Bernhard Schlink - Der Vorleser

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  • Bernhard Schlink - Der Vorleser

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    Das Buch "Der Vorleser" ist in drei Teile gegliedert.
    Im ersten Teil geht es um den 15 Jahre alten Michael Berg, der durch eine Krankheit Hanna Schmitz kennen lernt. Hanna ist wesentlich älter als Michael, doch bald entwickelt sich eine Beziehung zwischen den beiden. Hanna hat eine besondere Vorliebe: Sie lässt sich gerne vorlesen.
    Doch die Beziehung hat ein rasches Ende, denn plötzlich ist Hanna verschwunden und Michael glaubt, sie nun für immer verloren zu haben.
    Der zweite Teil handelt von einem Prozess über Aufseherinnen in einem KZ, bei dem Hanna zu den Angeklagten gehört. Michael ist mittlerweile Student und wie es der Zufall so will, kann er als Zuschauer daran teilnehmen.
    Der dritte und letzte Teil befasst sich schließlich mit der Zeit nach dem Prozess. Michael ist erwachsen und Hanna sitzt im Gefängnis. Doch Michael kann Hanna einfach nicht vergessen und so beschließt er schließlich ihr Kassetten aufzunehmen und zu schicken.


    Ich habe den Inhalt nur kurz zusammengefasst, da ich nicht zuviel verraten möchte. Das Buch ist es wert, selbst von anderen gelesen zu werden, die sich dann ihr eigenes Bild machen können.


    Ich musste das Buch vor etwa 2 Jahren in der Schule lesen und damals hatte es mir gar nicht gefallen. Da allerdings die Verfilmung anstand, die ich sehr gerne sehen wollte, vorallem wegen Kate Winslet und David Kross, beschloss ich den Vorleser nochmal zu lesen. Und ich bin sehr überrascht, dass es mir wesentlich besser gefallen hatte, als bei meiner ersten Lektüre.


    Der erste Teil ist zwar überaus wichtig für den Verlauf des Romans, aber dennoch muss ich sagen, dass hier mir ab und zu doch etwas langweilig wurde und man sich ruhig die ein oder andere Szene hätte sparen können. Die Beziehung zwischen Michael und Hanna fand ich sehr gut geschildert. Die Abhängigkeit von Michael zu Hanna war gut dargestellt. Während man mit Michael als Leser schon eher eine Beziehung aufbauen konnte, blieb mir Hanna jedenfalls immer ziemlich fremd, distanziert. Im Laufe des Buches stellt sich dann auch heraus, warum sie nicht ehrlich über sich selbst ist.
    Die Gerichtsverhandlung empfand ich als überaus spannend. Man ist richtig gefangen und weiß nicht so recht, was man von dem Geschehen halten soll. Wie Michael ist man eher verwirrt, vorallem über Hanna. Zwar war sie mir nie sympathisch, aber dennoch war sie überaus menschlich. Doch besonders die eine hier geschilderte Tat lässt es einfach unglaublich erscheinen, dass ein Mensch so handeln kann, der eigentlich nichts weiter tat, als seine "Arbeit", wie andere täglich ins Büro gehen. Ich möchte hier nichts verheerlichen, etc. ganz im Gegenteil.
    Dennoch regt dieses Buch sehr zum Nachdenken an und ich bin immernoch überaus froh, keine derartigen, schwerwiegenden Entscheidungen treffen zu müssen.


    Mittlerweile habe ich auch die Verfilmung gesehen und ich bin sehr positiv angetan. Zwar wurden die ein oder andere Szene gestrichen und teilweise etwas geändert, aber dennoch ist der Film ziemlich nah am Buch und ich wies die gleichen Reaktionen auf, wie beim Buch. Der erste Teil wurde hier und da etwas langweilig, aber sobald man in der Gerichtsverhandlung ankam, konnte ich meine Augen nicht mehr von der Leinwand lösen.


