von Vorleser

    Hier kommt mal wieder schön die Frage auf, ob arrangierte Ehen besser oder schlechter sind als Liebesheiraten. Wir haben hier ja ein negatives Beispiel für jede Art.


    Die Ehe zwischen David und Luna würde ich am Ende des Tages (ich nehme an, dass Du die meinst) ganz bestimmt nicht als Liebesheirat bezeichnen. Zu einer echten Liebesheirat gehört, dass die tiefen Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen. Das war bei den beiden seitens David von Anfang an nicht der Fall.


    Die Vergleiche mit Familiensagas berühmter Autoren finde ich unpassend (überhaupt nervt mich diese Marotte, alles immer mit Erfolgsbüchern vergleichen zu müssen). Das Buch von Amos Oz kenne ich nicht, aber mit den Buddenbrooks hat dieses Buch nur wenig gemeinsam, abgesehen davon, dass über mehrere Generationen die Geschichte einer Familie erzählt wird und es da so einiges Unglück zu berichten gibt.


    Sehr traurig fand ich übrigens den Moment, als der Laden doch verkauft werden musste :traurig:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Ich war leider noch nie in Israel, aber auch für Leser, die das Land nicht kennen, vermittelt das Buch viel, hm, nennen wir's mal "Flair", was ich jetzt aber nicht romantisierend meine. Man merkt, dass es sich um ein ungewöhnliches Land mit einer ungewöhnlichen Geschichte handelt, etwas, das es so kein zweites Mal gibt und dass da in besonderem Maße Kulturen aufeinandertreffen.


    Ja, Flair trifft es nicht ganz, aber die Atmosphäre kommt sehr gut rüber. Und all dieser Aberglaube hat mich auch überrascht, immerhin war es ja schon Mitte des 20 Jahrhunderts. Ob das an der fehlenden Bildung lag? Die Leute haben zwar alle ehrlich gearbeitet, aber nur Rachelika hat ja offensichtlich mehr Bildung genossen als die Anderen.


    Die Ehe zwischen David und Luna würde ich am Ende des Tages (ich nehme an, dass Du die meinst) ganz bestimmt nicht als Liebesheirat bezeichnen. Zu einer echten Liebesheirat gehört, dass die tiefen Gefühle auf Gegenseitigkeit beruhen. Das war bei den beiden seitens David von Anfang an nicht der Fall.


    Nicht von Davids Seite, obwohl er anfangs ja verliebt war, aber von Lunas Seite aus (die es ja auch nicht besser wusste).


    Für mich ergab das - auch mit Deinem Posting zuvor - durchaus Sinn.
    Du hast zuerst geschrieben, dass Du Israel bislang als Kriegstreiber wahrgenommen hast und dass das heute auch zutreffen mag, Du die Grundlagen dafür aber in der Vergangenheit siehst. Richtig?
    Auf Tinas Beitrag hast Du dann erwidert, dass "das" damals nicht der Fall war und ich nehme an, dass Du Dich auf die "Kriegstreiberei" bezogen hast. Korrekt?


    In meinem Beitrag (mit Deinem Zitat) habe ich möglicherweise den Fehler begangen, das Wort Kriegstreiber mit dem Wort Gewalt zu ersetzen (weil mir das erste Wort sehr sauer aufstößt)... Insgesamt wollte ich die Diskussion von solch einseitigen Bezeichnungen wegbringen, weil sie nicht zweckdienlich sind und den Schuldigen schon von vorne herein benennen. Ich denke, dass man zur Beurteilung des Nahostkonflikts die gesamte Entwicklung betrachten muss - nicht nur Episoden. Das hast Du ja ebenfalls geschrieben und mein Beitrag zielte in diese Richtung.


    Ja, genau. :winken:


    Und was sie Reduzierung angeht, stimme ich Dir vollkommen zu. Aber kein Roman, keine Geschichte, keine Erzählung in Israel funktioniert gänzlich ohne dieses Thema. Denn selbst wenn so manche Familie (weniger bei den Aschkenazim) ohne einen direkten Berührungspunkt mit der Shoa auskommt - ohne den Bezug zur aktuellen politischen Lage kommt wohl keine israelische Familie aus.
    Mich hat es sehr verwundert, mit welcher stoischen Gelassenheit Israelis ihren Alltag meistern. Aber wie sollten sie sonst auch leben können? Wir sind betroffen, wenn wir von Paris und Brüssel hören - in Israel ist so etwas Alltag. Und das merkt man auch diesem Buch an - genauso wie die Spannungen unter den jüdischen Israelis.


