Sadie Jones - Kleine Kriege

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    Aus dem Englischen von Brigitte Walitzek


    Inhalt
    1956: Der junge Major Henry Treherne wird mit seiner Einheit nach Zypern verlegt. Dort soll er gegen die Untergrundorganisation EOKA vorgehen. Da die Operation zunächst als risikolos eingeschätzt wird, folgt ihm seine Frau Clara kurz darauf mit den einjährigen Zwillingen. Doch schon bald zeigt sich, dass die Kämpfe gegen die EOKA alles andere als ungefährlich sind. Henry erlebt die Grausamkeit eines Guerillakrieges und er beginnt die Methoden seiner Einheit zu hinterfragen. Clara erkennt ihren Ehemann kaum wieder und schottet sich immer mehr ab. Bis es eines Tages zur Katastrophe kommt ...


    Meine Meinung
    Kleine Kriege ... das sind die Kriege, die Henry und Clara im Privaten miteinander ausfechten. Anfangs sind sie sich noch sehr zugetan, Clara unterstützt ihren Mann bei allen Entscheidungen und hält ihm den Rücken frei. Doch schon da bemerkt man, dass das Ehepaar wenig kommuniziert, über Gefühle wird überhaupt nicht gesprochen. Clara will stark sein für ihren Mann, will ihn mit ihren Problemen nicht belasten. Und auch Henry, der selbst kaum weiß, was er fühlen soll, kann sich gegenüber seiner Frau nicht öffnen. Unter dem wachsenden Druck der militärischen Einsätze, die immer grausamer werden, entfernt sich das Ehepaar voneinander.


    Die Autorin hat diesen Vorgang in ihrem Buch sehr gut eingefangen. Schritt für Schritt und eigentlich unausweichlich nähern Clara und Henry sich dem Ende ihrer Ehe, ohne wirklich etwas dagegen tun zu können. Ich als Leser habe richtig mitgelitten und mehr als einmal wollte ich ausrufen: "Redet endlich miteinander!" Aber sie tun es nicht, das Bild des starken Mannes und der guten Ehefrau muss aufrecht erhalten werden.


    Natürlich erlebt man auch Henrys Einsätze mit. Mir gingen die Beschreibungen der Ereignisse sehr nahe, da sie nun mal nicht ausschließlich der Fiktion der Autorin entstammen. Man erhält zudem Einblicke in die Arbeit des Dolmetschers Davis, der direkt mit den Gefangenen und den Verhören zu tun hat. Als Leser muss man sich damit auseinandersetzen können, wer das nicht möchte, sollte die Finger von diesem Buch lassen. Zwar ergeht sich Sadie Jones nicht seitenweise in grausamen Details, aber sie beschreibt teilweise schon explizit, was gerade vorgeht. Sehr interessant fand ich übrigens auch die Entwicklungen von Henry und Davis im Vergleich zueinander. Henry ist ein überzeugter Soldat, der jedoch mit der Zeit ins Wanken gerät, während Davis mehr oder weniger zum Einsatz gezwungen wird, um sich dann später mit der Situation abzufinden.


    Auch Claras Alltag wird beschrieben. Während ich Henry und seine inneren Konflikte sehr gut nachvollziehen konnte, fiel es mir bei Clara manchmal etwas schwer. Sie hat eigentlich nichts zu tun außer die Zwillinge zu hüten, denn sie arbeitet nicht und für den Haushalt hat sie eine Haushaltshilfe. Dennoch ist sie von dieser Tätigkeit überfordert, da sie ihre Kinder meiner Ansicht nach überbehütet. Vereinzelt ging mir das etwas auf die Nerven, allerdings kann ich schon nachvollziehen, dass die Langeweile und das Eingeschlossensein (das Militär hält sich im abgeriegelten Stützpunkt Episkopi auf) verbunden mit der ständigen Anspannung ihr aufs Gemüt drücken.


    Sehr angetan bin ich von der Recherchearbeit der Autorin. Sie hat mit vielen ehemaligen Soldaten und Ehefrauen gesprochen, die dort im Einsatz waren bzw. ihre Männer nach Zypern begleitet haben. Ich finde, man merkt es dem Buch durchaus an, dass reale Erinnerungen mit eingearbeitet wurden.


    Insgesamt hat mir das Buch wirklich gut gefallen und für Interessierte empfehle ich es gerne weiter.
    4ratten

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)

  • 1950er Jahre: Henry Trehane, aus einer klassischen Offiziersfamilie stammend, wird gemeinsam mit seiner Frau und 2 kleinen Kindern aus dem friedlichen Deutschland nach Zypern versetzt. Hier führt die britische Armee einen Krieg gegen die EOKA, die mit Bombenanschlägen und ähnlichem eine Unabhängigkeit Zyperns von Großbritannien zu erreichen versuchte.


    Beide haben ihre Probleme mit der neuen Umgebung. Clara fürchtet sich und findet keinen echten Anschluss bei den anderen Frauen des Regiments, zudem fühlt sie sich von ihrem Mann alleingelassen. Dieser hat Probleme mit den schmutzigen Seiten dieses Krieges, sein Gewissen und sein Korpsgeist kommen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen, er versucht allerdings seine Gefühle vor seiner Frau zu verbergen.


    Ich wusste zwar, dass Zypern mal britische Kolonie war, aber nichts über die Hintergründe der Unabhängigkeit. Diesen Aspekt des Romans fand ich dann auch sehr interessant. Was die Beziehung zwischen Clara und Henry angeht, schließe ich mich meiner Vorrezensentin vollkommen an.

    Ich als Leser habe richtig mitgelitten und mehr als einmal wollte ich ausrufen: "Redet endlich miteinander!" Aber sie tun es nicht, das Bild des starken Mannes und der guten Ehefrau muss aufrecht erhalten werden.

    Ich vermute, das war damals aber nicht so einfach und über allem schwebt ja auch noch der Schatten des erst kürzlich beendeten 2. Weltkriegs, der eine „stell dich nicht so an, damals war alles viel schlimmer“ - Grundhaltung ausstrahlt, der sich die Figuren unterwerfen.


    „Kleine Kriege“ gefiel mir gut, die Autorin zeichnet ein detailliertes Profil einer auf einen Abgrund zusteuernden Beziehung vor interessantem Hintergrund.


    4ratten