    Das Buch, sowie der Film sind für mich überaus empfehlenswert.
    4ratten

    Books are the ultimate Dumpees: put them down and they’ll wait for you forever; pay attention to them and they always love you back.<br />John Green - An Abundance of Katherines<br /><br />:lesewetter: Caprice

  • Der Vorleser von Bernhard Schlink


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    "Der Vorleser" ist eine Geschichte über eine dramatische Liebe, die Frage von Schuld und Unschuld, Wahrheit und Lüge.
    Das Buch ist in drei Teile gegliedert: Im ersten Teil trifft der 15-jährige Michael Berg auf die viel ältere Hanna Schmitz. Er ist fasziniert von dieser Frau und auch wenn sie viel älter ist, entwickelt sich eine Liebesbeziehung zwischen den beiden. Während des Zusammenseins liest Michael Hanna immer wieder vor, denn sie liebt es Geschichten vorgelesen zu bekommen. Einen Sommer hält die Liebe, dann aber nimmt sie ein abruptes Ende, als Hanna eines Tages spurlos verschwindet.
    Im zweiten Teil sitzt Michael, nun Jurastudent, in einem öffentlichen Prozess über Aufseherinnen eines KZ Lagers. Und wie es der Zufall oder das Schicksal so will, entdeckt er zwischen den Angeklagten Hanna. Er verfolgt den Prozess bis ganz zum Ende und sieht, wie Hanna als schuldig zu lebenslänglicher Haft verurteilt wird.
    Der dritte Teil handelt von der Zeit nach dem Prozess. Er schildert Michaels verzweifelten Versuch ohne Hanna zu leben. Doch als er erkennt, dass er dies wohl nicht schaffen wird, beginnt er ihr auf Kassetten vorzulesen und schickt diese zu ihr ins Gefängnis.


    Meiner Meinung nach ist "Der Vorleser" ein sehr lesenswertes Buch. Bernhard Schlink schafft es durch seine Sprache den Leser in die Geschichte eintauchen und mit den Figuren mitfühlen zu lassen. Die Betäubtheit, welche Michael verspürt, nachdem Hanna nicht mehr bei ihm ist, packt auch den Leser. Genauso die Frage von Schuld und Unschuld, welche das grosse Thema des Buches darstellt. Wer denn nun die Schuld am Zweiten Weltkrieg und der Vernichtung der Juden trug und wer nicht, wird auch in diesem Buch, wie in so vielen anderen, nicht beantwortet werden. Jedoch werden sehr schön die Verwirrung, Zwiespältigkeit und Verzweiflung beschrieben, welche die einzelnen Generationen bei dieser Frage überkommen.
    Was die Spannung angeht, so muss ich sagen, dass man im ersten Teil noch nicht wirklich davon reden kann. Der erste Teil ist eine Beschreibung der Beziehung zwischen Michael und Hanna. Einige Szenen hätte man sich dort sparen können, andere wiederum sind extrem wichtig für die übrige Geschichte. Der zweite Teil dann baut Spannung auf. Man will erfahren, wie der Prozess zu Ende geht und man kann sich gut in die Rolle des Zuschauers versetzten, welcher gebannt den ganzen Prozess verfolgt. Auch der dritte und letzte Teil spielt mit einer Art Spannung. Man weiss nie genau wie das Buch denn nun enden könnte und ist schlussendlich wohl auch ziemlich überrascht über dessen Ausgang.
    Auch die Figuren sind es wert etwas genauer betrachtet zu werden. Michael erzählt die ganze Geschichte, als wäre es nicht die seine, etwas distanziert und doch voller Gefühl. Man kann sich in ihn hinein versetzten und versuchen durch seine Augen zu sehen, auch wenn es oft schwer fällt. Hanna jedoch ist eine schwach umrissene Figur, man weiss nicht viel über sie. Bernhard Schlink schafft es jedoch selbst dann, wenn man weiss weshalb und wofür sie in dem Prozess angeklagt wurde, ihre Menschlichkeit zu bewahren. Das macht sie zu einer interessanten Figur.


    Zum Schluss sage ich noch einmal, dass mir das Buch sehr gut gefallen hat und dass ich es als sehr lesenswert empfinde. Natürlich gehen die Meinungen über "Der Vorleser" sehr weit auseinander, aber ich denke man kann erst dann etwas dazu sagen, wenn man das Buch wirklich gelesen und sich damit auseinander gesetzt hat.