    Es muss schlimm sein, in so einer Atmosphäre zu leben -- und das schon seit ewigen Zeiten. Vermutlich bleibt einem wirklich nichts anderes übrig, als sein Leben zu leben.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein


  • Gerade wenn Gabriela von Ereignissen erzählt, die vor ihrer Geburt stattgefunden haben oder zu einem Zeitpunkt, an den sie sich unmöglich selbst erinnern kann, hätte ich einen durchgängigen allwissenden Erzähler gelungener gefunden.


    Vermutlich wäre die Geschichte dann "runder" zu lesen gewesen. So war doch ein wenig Arbeit dabei, denn ich holperte an der ein oder anderen Stelle vor mich hin... :zwinker: Aber das soll nicht wirklich negativ klingen, denn wenn ich bedenke, wie umfangreich das Buch ist, hat mich diese Erzählweise nicht wirklich nennenswert beeindruckt. Oder anders gesagt: ich hätte das Buch auch ohne Leserunde gerne gelesen!


    Zitat

    Sehr interessant hingegen ist der historische Hintergrund. Ich weiß zwar ein klein wenig über die Entstehungsgeschichte des Staates Israel, aber es ist schon länger her, dass ich mich damit befasst hatte. Den Einblick in die Lebensgewohnheiten dort, vor und nach der Staatsgründung, fand ich sehr spannend, ebenso die Spaniolen (von denen hatte ich noch nie gehört und fand vor allem die Sprache interessant) und die Rivalitäten und gegenseitige Ablehnung zwischen sephardischen und aschkenasischen Juden ziemlich traurig. Die Menschheit ist schon blöd, immer etwas Trennendes zu suchen, statt das Verbindende zu sehen!


    Allerdings. Klischees, Vorurteile und Rassismus sind Themen, die uns leider überall mehr oder weniger begegnen. In Israel ist mir das besonders im Zusammenhang mit den Falasha (äthiopische Juden) in Tel Aviv aufgefallen: viele leben und arbeiten in einem trostlosen Viertel nahe des Zentralen Busbahnhofes. Auf mich hat das nicht wirklich nach Integration ausgesehen und die Diskussion innerhalb der israelischen Gesellschaft nach den "Rückführungen" in den 70er, 80er und 90er Jahren deutet ja auch in eine eher schwierige Richtung.


    Zitat

    Die Ermoza-Frauen habe ich allesamt als sperrige Charaktere empfunden, zumindest die, die Hauptrollen spielten. Merkada allen voran - wie sie Gabriel die Schuld am Tod seines Vaters angehängt hat und dadurch seine Pläne zerstört hat, gegen allen Widerstand seine Rochel zu heiraten, war einfach unmöglich :grmpf:


    Ja, sperrig und schwierig trifft den Nagel auf den Kopf. Und mit Merkada hast Du schon die schwierigste unter alles ausgewählt. Gegenüber ihr empfinde ich wirklich die größte Abneigung, denn einige ihrer Handlungen sind wirklich schon böse zu nennen. Gabriel so anzugehen und dann einfach aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen und später ohne ein Wort nach Tel Aviv... unmöglich, ehrlich. Damit hat sie das Unglück mindestens zweier Leben auf dem Kerbholz.


    Zitat

    Bei ihr habe ich das kühle Auftreten nicht so ganz mit ihrem Aberglauben unter einen Hut gebracht. Dass der Glaube an Geister und Dämonen auch bei den Juden damals noch eine so große Rolle spielte, war mir nicht klar.


    Interessant fand ich auch die Taktik mit den roten Bändern am Handgelenk (Seite 90): schon zuvor hatte ich das Gefühl, an Kabbalisten erinnert zu werden, hier gibt es dann den ersten deutlichen Hinweis an die alte mystische Ausrichtung innerhalb des Judentums. Wenn ich im Anschluss richtig recherchiert habe, hat sich die Kabbalah auch erstmals in Nordspanien ausgebreitet, ebenso wie ihre erste wichtige Schrift, die Zohar, aus Spanien stammt.
    Es gibt jedenfalls auch heute (nicht-jüdische) Anhänger dieser Lehre, wenn ich mich recht entsinne zählt Madonna dazu. Und allesamt tragen sie dieses rote Bändchen...
    Dann wird noch mehrfach Lilith erwähnt - eine "Göttin", die ich so gar nicht mit dem Judentum in Verbindung gebracht hätte. Aber auch hier zeigte die Recherche, dass sie ihren Ursprung in der sumerischen/ mesopotamischen Religion erstmal auftaucht, später auch bei den Aramäern - also alles Kulturen, die mit den Juden Berührungspunkte hatten.


