Till Lindemann - 100 Gedichte

Es gibt 21 Antworten in diesem Thema, welches 5.458 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Weratundrina.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Seit Wochen schon schiebe ich diese Rezi vor mir her, ganz einfach weil ich nicht genau weiß wie ich anfangen soll. Ich bin ein großer Fan von Lindemanns Texten, wobei ich zugeben muss dass er ebenso viel Geniales wie Schrottiges zu Papier gebracht hat.

    Dieser Gedichtband hier zeigt jedenfalls nicht oft seine gute Seite. Da sind schon ein paar Stücke bei wo ich wieder seine Wortgewandtheit bestaune, die Schönheit der Sprache oder die gut platzierten Pointen. Und bei diesen Gedichten höre ich während dem Lesen quasi Till rollendes R.

    Aber dann blättere ich weiter und lese das nächste Gedicht und frage mich ob Till da schlecht geträumt hatte oder was da passiert ist das er denkt, das könnte jemand gut finden.

    Wenn die Texte wenigstens noch provokant wären, oder zumindest zum Nachdenken anregen würden. Ein paar von ihnen sind zwar ganz lustig, andere kurz und knackig und ganz amüsant, aber nicht ganz das was man von Lindemann erwarten würde.


    Thematisch behandelt Lindemann alles was ihm gerade durch den Kopf geht. Vom Besuch einer öffentlichen Toilette der ziemlich schief läuft, über einer Warze die einfach da ist, bis zum Geruch des männlichen Geschlechts, kann das alles sein. Meistens aber geht es um die Liebe in jeglicher Form. Der krankhaften oder wahnsinnig machenden Liebe, der zarten oder der brutalen Liebe.

    Die Kapitel werden von ziemlich vulgären Zeichnungen von Matthias Matthies getrennt. Ich kann nicht behaupten dass ich diese Bilder jetzt besonders toll finde, schlecht sind sie aber auch nicht. Sie erinnern von der Machart her an diese griechischen Bilder auf antiken Tonkrügen.


    Fazit: Ein paar richtig gute Sachen sind zwar dabei, aber leider zu wenig um diese Sammlung uneingeschränkt empfehlen zu können.


    2ratten

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Dann darf man Rammstein aber von Anfang an nicht gut finden. Sie beschreiben Taten gerne aus der Sicht des Täters. Das heißt aber doch nicht dass sie deshalb diese Taten gut finden. Da braucht man nur mal "Wiener Blut", "Mein Teil" oder auch "Stein um Stein" welches sogar auf der allerersten Platte drauf ist (wenn ich mich nicht irre) anzuhören. Da werden ziemlich schlimme Dinge beschrieben.

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • beim letzten Rammsteinkonzert 2010 waren wir damals nur wg. der Vorband da. Mit denen haben wir sonst immer brav nach der Show im Backstagebereich was getrunken und geratscht. Bei dem Konzert saßen wir mit denen dann aber draußen auf der Straße bei nem Bierchen, weil die Anweisung vom Lindemann war, dass nur bestimmte Frauentypen hinter die Bühne durften und die auch nur maximal 24 sein durften.


    Spätestens seitdem waren dann Rammstein für mich von menschlicher Seite auch gegessen. Ich war noch nie ein Fan von Menschen mit Allüren und erst recht nicht, wenn es so ne sexistische Schei... ist.

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Ich habe davon auch mitbekommen, da eine Freundin von mir da sehr aktiv ist und darauf aufmerksam gemacht hat.


    In dem Gedicht, auf das im Spiegel-Artikel oben Bezug genommen wird, wird Vergewaltigung verherrlicht. Ende. Nichts anderes ist das.


    Meiner Meinung nach können Vergewaltigungen und Co. durchaus Teil der Kunst werden - kann ja auch zur Verarbeitung gehören. Aber dann soll bitte lyrisch markiert werden, welch' Schandtat das ist, dass hier nicht nur eine Straftat sondern eine grausame Tat vollzogen wird. Nur dann ist die Darstellung von solchen Tabuthemen meiner Meinung nach akzeptabel.


    Die Darstellung von Bösen oder bösen Taten in der Kunst darf ja geschehen, aber dann bitte so dass das, was getan wird, nicht als ein "Segen", als etwas Gutes dargestellt wird.