    4ratten

  • Meine Meinung:


    Michael Berg ist gerade fünfzehn, als ihm am Heimweg von der Schule furchtbar schlecht wird. Er übergibt sich zum ersten Mal in seinem Leben und schämt sich natürlich furchtbar, als eine Frau herbeieilt, ihm das Gesicht säubert und ihn nach Hause begleitet. Sie zieht sich dafür in ihrer Wohnung um, Michael erhascht einen Blick auf sie, als sie sich die Strümpfe anzieht. Der Anblick gräbt sich in sein Gedächtnis. Als Michael zuhause ist, begibt er sich ins Bett und bleibt dort mehrere Monate. Er hat sich Gelbsucht eingefangen. Während seiner Erkrankung muss er immer wieder an die Frau denken, die Bewegung, mit der sie sich die Strümpfe angezogen hat.


    Als es ihm nach Monaten etwas besser geht, beschließt er, sich bei der Frau zu bedanken, die ihm damals geholfen hat. Etwas nervös legt er sich zurecht, was er sagen will, trifft sie dann aber nicht an. Michael wartet auf der Treppe vor ihrer Tür, er hat mittlerweile herausgefunden, dass sie Schmitz heißt. Wenig später kommt also Frau Schmitz die Treppe herauf, Kohlenschütten schleppend. Sie freut sich ihn zu sehen und bittet ihn, die restlichen beiden Schütten aus dem Keller z holen.


    Michael schleppt sich damit hinauf in die Wohnung, hat sich aber über und über mit Kohlenstaub beschmutzt. Frau Schmitz, die um mehr als 20 Jahre älter ist als Michael, lässt ihm ein Bad ein. Michael fühlt sich mehr als nur hingezogen zu Frau Schmitz und schon bald nimmt das Unglück seinen Lauf. Es entsteht eine Affaire, die im Wesentlichen daraus besteht, dass Michael nach der Schule zu ihr kommt, sie gemeinsam Baden, miteinander schlafen und er ihr aus Büchern vorliest – das hat sie nämlich besonders gern.


    Zwar äußert sich das Unglück zuerst in großem Glück, doch das ist nur die Oberfläche. Eines Tages ist Michael mit seinen Freunden im Schwimmbad. Er sieht in der Ferne eine Frau stehen, die zu ihm hinsieht. Es ist Hanna, wie Frau Schmitz mit Vornamen heißt, die er noch nie außerhalb seiner Wohnung gesehen hat. Sie wirkt falsch in diesem Setting, so wendet sich Michael ab. Er ahnt nicht, dass er Hanna für lange Zeit zum letzten Mal gesehen hat. Und dass, wenn er sie wieder trifft, sein gesamtes Bild von ihr ineinander zusammen fällt. Hanna lebt mit zwei Geheimnissen, mit denen sie sich wohl arrangiert hat, die für Michael aber umso schlimmer wiegen.


    „Der Vorleser“ ist ein spannendes Buch, man fiebert dem Ende entgegen, obwohl man ahnt, dass es wohl kein gutes sein wird. Bis kurz vor dem Ende wiegt einen der Autor in Sicherheit, doch dann enttäuscht er die Hoffnung des Lesers mit der einzig logischen Wendung, die die Geschichte nehmen muss. Durch die Erzählperspektive aus der Sicht Michaels kann man das Wachsen der jungen Liebe von Anfang an gut nachvollziehen, man versteht Michaels Beweggründe, auch wenn die Beziehung noch so aussichtslos scheint, so hofft man doch mit ihm.


    Als Michael schließlich vor einer tief philosophischen Frage steht und beinahe kapituliert, beginnt sich der Leser ebenfalls mit der Frage nach Würde und Ehre des Menschen auseinander zu setzen. Hannas Frage: „Was hätten Sie denn gemacht?“ klingt noch lange im Leser nach. Ein fantastisches Buch, eine ungewöhnliche Liebe und viel Stoff zum Nachdenken. Unbedingt lesen!
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    Taschenbuch: 206 Seiten
    Verlag: Diogenes Verlag; Auflage: 6 (Juni 1999)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3257229534
    ISBN-13: 978-3257229530


    5ratten

  • Ich finde die Themen der Kriegsbewältigung, der Schuldfrage und des Analphabetismus sind von Schlink sehr gekonnt miteinander verknüpft worden und auch die Ausgangslage mit der Liebesbeziehung zwischen Michael und der 15 Jahre älteren Hanna ist interessant.
    Allerdings flacht die Handlung nach dem ersten Teil schon recht stark ab und teilweise macht sich auch eine gewisse Langeweile bemerkbar. Dennoch finde ich es von der Thematik und deren Umsetzung sehr gelungen, wenn auch etwa zu sehr in die Länge gezogen.