    Zitat

    Rosa war mir erst auch nicht so recht sympathisch, sie hat mir aber im Verlauf des Buches immer mehr leid getan. Ihr Mann liebt sie nicht, schläft nur einige wenigen Male pflichtbewusst mit ihr und lässt sie ansonsten weitgehend links liegen. Gabriel mochte ich eigentlich, aber diese Aischa-Geschichte ... was für eine bescheuerte Doppelmoral ist das denn, dass es okay ist, wenn er es nebenbei mit einer Araberin treibt, er aber niemals mit einer jüdischen Hure schlafen würde? :vogelfeigen:


    Auch hier spielt der "Wert" eines Menschen eine Rolle, nicht wahr? Sehr traurig, diese Vorstellung Gabriels. Rosa hat durchaus auch Mitleid, auch wenn sie wirklich keine Sympathieträgerin ist. Diese nicht vorhandene Nähe, dieses Gefühl des Ungeliebtseins, was macht das mit einem Menschen? Sie hatte solch eine Hoffnung zu Anfang... Zum Glück fühlt sie sich dann Gabriela nahe und merkt, dass ihre Enkelin sie liebt.


    Zitat

    Ein bisschen schade fand ich, dass vieles, was den geschichtlichen Hintergrund betrifft, nur angerissen wurde. Ich hätte mir ein Glossar oder erklärendes Nachwort gewünscht, um Begriffe wie Stern, Lechi oder Hagana besser einordnen zu können. Man konnte sich zwar grob vorstellen, dass es sich um politische Bewegungen handelte, die teils auch gewaltbereit waren, aber ein wenig mehr Hintergrundinformation hätte mir sehr geholfen.


    Ein Thema, das mich schon lange sehr interessiert, deshalb ist es mir gar nicht so sehr aufgefallen. Aber Du hast recht, hier wäre ein wenig Erklärung für nicht-israelische LeserInnen wünschenswert gewesen.
    Die israelischen Streitkräfte (IDF) basieren vor allem auf den großen Untergrundorganisationen Hagana und Palmach, haben aber auch durchaus terroristische Strömungen wie Irgun und Lechi symbolisch aufgenommen. Einzelne Irgun-Mitglieder haben beispielsweise in den 50er Jahren eine Briefbombe an eine Delegation Adenauers verschickt, um gegen die deutschen Wiedergutmachungsverhandlungen zu "protestieren". Gemeinsam mit dem Lechi verübte die Irgun 1948 das Massaker in Dair Yāsīn, bei dem 100 bis 120 Menschen getötet wurden; die andere große "Aktion" war der Sprengstoffanschlag auf das King David Hotel mit über 90 Toten. Besonders der langjährige Kommandeur der Irgun und spätere Ministerpräsident Israels, Menachem Begin, ist für mich ein ausgesprochen fragwürdige Gestalt.


    Zitat

    Mit Luna bin ich bis zum Schluss nicht warm geworden, doch die Geschichte mit Gidi hat mich trotzdem berührt. Was wohl geschehen wäre, wenn sich diese beiden Seelenverwandten eher kennengelernt hätten? Er war, wie mir schien, der erste Mensch, mit dem sie ganz offen sein konnte, und es hat mich nicht gewundert, dass sie immer wieder seine Nähe gesucht und sich auch mit anderen aus der Krankenhauszeit getroffen hat. Mit all diesen Menschen verband sie etwas, das sie ihrer Familie nicht mal ansatzweise vermitteln konnte.


    Ja, Luna zeigt hier zum ersten Mal so etwas wie menschliche Nähe. Diese Zeit im Krankenhaus hat sie sehr bewegt und beschäftigt, aber es hat sie nicht zu einer offeneren und wärmeren Person gemacht. Eigentlich eine sehr traurige Erkenntnis, denn ich denke, dass solche Menschen auch selbst sehr leiden.


    Zitat

    Dass Gabriela Luna nach ihrem frühen Tod dann so heftig vermisst, war für mich ziemlich überraschend. Trauert sie um verpasste Chancen, das Verhältnis zu bessern? Oder vermisst sie erst recht die Mutter, die sie nie hatte?


    Von beidem etwas, würde ich meinen. Es ist die Endgültigkeit, die selbst bei den verkorkstesten Beziehungen die Trauer so heftig werden lässt... Plötzlich kann man die Fragen, nach einer möglichen Annäherung abhaken. :rollen:

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Zitat

    Zwar wusste ich doch so gut wie immer, wer gerade spricht und um wen es geht, aber die Sprünge in Zeit, Erzählstimme und Tempus mochte ich nicht besonders.


    Die Sprünge haben hat mich auch manchmal durcheinander gebracht, dass ich Seiten zurückblätterte und noch einmal las. Manchmal kam die Autorin selbst durcheinander. In einer Szene wird Luna aus dem Krankenhaus entlassen, und kurz darauf fällt sie in Ohnmacht, Rosa läuft wie ein aufgescheuchtes Huhn umher, bevor Gabriel sie zur Vernunft bringt. Danach gab es einen Zeitsprung, Luna wird vergessen und nie wieder erwähnt.