    In dem erwähnten Gedicht wird an keinster Stelle erwähnt, dass das, das da geschieht, falsch ist. Nicht mal als Subtext, nirgends.

    Und das macht es zu etwas Verwerflichem. Es ist auch keine brutale Liebe oder so. Es ist schlichtweg glorifizierte Vergewaltigung.


    Rammstein hat mir noch nie gefallen, hauptsächlich wegen der Texte. Und der Kerl kommt mir einfach widerwärtig vor, wenn er mit so etwas provozieren und auffallen möchte. Man kann auch schockieren und düstere Themen ansprechen, ohne (sexuelle) Gewalt zu glorifizieren.

    (Und dabei sage ich wohl gemerkt nicht, dass er untalentiert ist. Die ist mir an dieser Stelle unwichtig :))



    Ich habe das obige Buch nicht gelesen aber mir ein paar Ausschnitte angeguckt und das hat mir leider gereicht. Es sind ja auch ein paar "milde" Sachen dabei, total unspektakuläre Texte. Aber das macht es absolut nicht besser...



    Zitat von nanu?!


    Dann darf man Rammstein aber von Anfang an nicht gut finden. Sie beschreiben Taten gerne aus der Sicht des Täters. Das heißt aber doch nicht dass sie deshalb diese Taten gut finden. Da braucht man nur mal "Wiener Blut", "Mein Teil" oder auch "Stein um Stein" welches sogar auf der allerersten Platte drauf ist (wenn ich mich nicht irre) anzuhören. Da werden ziemlich schlimme Dinge beschrieben.


    Das mag ja sein, dass der Künstler das Beschriebene nicht in Wirklichkeit unterstützen würde. Darüber mag ich keine Aussage treffen. Es hinterlässt dennoch einen faden Beigeschmack und ich würde Angst vor jeder Person haben die eine Vergewaltigungsszene als "Segen" beschreibt und das Lyrische Ich dann aber nicht als Bösen oder die Tat als verwerflich darstellt.

    Im Grunde trägt er mit solchen Texten zur Vergewaltigungskultur bei und pflanzt diverse falsche Vorstellungen ein, so unterbewusst sie auch sein mögen.





    Schade eigentlich, ich bin sicher er könnte auch Texte schreiben die nicht so sind.

  • Das ist schwierig. Ein Sänger darf nicht über die Tat eines Verbrechers schreiben, ein Schriftsteller schreibt ganze Bücher darüber, teils mit widerlichsten Details, und darüber regt sich niemand auf.

    Was darf Kunst und was nicht? Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Spätestens seit den Fischen ist bei mir jetzt definitiv Schluss mit Rammstein.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Spätestens seit den Fischen ist bei mir jetzt definitiv Schluss mit Rammstein.

    Ich habe nie gesagt dass mir alles von Rammstein gefällt.


    Das Gedichtband hier ist auch eigentlich von Lindemann und Rammstein hat nichts damit zu tun.

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Das ist schwierig. Ein Sänger darf nicht über die Tat eines Verbrechers schreiben, ein Schriftsteller schreibt ganze Bücher darüber, teils mit widerlichsten Details, und darüber regt sich niemand auf.

    Was darf Kunst und was nicht? Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

    Ähm nein das ist nicht mit zweierlei Maß messen. Denn ich würde das immer!! anprangern. Egal in welchem Medium und das tue ich auch, wenn ich ein Buch lese und mir so etwas auffällt.

    Und nein, Kunst darf sich nicht einfach auf Kunst zurückziehen. Kunst ist immer irgendwie ein Kommentar zur Gesellschaft und kann sich nicht in den Elfenbeinturm zurückziehen: Ach ich bin Künstler, ich darf immer alles und überall. Eben nicht. Auch Künstler müssen damit Leben das sie Diskutiert werden und da man ihre Kunst ablehnt, weil sie rassistisch, Sexistisch ist und damit andere Menschen herabwürdigt. In diesem Fall glasklar Menschen die vergewaltigt wurden. Die Verherrlichung davon ist einfach nur widerlich und kann sich nicht auf Kunstfreiheit zurückziehen. Denn dann wäre auch Kinderpornografie letztendlich ein Beitrag zur Kunstfreiheit.