  • Es ist schon ungefähr ein Jahr her, als ich das Buch gelesen habe. Ich kann mich noch daran erinnern, dass ich den Erzählstil am Besten fand... ich konnte die Gefühle der handelnden Personen gut nachvollziehen und hatte das Gefühl, mitten im Geschehen zu sein. es hat sich sehr flüssig lesen lassen. Auch die Geschichte fand ich ganz nett und außergewöhnlich. Aber so ganz hat er mich nicht "umgehauen", ich fand die Handlung zum Schluss teilweise zu langatmig.


    4ratten

    :lesen: Sabine Weigand - Die Tore des Himmels

  • Da wir es gerade in der Schule lesen, habe ich es gestern abgeschlossen.
    Ich muss sagen, dass mir diese zig Bücher über die NS-Zeit ein bisschen auf den Keks gehen, da in den meisten sowieso immer das selbe drin steht und wenn man eins gelesen hat, braucht man die anderen eigentlich auch nicht lesen. Desweiteren war ich sehr skeptisch, da ich mir kein deutsches Buch vorstellen konnte, das von Hollywood verfilmt wird.


    Trotz der ganzen Skepsis muss ich sagen, hat das Buch sofort eine tolle und fesselnde Atmosphäre gehabt. Besonders der erste Teil des Buchs hat mich sehr in seinen Bann gezogen und fand ich auch vom Erzählstil wirklich sehr gut.
    In den Prozeß dann einzusteigen (im zweiten Teil) fand ich etwas mühßsam, da es ja eigentlich ein kompletter Handlungsbruch war (der mir allerdings vorher bekannt war). Doch auch hier wusste es der Erzähler vor allem durch seine nachdenklichen Kommentare über den Dialog zwischen Hanna und den Juristen die Handlung fesselnd und atmosphärisch sehr dicht zu beschreiben.
    Lediglich der letzte Teil des Buchs hat dann meinen Bann gelöst. Es geht in ca. 40 Seiten nur noch darum, ob er jetzt an der Haft Hannas schuld sei - ob er überhaupt irgendeine Schuld trage, weil er sich ja z.B. geliebt hatte.
    Für mich hat es hier Bernhard Schlink etwas mit seiner Schuldfrage übertrieben, weshalb ich das Ende relativ flach und öde fand (das lag vielleicht aber auch daran, welche "Haßfigur" Hanna für mich eigentlich während des Lesens geworden ist, weshalb ich bereits im ersten Teil ihre Naivität und ihre grobe Art sehr abstoßend fand).
    Einziger "Trost" über den dritten Teil war die weiterhin sehr gelungene - jetzt noch direktere - Sprache, die Schlink hier verwendete.


    Alles in allem ein sehr zu empfehlendes Buch, das weit weg von der "üblichen" NS-Literatur ist und sprachlich auch sehr gut umgesetzt wurde!


    Zu den Kommentaren eine Seite vorher: Auch ich hatte das Gefühl, dass für mich die Liebesbeziehung zwischen Michael und Hanna vor der Tatsache der Naziverbrechen stand.

    Zitat von André Glucksmann: <br />Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.


  • M.a.n.u.e.l.
    Ich finde genau darum geht es in dem Roman aber, um die verschiedenen Fascetten von Schuld und Unschuld und die Frage in wie weit man selbst in diese verwickelt ist.