    Zitat

    Fast war es mir ein bisschen zu konstruiert, dass sämtliche Erstgeborene, ob Männlein oder Weiblein, nicht mit ihrer großen Liebe zusammen sein dürfen und jahrzehntelang mit Partnern verheiratet sind, für die sie nichts oder nur wenig empfinden.


    Sehr realistisch war das nicht, aber es hat nicht gestört. Das hat dem Buch etwas märchenhaftes gegeben. Genau wie Luna, die allerschönste Frau, Gabriel, der gute Sohn und Merkata, die bitterböse Schwiegermutter.


    Zitat

    Auch hier spielt der "Wert" eines Menschen eine Rolle, nicht wahr? Sehr traurig, diese Vorstellung Gabriels. Rosa hat durchaus auch Mitleid, auch wenn sie wirklich keine Sympathieträgerin ist. Diese nicht vorhandene Nähe, dieses Gefühl des Ungeliebtseins, was macht das mit einem Menschen? Sie hatte solch eine Hoffnung zu Anfang... Zum Glück fühlt sie sich dann Gabriela nahe und merkt, dass ihre Enkelin sie liebt.


    Ich fand Rosas Lebensende versöhnlich. Sowohl mit sich selbst, weil sie wieder "Platz in ihrem Herzen" hat, seit Gabriela da ist, und auch mit Gabriel. Er weist Luna in die Schranken und sie pflegt ihn und kümmert sich um ihn.


  • Zwar wusste ich doch so gut wie immer, wer gerade spricht und um wen es geht, aber die Sprünge in Zeit, Erzählstimme und Tempus mochte ich nicht besonders. Gerade wenn Gabriela von Ereignissen erzählt, die vor ihrer Geburt stattgefunden haben oder zu einem Zeitpunkt, an den sie sich unmöglich selbst erinnern kann, hätte ich einen durchgängigen allwissenden Erzähler gelungener gefunden.


    Da muss ich sagen, dass ich das irgendwann völlig ausgeblendet habe und zwar dahingehend, dass es mir eigentlich egal war, wer erzählt, da ich die Lebensgeschichte dieser Familie so spannend fand.



    Sehr interessant hingegen ist der historische Hintergrund. Ich weiß zwar ein klein wenig über die Entstehungsgeschichte des Staates Israel, aber es ist schon länger her, dass ich mich damit befasst hatte. Den Einblick in die Lebensgewohnheiten dort, vor und nach der Staatsgründung, fand ich sehr spannend, ebenso die Spaniolen (von denen hatte ich noch nie gehört und fand vor allem die Sprache interessant) und die Rivalitäten und gegenseitige Ablehnung zwischen sephardischen und aschkenasischen Juden ziemlich traurig. Die Menschheit ist schon blöd, immer etwas Trennendes zu suchen, statt das Verbindende zu sehen!


    Ja, das ist in der Tat ärgerlich und wie schon erwähnt stellenweise heute noch so, nur handelt es sich da weniger um Konflikte der ethnischen Herkunft, als der verschiedenen Strömungen im Judentum, welche von ultraorthodox, bis konservativ bis egalitär reichen oder gar säkular. Eine solche "Mischehe" wäre heute noch in manchen Familien ein Drama.
    Auch die sefardischen Juden, waren Opfer von Verfolgung und beschlossen aus diesem Grund, nach Eretz Israel einzuwandern, da ihnen in der Diaspora kein freies Leben vergönnt war.



    Der rote Faden, der sich durch gleich mehrere Generationen der Ermozas zieht, sind die lieblosen Ehen. Fast war es mir ein bisschen zu konstruiert, dass sämtliche Erstgeborene, ob Männlein oder Weiblein, nicht mit ihrer großen Liebe zusammen sein dürfen und jahrzehntelang mit Partnern verheiratet sind, für die sie nichts oder nur wenig empfinden.


    Ja, das war vielleicht wirklich ein wenig zuviel des Guten.



    Die Ermoza-Frauen habe ich allesamt als sperrige Charaktere empfunden, zumindest die, die Hauptrollen spielten. Merkada allen voran - wie sie Gabriel die Schuld am Tod seines Vaters angehängt hat und dadurch seine Pläne zerstört hat, gegen allen Widerstand seine Rochel zu heiraten, war einfach unmöglich :grmpf:


    Merkada habe ich geradezu gehasst. Dieses böse Weibsstück. Am schlimmsten fand ich, dass sie nicht nur dem Sohn die Liebe seines Lebens nicht gönnte, sondern ihm eine Frau unterschob, welche sie sogar selbst verachtete. Das ist allerunterste Schublade und sich dann aus dem Staub machen und den Sohn mit dieser Frau alleine lassen, die ich übrigens zutiefst bemitleide. Sie hat es meines Erachtens wirklich am schwersten.



