Stephen King - The Outsider

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  • Stephen King - Der Outsider


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    Koinzidenz


    Als die Leiche eines kleinen Jungen gefunden wird, fällt der Verdacht sehr schnell auf den Coach der Jugendbaseballmannschaft, Terry Maitland. Das ist für die Bewohner von Flint City doppelt erschreckend, denn Maitland ist ein beliebter Bürger, ist verheiratet, hat zwei Töchter und niemand hätte je etwas Schlechtes von ihm erwartet. Kann er wirklich ein so grausames Doppelleben führen? Und wie ist es möglich, dass er beweisbar an zwei Orten zur selben Zeit war? Welche Beweise sind Beweise, wo liegt der Fehler, was ist Lüge, was Wahrheit? Der Alptraum scheint kein Ende zu nehmen …



    Wie immer schafft King Figuren, die so real wirken, dass man glaubt, sie leben in der Nachbarschaft. Da trifft es hart, wenn eine dieser Figuren in eine Sache gerät, die sich wie Treibsand verhält und Rettung kaum möglich scheint. Man bleibt dran, lässt alles stehen und liegen, weil man unbedingt wissen muss, wie es weitergeht. So geht fesselndes Schreiben! Ob nun Terry Maitland, Detective Ralph Anderson oder Holly Gibbins – sie alle schleichen sich aus der Story heraus in das Leben des Hörers oder Lesers.



    Die Ermittlungsarbeit ist ein wichtiger Teil der Story. Was logisch erscheint, kann dennoch nicht stimmen. Das führt natürlich zu Situationen, die erschreckend sind. Als Außenstehender Beobachter möchte man so oft eingreifen, weil man mehr weiß und unbedingt helfen möchte, einen Unschuldigen und seine Angehörigen zu beschützen, zu retten. Das Leid, das die Angehörigen erfahren, schildert King sehr gut. Das ist einer der Punkte, warum ich seine Bücher so sehr mag – es steckt immer enorm viel Herz, Gefühl darin. Vermutlich zieht er einem gerade deshalb so heftig den Boden unter den Füßen weg.



    King schildert eindringlich, wie schnell ein Mob sich zusammenrottet, wie das außer Kontrolle geraten und sich verselbständigen kann und wie leicht Menschen komplett übers Ziel hinausschießen können. Der Ruf nach der Todesstrafe, ganz ohne vorherige Verhandlung, ganz ohne irgendwas – das hat mich extrem schockiert. Es ist der wahre Horror – ganz ohne Monster. Fast die Hälfte über denkt man, es muss eine normale Erklärung geben, bis King dann dem Monster doch noch die Tür öffnet. Es ist atemberaubend!



    Wie kein zweiter schafft es King, dass die von ihm geschaffenen Monster logisch aufgebaut und damit extrem gut vorstellbar sind. So sehr sich der Kopf dagegen wehren mag, so sehr glaubt das Herz daran. Mit Holly Gibney, die offen für jede für den gesunden Menschenverstand undenkbare Möglichkeit ist, schafft er quasi ein Medium, das die reale Welt mit der vermeintlich unerklärlichen Existenz verbindet und damit dem Buch den eigentlichen Thrill verleiht. Ohne sie würde das Buch nicht funktionieren, finde ich. Ja, sie ist eindeutig meine Lieblingsfigur!



    King gelingt auch hier wieder ein fulminanter Show-Down, der an die Nerven und unter die Haut geht. Besonders gut gefällt mir jedoch das „Danach“, also das eigentliche Ende. Er lässt die Geschichte wunderbar „ausrollen“ und lässt keine losen Fäden übrig, was jedoch nicht bedeutet, dass man ohne Alpträume schlafen kann!



    David Nathan hört man einfach gerne zu. Seine Stimme hat einen leicht melancholischen Unterton, der die düstere Grundstimmung sehr gut transportiert. So vergehen die mehr als neunzehn Stunden nicht nur aufgrund des Könnens des Meisters des Horrors, sondern auch des Könnens dieses wunderbaren Sprechers nahezu wie im Flug. Ganz klar: fünf Sterne!


    5ratten

  • Aufruhr in der kleinen Stadt Flint City: der Jugend-Baseballtrainer Terry Maitland, auch gerne liebevoll Coach T genannt, wird vor den Augen seiner Mannschaft mitten auf dem Spielfeld verhaftet und beschuldigt, einen Jungen brutal gequält und ermordet zu haben. Obwohl Maitland verzweifelt seine Unschuld beteuert und ganz genau weiß, dass er ein hieb- und stichfestes Alibi hat, ist die Beweislage erdrückend, DNA-Spuren inklusive.