    Das ist sicherlich der Fall, bestreite ich auch gar nicht. Wie geschrieben konnte ich mich allerdings nie mit der Figur der Hanna anfreunden. Für mich stellt sich einfach aufgrund ihrer Taten keine Schuldfrage. Ebenso kann ich nicht erkennen, wieso sich der Erzähler schuldig fühlt - gegenüber einer Verbrecherin.
    Auch die Tatsache, weshalb Hanna in diese "schiefe Bahn" gerutscht ist macht sie mir nicht symphatischer. Für mich kann eine solche Beeinträchtigung des Lebens (und ich bestreite nicht, dass Analphabetismus sehr schwer ist) die Taten und das Handeln von Hanna in keinster Weise rechtfertigen. Mitleid oder Sonstiges hat für mich hier nur der Erzähler verdient...

    Zitat von André Glucksmann: <br />Philosophieren bedeutet zuallererst, gegen die eigene Dummheit zu kämpfen.

  • Ich habe nur den Film gesehen, aber wenn das Buch ähnlich ist, dann kann es aus meiner Sicht nur gut sein. Den Film fand ich nämlich sehr ergreifend!


    Gruß suray

    Gruß suray

  • Ich finde die Thematik dieses Buches unglaublich spannend uns sehr gut umgesetzt. Wie aus der anfänglichen Beziehung eine Frage der Schuld und Unschuld wird. Auch der Schreibstil hat mir gut gefallen.
    Doch leider konnte ich mich auch nicht in Hanna hineinversetzen und konnte auch nicht alle ihre Handlungen nachvollziehen.
    Den dritten Teil des Buches fand ich auch nicht mehr so spannend und teils unnötig in die Länge gezogen. Dennoch hat mich der Schluss ziemlich überrascht


    Obwohl mich das Buch nicht vollständig überzeugt hat, finde ich es lesenswert.


  • Obwohl mich das Buch nicht vollständig überzeugt hat, finde ich es lesenswert.


    Das ist ein wirklich gutes Fazit, was auch ich hätte schreiben können. Ich habe das Buch gelesen als der Film in die Kinos kam und mich haben die Themen Schuld, Unschuld und Analphabetismus darin sehr berührt. Hanna ist zwiespältig von Anfang an - freundlich und nett wie sie Michael hilft, erschreckend wie sie auf ihn eingeht und damit verführt und dann vor den Problemen davonläuft. Das Wiedersehen und Michaels Erkenntnis - und doch war sein Leben mit dieser Begegnung in eine Richtung gedrängt worden, die von außen betrachtet nicht gut war.
    Das waren alles Aspekte die mich fasziniert haben, aber wo ich manchmal auch zweifelnd davor saß und die Protagonisten nicht recht verstanden habe.
    Am besten in Erinnerung geblieben ist mir dann aber eine Szene aus dem Film, wo gelangweilte und strickende Frauen auf der Anklagebank saßen und alle Schuld Hanna zuschoben um ihren "A..." zu retten ohne das leiseste Fünkchen Reue. Da hätte ich aufspringen können - doch im Buch kam das für mich gar nicht so arg rüber. So ging es mir oft - der nüchterne Ton hat es manchmal etwas fade gemacht. Ich weiß aber nicht warum ich das so empfinde.


    Insgesamt wirft es interessante Fragen auf aber hat mich doch nicht 100% in Bann gezogen.