    Rosa war mir erst auch nicht so recht sympathisch, sie hat mir aber im Verlauf des Buches immer mehr leid getan. Ihr Mann liebt sie nicht, schläft nur einige wenigen Male pflichtbewusst mit ihr und lässt sie ansonsten weitgehend links liegen. Gabriel mochte ich eigentlich, aber diese Aischa-Geschichte ... was für eine bescheuerte Doppelmoral ist das denn, dass es okay ist, wenn er es nebenbei mit einer Araberin treibt, er aber niemals mit einer jüdischen Hure schlafen würde? :vogelzeigen:


    Völlig daneben. Arme Rosa. Welche ein trübsinniges Leben. Für mich völlig unvorstellbar.



    In dem Zusammenhang hat mich Rachelika überrascht, die zuvor immer so folgsam und brav erschien und auf einmal ihre Familie hinters Licht führt, weil sie sich der Hagana anschließen will.


    Mich hat es nicht so sehr überrascht. In Israel ist es normal, dass auch der gutmütigste ganz schnell sein Limit erreicht und sieht, dass man mit Diplomatie und schönen Worten nicht viel erreicht. Ich kenne viele, wirklich sehr friedliebende und tolerante Menschen dort, aber in Bezug auf Politik wie z.B. das Thema Golan, um nur eines zu nennen, sind sich alle einig, dass man diesen auf keinen Fall aufgeben darf. So wie es auch für jeden Israeli selbstverständlich ist, drei Jahre seines Lebens in der Armee zu verbringen und das gilt für Männer und Frauen. Was ich damit sagen möchte, ist, dass nicht nur heute, sondern auch schon damals in diesem Teil der Erde, die Menschen zu ihrem Land einen viel intensiveren Bezug haben, als wo anders. Wenn man mit der ständigen Bedrohung aufwächst, dann ist man freiwillig bereit, für die eigenen Freiheit zu kämpfen und zwar auf die ein oder andere Weise und da gibt es wenig Unterschied, zwischen zurückhaltenden Charakteren oder eher aufbrausenden. Egal wie tolerant und links gerichtet die Person ist, für dieses Land und ein freies Leben, greift jeder zu den Werkzeugen, die ihm zur Verfügung stehen. Da machen auch die sanftesten keine Ausnahme.
    Viele meiner Freunde/innen waren beim Militär und keine von ihnen stellt diese Zeit in Frage, weil jeder weiß, dass es ohne den IDF dieses Land schon lange nicht mehr existieren würde. Es gibt nun mal kein anderes Land, in welchem sich Juden vor Verfolgung schützen können. Es gibt viele christliche Länder, sehr viele muslimische Länder, aber nur einen einzigen jüdischen Staat. Diesen Ort des Rückzuges, verteidigt man, zumal nach den Erfahrungen der Shoa und des Lebens in der Diaspora.

  • Interessant fand ich auch die Taktik mit den roten Bändern am Handgelenk (Seite 90): schon zuvor hatte ich das Gefühl, an Kabbalisten erinnert zu werden, hier gibt es dann den ersten deutlichen Hinweis an die alte mystische Ausrichtung innerhalb des Judentums. Wenn ich im Anschluss richtig recherchiert habe, hat sich die Kabbalah auch erstmals in Nordspanien ausgebreitet, ebenso wie ihre erste wichtige Schrift, die Zohar, aus Spanien stammt.
    Es gibt jedenfalls auch heute (nicht-jüdische) Anhänger dieser Lehre, wenn ich mich recht entsinne zählt Madonna dazu. Und allesamt tragen sie dieses rote Bändchen...
    Dann wird noch mehrfach Lilith erwähnt - eine "Göttin", die ich so gar nicht mit dem Judentum in Verbindung gebracht hätte. Aber auch hier zeigte die Recherche, dass sie ihren Ursprung in der sumerischen/ mesopotamischen Religion erstmal auftaucht, später auch bei den Aramäern - also alles Kulturen, die mit den Juden Berührungspunkte hatten.


    Lilith ist hier, in der jüdischen Mysthik keine Göttin, sondern die erste Frau Adams, noch vor Chawa. Es gibt im Bereschit (Exodus) zwei Schöpfungsberichte und im ersten wird erzählt, dass Mann und Frau erschaffen wurden, aus der Erde. Sie galten als gleichgestellt. Erst einige Verse weiter, wird berichtet, dass der Herr aus der Rippe Adams eine Frau baute. Im Zohar, wird in dieser ersten Schöpfung Lilith gesehen, die Adam gleichgestellt war und sich weigerte, ihm zu dienen. Sie rief den wahren Namen des Herrn an und verschwand. Seitdem, heißt es, rächt sie sich an den Nachkommen Adams. Darum wurde ihr Kindsmord und Verführung von Männern zugeschrieben. Darum gilt sie als Gefahr für Schwangere.


