Reinhold Messner - Mord am UnMöglichen

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 1.652 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

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    Inhalt

    Reinhold Messner verfasste schon 1968 einen Artikel, in dem er die zunehmende Technisierung im Bergsport kritisierte. Das Unmögliche wurde nicht durch Können, sondern durch technische Hilfsmittel möglich gemacht. Viele Bergsteiger und Kletterer folgten Messners Aufruf, auf diese Hilfsmittel zu verzichten und das Freiklettern nicht sterben zu lassen.


    Bis jetzt

    Zitat

    Man muss den Felsen den Hof machen, sie umwerben. Dann lässt dich das Unmögliche vorbei.

    Das Zitat stammt nicht von Messner. Ich finde, es beschreibt sehr schön, wie man klettern sollte. Nicht mit aller Gewalt auf den Gipfel, sondern im Rahmen seiner Möglichkeiten. Wenn die nicht ausreichen, kann man sein Ziel nicht erreichen. Aber vielleicht im zweiten, dritten oder noch späteren Anlauf.


    Bis jetzt habe ich einige Interviews von Bergsteigern aus den 40er bis 60er Jahren gelesen. Auch Messner ist zu Wort gekommen. Er ist eine eigentümliche Mischung aus Bescheidenheit und Liebe zum Berg, aber auch einer gewissen Arroganz. Ganz besonders, wenn er seinen zahlreichen Zweiflern einfach nur entgegenlächelt. Aber auch er sagt, dass er sich manchmal gut hat festhalten müssen, um nicht aus der Wand zu fallen. Vielleicht kann er einfach ein bisschen mehr als die Menschen bereit sind, zu glauben.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Der zweite Teil des Buchs ist von 2018, also 50 Jahre nach Messners Artikel. Jetzt kommen die Bergsteiger und Kletterer von heute zu Wort. Alle haben sie eines gemeinsam: sie wollen so wenig technische Hilfsmittel wie möglich verwenden. Aber sonst widersprechen sie sich teilweise sehr. Der eine sagt, dass es ihm egal ist, wie viele Fixseile und Flaschen mit Sauerstoff zur Besteigung des Mount Everest mitgenommen werden, solange sie nicht dort bleiben und die Menschen keine Spuren hinterlassen. Der nächste meint, dass nur die Besteigung aus eigener Kraft die Richtige ist. Schade, dass jeder seinen Beitrag zum Buch alleine geschrieben hat. Wären sie alle gemeinsam in einem Raum gewesen, hätte es bestimmt interessante Diskussionen gegeben ;)


    Sehr schön fand ich die Bemerkung eines noch recht jungen Bergführers der sagte, es sei ihm mittlerweile egal, welchen Gipfel er gerade besteigt. Es kommt ihm nur noch auf das Wie an, und welcher Partner an seiner Seite ist.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Gerade habe ich einen sehr interessanten Mensch kennengelernt: Mick Fowler, der zahlreiche Erstbesteigungen und insgesamt 3 Piolet d'Ors für sich verbuchen kann. Er war bis zu seiner Pensionierung nur Wochenend- und Ferienkletterer. Sein Geld hat er bei der britischen Steuerbehörde verdient.


    Genauso interessant fand ich die Aussage von Alex Honnold. Er meinte, das Unmögliche wäre nicht weg, es hätte sich nur verändert.


    Und noch eine sehr schöne Meinung zum Thema technische Hilfsmittel: wenn man z.B. die verteufelten Bohrhaken verwendet, bedeutet das nicht dass man per se unsauber klettert. Dafür macht derjenige vielleicht etwas anderes, was sehr sauber ist. Man sollte deshalb immer das Ganze sehen.


    Bis jetzt hat mir der Beitrag von Thomas Huber am wenigsten gefallen. Er ist nur kurz auf den Artikel von Reinhold Messner eingegangen und hat dann eine eigene Geschichte erzählt. Dass er gerne mal am Thema vorbeigeht, kenne ich von ihm. Hier finde ich es allerdings unpassend.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Gerade die Artikel der jüngeren Generation gefallen mir sehr gut. Sie beleuchten das Problem von allen Seiten und sind nicht so verbissen gegen technische Hilfsmittel wie manch älterer Bergsteiger, aber auch nicht uneingeschränkt dafür.


    Sehr schön fand ich den Text von David Lama. Auf den war ich gespannt, weil er mir vor einiger Zeit als Showman unangenehm aufgefallen war. Für einen Beitrag hat sein (Film)Team zu viel Material im Berg gelassen. Mittlerweile scheint er gereifter, seinen Beitrag fand ich einen der besten.