    In der Brust von Detective Ralph Anderson, der mit dem Fall betraut ist, ringen zwei Seelen miteinander. Er kann sich kaum vorstellen, dass Terry, den er seit einer halben Ewigkeit kennt, ein so abscheuliches Verbrechen begangen haben soll, andererseits sprechen die Indizien eine mehr als deutliche Sprache. Doch als ein weiterer Mord geschieht und die Umstände ähnlich kurios sind, beginnt er, fast wider besseres Wissen, noch einmal ganz genau hinzusehen. Unterstützt von der Privatermittlerin Holly Gibney (die King-Fans aus der Bill-Hodges-Trilogie kennen) und Terry Maitlands Rechtsanwalt versucht Ralph fieberhaft, Licht ins Dunkel zu bringen und gerät dabei selbst in Gefahr.


    Es beginnt wie ein ganz normaler Krimi, mit Erzählkapiteln, die sich mit Polizeireports, Verhörprotokollen und Berichten der Gerichtsmedizin abwechseln. Doch schon bald schleicht sich der Zweifel ein, ob alles mit rechten Dingen zugehen kann, wenn ein Tatverdächtiger ein hundertprozentiges Alibi hat und trotzdem am Tatort eindeutige Beweise für seine Anwesenheit zu finden sind, untermauert noch durch mehrere Zeugenaussagen.


    Bei King ist es natürlich nichts Ungewöhnliches, dass sich hinter der ganz normalen Alltagsfassade mehr verbirgt, als die Schulweisheit sich träumen lässt. Ganz allmählich verdichten sich die Hinweise auf das, was wirklich geschehen ist, während King es wieder bestens versteht, sowohl die Spannungsschraube langsam anzuziehen als auch, sich großartig in seine Charaktere hineinzuversetzen und rund um seine Schauplätze viel Atmosphäre zu schaffen, egal ob im häuslichen Umfeld seiner Figuren, einem abgeranzten Stripclub oder einem verlassenen Höhlen-Erlebnispark.


    Ein gelungener und fesselnder Mysterykrimi - einzig die unappetitlichen Details zur Ermordung des ersten Opfers hätte ich nicht unbedingt so gebraucht.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





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    Stephen Kings "Der Outsider" beginnt eher als Krimi oder Justizthriller denn als Horror-Roman, aber wie in vielen seiner Bücher schleicht sich das Übernatürliche langsam heran. Erst in der zweiten Hälfte des Romans verschwimmen die Grenzen der Realität nach und nach, weil die ProtagonistInnen nicht mehr die Augen davor verschließen können, dass nicht alles mit rechten Dingen zugeht.


    Indem die LeserInnen den Schicksalen und Sichtweisen der unterschiedlichen ProtagonistInnen folgen, aus deren wechselnden Perspektiven das Geschehen geschildert wird, findet von Anfang an eine Entwicklung weg von vermeintlichen Gewissheiten zu starken Zweifeln statt: Auf der einen Seite hat die Polizei gute Gründe dafür, Terry Maitland für einen grausamen Kindermörder zu halten, einschließlich glaubwürdiger Zeugen, eindeutiger Fingerabdrücke und DNA-Spuren, auf der anderen Seite schafft es Terrys Anwalt Howie Gold Beweise dafür zu erbringen, dass er sich nachweisbar an einem anderen Ort aufgehalten hat - wie kann das möglich sein? Diese Zweifel entstehen auch beim ermittelnden Beamten Ralph Anderson, der bald erkennt, dass in diesem Fall etwas ganz und gar nicht stimmt. Die beiden beiden machen sich unter anderem zusammen mit der von Howie beauftragten Ermittlerin Holly Gibson daran, die Hintergründe des Verbrechens aufzuklären und stoßen auf schreckliche Dinge.


    Bei diesem Roman wird einmal mehr deutlich, dass Stephen King ein toller Erzähler ist, der glaubwürdige Charaktere und eine spannende Story gut miteinander verbinden kann. Die Art und Weise, wie sich erst Zweifel an der Geschichte und dann das Grauen anschleichen ist absolut gelungen, daher hat mich der Roman wirklich gut unterhalten.


    5ratten

  • King schildert eindringlich, wie schnell ein Mob sich zusammenrottet, wie das außer Kontrolle geraten und sich verselbständigen kann und wie leicht Menschen komplett übers Ziel hinausschießen können.

    Das ist etwas, worin Stephen King meiner Meinung nach tatsächlich unvergleichlich ist. Outsider habe ich zwar noch nicht gelesen, aber dieses Thema kommt ja auch in anderen seiner Bücher vor und entfaltet oft einen fast noch größeren Horror als die übernatürlichen Elemente.

  • Zu diesem Buch gab es zwei Threads, die habe ich jetzt mal zusammengebastelt.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

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