    Lilith erscheint mir immer sehr ambivalent. Einerseits versteht man sie, andererseits fürchtet man sie.


  • Und mit Merkada hast Du schon die schwierigste unter alles ausgewählt. Gegenüber ihr empfinde ich wirklich die größte Abneigung, denn einige ihrer Handlungen sind wirklich schon böse zu nennen. Gabriel so anzugehen und dann einfach aus der gemeinsamen Wohnung auszuziehen und später ohne ein Wort nach Tel Aviv... unmöglich, ehrlich. Damit hat sie das Unglück mindestens zweier Leben auf dem Kerbholz.


    Ganz schlimm. Eigentlich sogar drei Leben, denn Rosa hat sie letztendlich auch noch ins Unglück gestürzt.


    Zitat

    Es gibt jedenfalls auch heute (nicht-jüdische) Anhänger dieser Lehre, wenn ich mich recht entsinne zählt Madonna dazu. Und allesamt tragen sie dieses rote Bändchen...


    Stimmt, da gab es vor einigen Jahren doch mal unter Promis einen großen Trend.


    Zitat

    Auch hier spielt der "Wert" eines Menschen eine Rolle, nicht wahr? Sehr traurig, diese Vorstellung Gabriels. Rosa hat durchaus auch Mitleid, auch wenn sie wirklich keine Sympathieträgerin ist. Diese nicht vorhandene Nähe, dieses Gefühl des Ungeliebtseins, was macht das mit einem Menschen? Sie hatte solch eine Hoffnung zu Anfang... Zum Glück fühlt sie sich dann Gabriela nahe und merkt, dass ihre Enkelin sie liebt.


    Dass Gabriela nicht länger etwas von ihrer Oma hatte, fand ich sehr schade. Die beiden haben sich gegenseitig gutgetan, und Rosa ist ihr gegenüber richtiggehend aufgetaut.


    Zitat

    Ein Thema, das mich schon lange sehr interessiert, deshalb ist es mir gar nicht so sehr aufgefallen. Aber Du hast recht, hier wäre ein wenig Erklärung für nicht-israelische LeserInnen wünschenswert gewesen. (...)


    Danke Dir und Tina für die vielen Hintergrundinfos. Sowas hätte ich mir im Buch gewünscht. Vom Palmach hatte ich immerhin schon gehört, aber Details hatte ich nicht mehr parat.


    Zitat

    Ja, Luna zeigt hier zum ersten Mal so etwas wie menschliche Nähe. Diese Zeit im Krankenhaus hat sie sehr bewegt und beschäftigt, aber es hat sie nicht zu einer offeneren und wärmeren Person gemacht. Eigentlich eine sehr traurige Erkenntnis, denn ich denke, dass solche Menschen auch selbst sehr leiden.


    Bestimmt. Sie war ja eigentlich zu keinem Zeitpunkt wirklich glücklich. Schon als Kind gab es immer irgendwas, was ihr nicht gepasst oder die Laune verhagelt hat.



    Ja, das ist in der Tat ärgerlich und wie schon erwähnt stellenweise heute noch so, nur handelt es sich da weniger um Konflikte der ethnischen Herkunft, als der verschiedenen Strömungen im Judentum, welche von ultraorthodox, bis konservativ bis egalitär reichen oder gar säkular. Eine solche "Mischehe" wäre heute noch in manchen Familien ein Drama.


    Sowas will mir ja nie so recht in den Kopf :rollen: Aber auch dieses Problem ist wohl so alt wie die Menschheit.


    Zitat

    Merkada habe ich geradezu gehasst. Dieses böse Weibsstück. Am schlimmsten fand ich, dass sie nicht nur dem Sohn die Liebe seines Lebens nicht gönnte, sondern ihm eine Frau unterschob, welche sie sogar selbst verachtete. Das ist allerunterste Schublade und sich dann aus dem Staub machen und den Sohn mit dieser Frau alleine lassen, die ich übrigens zutiefst bemitleide. Sie hat es meines Erachtens wirklich am schwersten.


    Das stimmt, Rosa hatte an allen Ecken und Enden immer die A-Karte und wurde nie wertgeschätzt, außer vielleicht von Gabriela.