    Interessant fand ich, dass viele der jüngeren die immer größer werdende mediale Begleitung verurteilen. Dass man jeden Schritt im Internet begleiten kann, wirft ein falsches Licht auf den Sport.

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  • Zwei Aussagen sind mir noch ins Auge gefallen. Die eine stammt von Jacobo Larcher. Er beklagte sich darüber, dass die großen Namen vergessen werden. Er hatte recht: von denen, die er aufgezählt hat, ist mir nur Wolfgang Güllich ein Begriff und schon ihn habe ich auch nicht bewusst mitbekommen. Wahrscheinlich bleiben nur die ganz spektakulären Aktionen im Gedächtnis, nicht die Frauen und Männer, die sie möglich gemacht haben.


    Marek Raganowics setzt sich mit der Rolle der Sponsoren kritisch auseinander. Auf der einen Seite ermöglichen sie es, dass man in bis dahin unerreichbare Gegenden vordringen kann. Auf der anderen Seite ist es vielleicht genau das, was das Unmögliche kaputt macht weil die Erreichbarkeit diese Regionen auch zum Teil Kaputt macht. In diesem Zusammenhang hat Stefan Glowacs letztes Jahr eine interessante Expedition nach Grönland gemacht: mit Segelboten und Schlitten, also ohne zusätzliche Motorenleistung. Der Plastikmüll wurde auch wieder mitgenommen. Das hat mir gut gefallen.

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    Inhalt

    1968 beschrieb Reinhold Messner in einem Artikel über die Veränderungen im Bergsport über den Mord am UnMöglichen. Damit meinte er die Zunahmen von technischen Hilfsmitteln, die es auch weniger starken und wenig erfahrenen Bergsteigern möglich machten, schwierige Routen und hohe Gipfel zu erklimmen. Seinem Appell auf diese Hilfsmittel zu verzichten, folgten damals viele. Das war der Beginn des Freeclimbings, bei dem sich die Schwierigkeitsgrade auch heute noch immer weiter steigern.


    Meine Meinung

    Ich kenne Reinhold Messner natürlich durch das, was er am Berg erreicht hat. Aber auch durch die Diskussion um den Yeti, die ich nur am Rand verfolgt habe. Von ihm selbst hatte ich noch nichts gelesen, bei seinem Buch hat mich zuerst der Titel und dann die Verfasser der Artikel darin angesprochen.


    Die Diskussion um die Wahl der Hilfsmittel gibt es in jedem Sport, aber beim Bergsteigen nimmt sie andere Dimensionen an. Mittlerweile ist der Weg auf den höchsten Berg der Welt mit Fixseilen so präpariert, dass man den Gipfel erreichen kann, wenn man dafür bezahlen kann. Auch beim Klettern geht es vielen nicht mehr um das Austüfteln der Route selbst, sondern nur um einen Haken auf seiner Liste zu machen. Dass das zu Lasten der Natur geht, ist ohne Frage.


    Deshalb war es für mich interessant zu lesen, wie sich die großen Bergsteiger und Kletterer mit der Frage, ob das Unmögliche wirklich tot ist, auseinander setzen. Gerade die junge Generation hat mich mit ihrer Flexibilität und den Ansichten oft überrascht, während die Bergsteiger der frühen Generationen meistens an ihren alten Werten festgehalten haben.


    Leider hat jeder seinen Artikel für sich selbst geschrieben, so dass es keine Diskussionen untereinander gab. Das wäre sicher interessant gewesen. Aber auch so gibt der Mord am UnMöglichen viele Denkanstöße und ist nicht nur für Bergsteiger oder Kletterer zu empfehlen.

    5ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Vielen Dank für Deinen Lesebericht, Kirsten :) - hat mich neugierig gemacht..

    Kommen die beiden Bergsteiger, die meine Sympathie begleitet (Hans Kammerlander und Gerlinde Kaltenbrunner..) auch zu Wort? Beide gehören ja auch eher zur "wenig Technik" -Fraktion..

  • Leider nein zu beiden. Messner erwähnt nicht, unter welchen Gesichtspunkten er seine Autoren ausgesucht hat. Mich würde interessieren, ob es noch mehr Artikel gibt, die er nicht ins Buch aufgenommen hat. Aber auch, wer ihm abgesagt hat und aus welchen Gründen.