    Grüße
    schokotimmi

  • Der Vorleser ist ein Buch, bei dem ich mich auch nach längerem Grübeln nicht entscheiden kann, wie ich es finde. Ich habe das Buch auf einer langen Bahnfahrt gelesen und fand es trotz der kurzen Kapitel und knappen Sätze flüssig zu lesen. Schlink hat es geschafft durch die Einfachheit der klaren Sprache und trockener Beschreibungen eine emotionale Wirkung zu erzeugen.
    Mit Hanna bin ich das ganze Buch über nicht warm geworden, aber ich denke, dass liegt auch daran, dass man immer nur Michaels Sichtweise auf Hanna bekommt und somit immer eine gewisse Distanz verbleibt. Ihr "Problem" habe ich schon bei der gemeinsamen Fahrradtour durchschaut. Ich finde es erschreckend, dass Hannas Problem immer noch millionenfach allein in Deutschland zu finden ist und nach längerem Nachdenken kann ich sogar Hannas Verhalten beim Prozess nachvollziehen. Damit will ich nicht andeuten, dass ihre Scham über ihr "Nichtkönnen" richtig ist, sondern nur dass ich nachfühlen kann, dass sie nicht dafür bloßgestellt werden wollte.
    Michael war mir als pubertärer Junge recht sympathisch, besonders als er beschreibt, dass er durch die Liebe zu Hanna viel lockerer mit seinen Altersgenossinnen umgehen kann und dadurch eine gewisse Reife früher erreicht. Jedoch kann ich seine Abhängigkeit von Hanna über die Jahre nicht verstehen. Er schiebt seine Bindungsunfähigkeit Hanna in die Schuhe und ich denke, damit macht er es sich ziemlich einfach. Irgendwann ging er mir schon ein wenig auf den Nerv mit seiner Trauer über seine erste große Liebe, die er nun immer in anderen Frauen wiederzufinden zu versucht.
    Ich finde Schlink hat die Problematik der Schuld recht offen gelassen. Man kann das Buch lesen und findet sehr viele Ansätze für weitergehende Diskussionen, weshalb das Buch wohl auch so beliebt für die Schullektüre ist. Aber meiner Meinung nach kann man diese Ansätze auch Ansätze sein lassen und einfach weiterlesen und sich nur soweit mit der Sache beschäftigen wie man selbst möchte.


    3ratten

  • Als wir den VORLESER in der Schule gelesen und verarbeitet haben, konnte ich mit dem Buch rein gar nichts anfangen. Wir waren noch in der Mittelstufe, 15 oder 16, das Buch war erst vor kurzem erschienen und heute denke ich, daß wir einfach keinen Zugang zu dem Buch gefunden haben, weil wir die Themen noch gar nicht umfassend reflektieren konnten.


    Thematik 1: Die Liebesbeziehung zwischen Michael und der wesentlich älteren Hanna
    Mit 15 oder 16 hatten wir damals selbst kaum Erfahrungen in Beziehungsdingen, und jemand von 35 war für uns steinalt. Ich konnte damals Michaels Sehnsucht nach Hanna überhaupt nicht nachvollziehen, die Beziehung zwischen den beiden empfand ich als völlig abwegig und unvorstellbar.


    Thematik 2: Nationalsozialismus


    Die NS-Zeit wurde seit der fünften Klasse so oft und so exzessiv behandelt, daß ich damals keinerlei Lust hatte, die Geschehnisse unter weiteren Aspekten zu betrachten (hier: Schuldfrage und Mitläufer).
    Natürlich ist der Nationalsozialismus ein wichtiges Thema und ich finde auch wichtig, daß in der Schule darüber informiert und geredet wird, aber ich empfand es damals einfach als zuviel, was mir auch nach Ende der Schulzeit jahrelang jegliches Interesse daran verleidet hatte.
    Erst seit zwei, drei Jahren beschäftige ich mich mehr mit dem Thema und den verschiedensten Fragestellungen dazu.


    Thematik 3: Hannas Defizit und ihre Scham deswegen
    Nun ja, meine damalige Meinung war eindeutig: Was solls?

    , Hannas Verhalten ist überdramatisiert.


    Das Büchlein wurde vergeudete Zeit und typische Schullektüre angesehen und in die hinterste Ecke des Schranks verbannt.
    Erst vor kurzem habe ich es wieder zur Hand genommen, um es noch einmal zu lesen und zu schauen, wie das Buch heute auf mich wirkt.



    Der Vorleser ist ein Buch, bei dem ich mich auch nach längerem Grübeln nicht entscheiden kann, wie ich es finde.


    So geht es mir nun auch.
    Einerseits habe ich die Beschreibungen z.B. der Umgebung, in der Hanna wohnt und Michaels Eindrücke und Empfindungen viel intensiver wahrgenommen, als beim ersten Lesen.
    Daß Hanna blaß, undurchsichtig und distanziert bleibt, während Michaels Gefühlswelt wie ein offenes Buch vor dem Leser liegt, paßt zum Verhalten der beiden und ist dem Autor gut gelungen.
    Die Beziehung zwischen Hanna und Michael kann ich besser nachvollziehen, die NS-Zeit mitsamt der Problematik Schuldfrage / Befehlsnotstand besser beurteilen und Hannas Problem und ihr Verhalten bewerte ich zumindest teilweise anders als früher.
    Ich sehe den VORLESER zumindest in den Kernelementen schlüssig, außerdem sprachlich dem Thema bzw. den Themen gerecht und angepaßt, was den Inhalt intensiver vermittelt.