    Zitat

    Mich hat es nicht so sehr überrascht. In Israel ist es normal, dass auch der gutmütigste ganz schnell sein Limit erreicht und sieht, dass man mit Diplomatie und schönen Worten nicht viel erreicht. Ich kenne viele, wirklich sehr friedliebende und tolerante Menschen dort, aber in Bezug auf Politik wie z.B. das Thema Golan, um nur eines zu nennen, sind sich alle einig, dass man diesen auf keinen Fall aufgeben darf. So wie es auch für jeden Israeli selbstverständlich ist, drei Jahre seines Lebens in der Armee zu verbringen und das gilt für Männer und Frauen. Was ich damit sagen möchte, ist, dass nicht nur heute, sondern auch schon damals in diesem Teil der Erde, die Menschen zu ihrem Land einen viel intensiveren Bezug haben, als wo anders. (...)


    Ah, danke für die Zusatzinfos! Das erklärt es natürlich. Du hast da natürlich einen ganz anderen Bezug als ich - und gerade darum ist diese Runde so interessant :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen






  • Die Sprünge haben hat mich auch manchmal durcheinander gebracht, dass ich Seiten zurückblätterte und noch einmal las. Manchmal kam die Autorin selbst durcheinander. In einer Szene wird Luna aus dem Krankenhaus entlassen, und kurz darauf fällt sie in Ohnmacht, Rosa läuft wie ein aufgescheuchtes Huhn umher, bevor Gabriel sie zur Vernunft bringt. Danach gab es einen Zeitsprung, Luna wird vergessen und nie wieder erwähnt.


    Das ist mir zum Beispiel nicht aufgefallen, auch die Zeitwechsel nicht. Ich kann mich an die beschriebene Szene erinnern, aber habe sie nicht als ungewöhnlich empfunden. :)


    Ganz schlimm. Eigentlich sogar drei Leben, denn Rosa hat sie letztendlich auch noch ins Unglück gestürzt.


    Ja, Merkada ist so ein richtiger Antipath. Wenigstens war sie selbst auch nicht glücklich.




    Zitat

    Auch hier spielt der "Wert" eines Menschen eine Rolle, nicht wahr? Sehr traurig, diese Vorstellung Gabriels. Rosa hat durchaus auch Mitleid, auch wenn sie wirklich keine Sympathieträgerin ist. Diese nicht vorhandene Nähe, dieses Gefühl des Ungeliebtseins, was macht das mit einem Menschen? Sie hatte solch eine Hoffnung zu Anfang... Zum Glück fühlt sie sich dann Gabriela nahe und merkt, dass ihre Enkelin sie liebt.


    Zitat

    Dass Gabriela nicht länger etwas von ihrer Oma hatte, fand ich sehr schade. Die beiden haben sich gegenseitig gutgetan, und Rosa ist ihr gegenüber richtiggehend aufgetaut.


    Gabriela hat sehr unter dem Verlust der Oma gelitten. Ich konnte mir direkt vorstellen, wie sie zum Haus der Oma läuft und auf deren Rückkehr wartet, und statt Verständnis gibt es nur Anschreien und Schläge von Luna.





    Ja, das ist in der Tat ärgerlich und wie schon erwähnt stellenweise heute noch so, nur handelt es sich da weniger um Konflikte der ethnischen Herkunft, als der verschiedenen Strömungen im Judentum, welche von ultraorthodox, bis konservativ bis egalitär reichen oder gar säkular. Eine solche "Mischehe" wäre heute noch in manchen Familien ein Drama.


    Das gibt es leider überall. Himmel, ich darf gar nicht daran denken, was mein Vater alles gesagt hat, als meine Schwester ihren Mann (Afghane)heiraten wollte. Und die Moslems untereinander sind sich auch nicht grün. *kopfschüttel*


    [quote author=Valentine]


    Rosa war mir erst auch nicht so recht sympathisch, sie hat mir aber im Verlauf des Buches immer mehr leid getan. Ihr Mann liebt sie nicht, schläft nur einige wenigen Male pflichtbewusst mit ihr und lässt sie ansonsten weitgehend links liegen. Gabriel mochte ich eigentlich, aber diese Aischa-Geschichte ... was für eine bescheuerte Doppelmoral ist das denn, dass es okay ist, wenn er es nebenbei mit einer Araberin treibt, er aber niemals mit einer jüdischen Hure schlafen würde? :vogelzeigen:



    Völlig daneben. Arme Rosa. Welche ein trübsinniges Leben. Für mich völlig unvorstellbar. [/quote]


    Natürlich war es schlimm, dass Rosa Luna so abgelehnt hat, aber auch verständlich. Ihr Mann, der sie mit dem Hintern nicht anguckt, vergöttert dieses kleine Wesen. Rosa tut mir schrecklich leid, Gabriel aber auch. Irgendwie kommen nur Rachelika und Bekki gut weg.