    Schade finde ich, dass sehr wenige Frauen zu Wort kommen. Mich hätte die Meinung von Lynn Hill sehr interessiert, aber sie wird kaum erwähnt :(

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  • Jetzt kommen die Bergsteiger und Kletterer von heute zu Wort. Alle haben sie eines gemeinsam: sie wollen so wenig technische Hilfsmittel wie möglich verwenden. Aber sonst widersprechen sie sich teilweise sehr. Der eine sagt, dass es ihm egal ist, wie viele Fixseile und Flaschen mit Sauerstoff zur Besteigung des Mount Everest mitgenommen werden, solange sie nicht dort bleiben und die Menschen keine Spuren hinterlassen. Der nächste meint, dass nur die Besteigung aus eigener Kraft die Richtige ist.

    Ich finde, dass man die Leistung heutiger Bergsteiger nicht mehr mit der von früher vergleichen kann. Zweifellos ist es auch eine Leistung, heutzutage einen Berg zu bezwingen, aber Funktionskleidung und andere technische Ausrüstung erleichtern einiges.

    Ich kann mich noch gut an diese Asiatin erinnern, die immer im Wettstreit mit einigen anderen Frauen (u. a. Gerlinde Kaltenbrunner) sich sogar mit dem Hubschrauber zu den Lagern fliegen ließ und somit Zeit und Kräfte sparen konnte. Alle Ausrüstung natürlich vom Feinsten, wahrscheinlich gesponsort von ihrgend einem TV-Sender und Hilfspersonal ohne Ende.

    Die eigentlichen Helden sind die Sherpas, die schon x-mal auf den Gipfeln waren und dabei für die großen Namen geschleppt haben.

  • Die eigentlichen Helden sind die Sherpas, die schon x-mal auf den Gipfeln waren und dabei für die großen Namen geschleppt haben.

    Da stimme ich dir voll und ganz zu:thumbup:



    Thema Ausrüstung und Funktionskleidung: ich kenne es nur vom Laufen, aber da ist die Ausrüstung teilweise auch eine Wissenschaft, hauptsächlich was Schuhe betrifft. vor drei Jahren ist ein Bekannter von uns vom Norden Europas bis zum südlichsten Punkt gelaufen- in Sandalen. Egal, wie gut oder schlecht du ausgerüstet bist: die beste Ausrüstung bist du selbst.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich überlege auch manchmal, wie die heutigen Tauchsportler mit der Ausrüstung zurechtkämen, mit der ich vor fast 30 Jahren getaucht bin. Damals ging es vor allem darum, das Gefühl des Schwebens zu genießen, schöne Fische und Unterwasserlandschaften zu entdecken. Heute geht es nur noch darum, wer noch tiefer kommt oder länger im Wasser bleiben kann. Wir haben auch Höhlen-, Wrack- oder Eistauchgänge gemacht, und wenn ich sehe, welche Spezialausrüstung die Leute dafür heutzutage dabei haben, wundere ich mich, dass wir damals nicht ertrunken sind :breitgrins:. In der Hinsicht gehe ich d'accord mit Herrn Messner.

  • Meine zweite Meinung

    Das Buch hat mir tatsächlich beim zweiten Lesen noch besser gefallen als beim ersten Mal. Ein Satz ist mir besonders hängen geblieben: der Mord an der Fantasie ist oft schlimmer als der Mord am Unmöglichen.


    Auch eine sehr entspannte Aussage hat mir gut gefallen: wenn es den Menschen möglich gemacht wird, das Unmögliche zu wagen, warum nicht? Wer die Mittel hat, um die höchsten Berge der Welt zu besteigen, kann das ruhig machen- aber nur mit der nötigen Kletterethik. Grob gesagt: nehmt euren Müll mit und kackt nicht mitten auf den Weg.


    Allerdings haben sich diese beiden Aussagen auf das Expeditionsbergsteigen bezogen, das mehr und mehr zu einem profitablem Tourismus wird.


    Wenn es ums reine Klettern an den steilen Wänden geht, ist die Meinung eindeutig: man muss nicht um jeden Preis den Gipfel erreichen, sondern innerhalb der eigenen Möglichkeiten bleiben. Wenn die die Begehung nicht zulassen, ist die Erfahrung, es sauber versucht zu haben und gescheitert zu sein mehr wert als die Bezwingung der Wand mit einem Bohrhaken pro Meter. Die Botschaft ist klar: auch kleine Erlebnisse zählen. Sicher ist das schwer, wenn man in den Medien nur das scheinbar perfekte Leben anderer gezeigt bekommt, aber letztendlich sind diese anderen nicht wichtig. Wenn alles möglich ist, gibt es keinen Platz mehr für Träume.

    5ratten

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