    Womit ich nicht warm geworden bin:
    Am Anfang des Threads wurde dem Autor "Effekthascherei" unterstellt, die Erregung von Aufmerksamkeit mittels "Tabuthemen".
    Ich muß zugeben, daß mir die 3 Themenbereiche auch zuviel waren.
    Hannas

    sind unmittelbar verknüpft, daran kann man nichts rütteln und diese beiden Themen akzeptiere ich auch. Aber die Anfangssituation - die Beziehung zwischen dem Schüler Michael und der fast 20 Jahre älteren Hanna -, hätte die tatsächlich so konstruiert sein müssen? War der junge, unerfahrene Michael, der nicht weiß wie ihm mit Hanna geschieht nötig, um Hannas Defizit vor dem Leser besser zu verbergen? Wäre das dem Autor in einer mehr gleichberechtigten Beziehung nicht so gelungen? Man weiß es nicht, aber unbedingt der Geschichte zuträglich finde ich den ersten Teil nicht.
    Auch wegen Hannas ständigem "Jungchen.....". Diese Anrede fand ich nervig und für zwei Partner in einer Beziehung unpassend.
    Außerdem nicht nachvollziehen konnte ich Michaels Beziehungsunfähigkeit im Erwachsenenalter, daß er von den paar Monaten mit Hanna so einen Knacks abbekommen haben soll. Und dann, als er seine Hanna unverhofft, aber endlich wieder sieht, sagt er empfindet überhaupt nichts. Das paßt für mich nicht zusammen.


    Das Ende sehe ich wiederum als gelungen und nachvollziehbar.


    Ich bin froh, das Buch noch einmal gelesen zu haben, da ich es gänzlich mit anderen Augen sehe als während der Schullektüre und auch die verarbeiteten Problematiken besser reflektieren kann.
    Auch am Schluß schließe ich mich foenig noch einmal an:

    Aber meiner Meinung nach kann man diese Ansätze auch Ansätze sein lassen und einfach weiterlesen und sich nur soweit mit der Sache beschäftigen wie man selbst möchte.


    Eine lesenswerte Lektüre, zwar mit Schwächen, aber mit Stoff zum Nachdenken.

  • Die Thematik rund um den Nationalsozialismus ist sicher schon manch einer leid, dennoch wirkt der Roman “Der Vorleser” von Bernhard Schlink auf den ersten Blick eben nicht wie ein NS-Roman.
    Alles beginnt mit Michael, der in seiner Schulzeit die Gelbsucht hat. Eine Frau, Hanna Schmitz, kommt ihm zur Hilfe als er sich vor ihrer Haustür übergeben muss. Er will sich bei ihr bedanken, die beiden werden zu einem ungewöhnlichen Liebespaar, denn den 15-jährigen Jungen und die Bahnangestellte Hanna trennen 21 Lebensjahre.


    Die Treffen der beiden folgen immer einem Shema, sie treffen sich, er liest ihr aus seinen Büchern vor, sie nehmen ein gemeinsames Bad und schlafen dann miteinander. Michael scheint die Beziehung zu der älteren Frau nicht zu stören (und Hanna auch nicht, die Michael bereits für 17 hält), und so fahren die beiden auch in den gemeinsamen Urlaub und treffen sich auch so beinahe täglich. Er merkt nicht, dass seine Freundin weder lesen noch schreiben kann. Eines Tages verschwindet Hanna, da sie sich scheinbar von Michael hintergangen gefühlt hat. Erst Jahre später treffen sie wieder aufeinander – in einer Gerichtsverhandlung. Michael ist mittlerweile Jurastudent und nimmt an einem Seminar über NS-Gerichtsverfahren teil. In einer Gerichtsverhandlung trifft er auf Hanna, die als ehemalige Wärterin eines Außenlagers nun angeklagt wird. Hannas Aufgabe in dem Außenlager war es, Menschen auszuwählen, die später ins KZ kommen sollten, ihr blieb keine andere Wahl. Außerdem ließ sie es zu, dass einige Gefangene bei einem Kirchenbrand umkamen.
    Durch Hannas Analphabetismus kommt sie vor dem Gericht in richtige Schwierigkeiten und bekommt nach einer langen Verhandlungszeit eine lebenslängliche Haftstrafe.
    Michael (der kurze Zeit später heiratet, seine Frau aber auch wieder verlässt) ist mit seinen Gedanken immer wieder bei Hanna und kann auch bei anderen Frauen nur an sie denken und so fängt er an ihr wieder vorzulesen – dieses mal mit Kassetten und einem Aufnahmegerät. Hanna lernt selbst zu lesen, und wird nach 18 Jahren begnadigt…