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Rachelika und Bekki sind übrigens zwei gute Beispiele für gelungene Liebesheiraten :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ja, aber sicher gibt es auch gelungene arrangierte Ehen, wenn auch nicht unbedingt in diesem Buch. :)

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Das gibt es sicher auch, wenn man Glück hat. Trotzdem halte ich davon nichts.

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    Leonard Cohen






  • Das gibt es sicher auch, wenn man Glück hat. Trotzdem halte ich davon nichts.


    Ich auch nicht. Ich möchte die Autonomie haben selbst zu entscheiden. Dann kann ich auch später nur mir Vorwürfe machen, wenn die Beziehung in die Hose geht. :breitgrins:

  • Ja, natürlich wollen wir das alle. Leider gibt es immer noch Kulturen die ihre Töchter im Kindesalter in eine Ehe zwingen. :sauer:

    Was ist wertvoller, Wissen oder Fantasie? Es ist die Fantasie, denn das Wissen hat Grenzen.  - Albert Einstein

  • Meist geht es "wenigstens" um Geld oder Ansehen. Gezwungene Ehen wie diese, aus purer Bösartigkeit sind hoffentlich eine Seltenheit. Gabriel hätte ein viel besseres Leben gehabt, wenn er sich gegen seine Mutter aufgelehnt hätte. War er zu diesem Augenblick nicht sowieso schon der Besitzer vom Laden?


    Dieses Zitat hatte ich mir rausgeschrieben, leider ohne Seitenzahl:
    Die Liebe bewässert den Menschen, und wem die Liebe nicht in den Adern fliesst, der vertrocknet.


    Am Anfang ist Gabriela zu Tia Allegra geflüchtet, weil sie vor den Schlägen ihres Vaters Angst hatte. Davor hatte ich den Eindruck, die beiden hätten ein gutes Verhältnis, das durch das Stehlen natürlich getrübt wurde. Später besucht der Vater sie in London und da fehlt ein bisschen, wie die beiden in der Zwischenzeit mitteneinander waren. Ich nehme an, es war extrem schwierig.


  • Meist geht es "wenigstens" um Geld oder Ansehen. Gezwungene Ehen wie diese, aus purer Bösartigkeit sind hoffentlich eine Seltenheit. Gabriel hätte ein viel besseres Leben gehabt, wenn er sich gegen seine Mutter aufgelehnt hätte. War er zu diesem Augenblick nicht sowieso schon der Besitzer vom Laden?


    Dieses Zitat hatte ich mir rausgeschrieben, leider ohne Seitenzahl:
    Die Liebe bewässert den Menschen, und wem die Liebe nicht in den Adern fliesst, der vertrocknet.


    Am Anfang ist Gabriela zu Tia Allegra geflüchtet, weil sie vor den Schlägen ihres Vaters Angst hatte. Davor hatte ich den Eindruck, die beiden hätten ein gutes Verhältnis, das durch das Stehlen natürlich getrübt wurde. Später besucht der Vater sie in London und da fehlt ein bisschen, wie die beiden in der Zwischenzeit mitteneinander waren. Ich nehme an, es war extrem schwierig.


    Für Gabriel ging es nicht um den Laden, sondern um Schuldgefühle. Seine Mutter hatte ihn davon überzeugt, dass er schuld am überraschenden Tod seines Vaters war. Seien wir ehrlich, wenn ein geliebter Mensch stirbt, haben wir alle irgendwelche Schuldgefühle. Wir fragen uns, ob es etwas gegeben hat, was wir hätten tun können, ob wir unsere Liebe ausgedrückt haben, ob wir uns genug gekümmert haben, etc. Das ist nicht rational, das wissen wir alle, aber die emotionale Ebene ist erst mal viel stärker als die rationale Ebene. Der arme Gabriel hatte gar keine Chance, zu reflektieren, ob, oder ob er nicht schuld war.


    Rachelika besucht sie in London. Ihr Vater besucht sie in Tel Aviv.

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  • Mir war Merkadas Charakter generell unbegreiflich. Sie setzte ihren Willen durch und zwang ihren Sohn durch Schuldgefühle in die von ihr gewünschte Ehe. Warum aber verachtete sie Rosa so? Merkada hatte, was sie wollte. Mit ein bisschen Freundlichkeit gegenüber ihrer Schwiegertochter hätte sie deren ewige unverbrüchliche Loyalität gewonnen. Man sollte meinen, ein Machtmensch wie Merkade würde das zu schätzen wissen.

  • Ich glaube, Freundlichkeit kam in ihrer Welt einfach nicht vor :traurig: Wie ein glücklicher Mensch ist sie mir übrigens nie erschienen, sie hat sich selbst immer mehr eingemauert in ihre Zelle aus Ablehnung und Verbitterung.

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