    Die Geschichte, die vorerst nur mit einer Beziehung zweier Menschen aus zwei verschiedenen Generationen zu spielen scheint, wirkt bereits zu Beginn bedrückend. Die Art wie Hanna und Michael miteinander umgehen ist zwar vertraut (vor allem durch ihr Lese-Bade-Ritual), gleichzeitig aber auch sehr distanziert, weil die Beziehung der beiden doch im engeren Sinne immer geheim gehalten wird. Auch später vermag Michael es nicht über die gemeinsame Beziehung zu reden.


    Hanna hat nie das Lesen und Schreiben gelernt, und genauso wie die Beziehung zu Michael verschweigt sie auch ihren Analphabetismus. Sie gesteht lieber anderen Menschen nicht geholfen zu haben und bereitwillig in den Tod geschicht zu haben, als dass sie dieser lebensnotwendigen Fähigkeit nicht mächtig ist. Auch dadurch, dass sie sich die Gerichtsunterlagen und Textzeugen nicht durchgelesen hat, sorgt sie selbst für ihr Urteil, welches sonst sicher milder ausgefallen wäre.


    Bernhard Schlinks Erzählung wirkt bedrückend, ohne Hoffnung und ohne große Ausschmückungen. Man merkt bereits anfangs, dass diese hoffnungslose Romanze zum Scheitern verurteilt ist, und dass sich diese dennoch durch das gesamte Buch ziehen würde. Einfühlsam und dennoch schnörkellos trist zieht sich der Leidensweg Hannas durch das gesamte Buch, und mit ihr leidend der Michael, der eigentlich versucht mit Hanna abzuschließen, es aber nicht kann.
    Eine schöne, wenn auch schreckliche, Geschichte, die vielleicht auch ein anderes Auge auf die Mittäter werfen lässt (ungleich davon, dass sie dennoch schuldig sind).


    4ratten

  • Ich habe vor ein paar Jahren den Film gesehen, ohne das Buch zu kennen. Ich fand den Film sehr eindringlich. Das erkenne ich immer recht gut, wenn ich über einen Film auch nach ein paar Tagen noch nachdenke. Das kommt nicht besonders oft vor, muss ich sagen.


    Jetzt habe ich das Hörbuch gehört. Die Stimme des Vorlesers war mir zu alt. Speziell zu dem Beginn, als Michael noch so jung ist, passt sie nicht.


    Das Buch selbst ist vielschichtig, interessant. Die Stimmung mochte ich. Und wieder viel Stoff zum Nachdenken über die recht unterschiedlichen Probleme, mit denen Michael und Hanna es zu tun haben.


    4ratten

    Bücher sind Magie zum Mitnehmen.

  • Ich habe heute per Zufall über ein Video von Lydia Benecke darüber nachgedacht, wie krass es eigentlich ist, das nie über den Missbrauch von Hanna an Michael gesprochen wird. Man kann hier ja nicht von einer Beziehung sprechen, da sie ihn definitiv manipuliert. Wenn ein Mann im gleichen Alter diese Situationen herbeigeführt hätte, die der Roman beschreibt, hätte man definitiv den Missbrauch viel stärker in den Vordergrund gestellt.

    Ich merke auch das ich bei meiner eigenen Rezension diesen Aspekt gar nicht gesehen habe. Das finde ich sogar ziemlich erschreckend.