    Kritty

    Danke für deinen Kommentar!!!

  • Das ist schwierig. Ein Sänger darf nicht über die Tat eines Verbrechers schreiben, ein Schriftsteller schreibt ganze Bücher darüber, teils mit widerlichsten Details, und darüber regt sich niemand auf.

    Was darf Kunst und was nicht? Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.



    Wie ich oben geschrieben habe:





    Zitat von Kritty

    Meiner Meinung nach können Vergewaltigungen und Co. durchaus Teil der Kunst werden - kann ja auch zur Verarbeitung gehören. Aber dann soll bitte lyrisch markiert werden, welch' Schandtat das ist, dass hier nicht nur eine Straftat sondern eine grausame Tat vollzogen wird. Nur dann ist die Darstellung von solchen Tabuthemen meiner Meinung nach akzeptabel.


    Die Darstellung von Bösen oder bösen Taten in der Kunst darf ja geschehen, aber dann bitte so dass das, was getan wird, nicht als ein "Segen", als etwas Gutes dargestellt wird.

    In dem erwähnten Gedicht wird an keinster Stelle erwähnt, dass das, das da geschieht, falsch ist.



    Egal wo und durch welches Medium das geschieht: Solche Themen können dargestellt werden, finde ich. Aber es ist respektlos, traurig und furchtbar, wenn das beschönigend, glorifizierend und verherrlichend geschieht.

    Auch im Film: Wenn bei einer Vergewaltigungsszene nur gezeigt wird wie der Täter es genießt, dann ist das schlimm. Wenn aber auf respektvolle Weise dargestellt wird, wie schlimm dieser Akt wird und was da am Körper und der Psyche des anderen Menschen verübt wird, und wenn der Akt als falsch und übergriffig dargestellt wird, dann ist es zumindest ein Kommentar.


    Ich würde mich sehr wohl über ein Buch aufregen, das voller solcher Szenen ist.



    Wie gesagt: Das Thema sollte nicht tabu sein und ich beschuldige den Künstler hinter dem Text oben nicht, so wie das Lyrische Ich zu denken. Ich finde nur, dass er mit so viel Reichweite und auch dem künstlerischen Talent das er hat oder das er haben könnte, durchaus respektvollere und nicht so geschmacklose Texte schreiben könnte.

  • Das ist schwierig. Ein Sänger darf nicht über die Tat eines Verbrechers schreiben, ein Schriftsteller schreibt ganze Bücher darüber, teils mit widerlichsten Details, und darüber regt sich niemand auf.

    Was darf Kunst und was nicht? Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

    Ich bin da bei dir und würde die Kunstfreiheit generell erst einmal sehr hoch ansetzen. Die Frage ist natürlich dennoch, ob man alles tun muss, was man darf. Eine ähnliche Diskussion gab es ja auch über Jan Böhmermann und das Schmähgedicht (ich bin mir der Unterschiede im Inhalt durchaus bewusst!). Ich habe das Lindemann-Gedicht nicht gelesen und in meinem Leben auch noch sehr wenige Lieder von Rammstein gehört. Bei der Diskussion kam mir allerdings sofort "Jeanny" von Falco in den Kopf.

  • Ich habe das Lindemann-Gedicht nicht gelesen .



    Im Spiegelartikel oben ist aus dem Gedicht zitiert:


    Es geht also um einen betäubten Menschen welcher vergewaltigt wird und es wird als Segen beschrieben, und "genauso soll das sein", "das macht Spaß".

    Ich stimme dir zu: 1. muss man nicht alles tun, was man tun darf!

    Aber es ist auch so, dass 2. Kunst kein Freifahrtschein sein sollte. Nur weil etwas Kunst ist muss man es nicht in Ordnung oder okay finden. Es gibt ja mindestens mal so etwas wie Kunstkritik. Und auch Kritik an der Entscheidung, einen widerlichen Akt wie eine Vergewaltigung als gut, spaßig darzustellen. Das Gedicht wäre ganz anders geworden wenn man am Ende offenbart hätte wie schadhaft die Tat war, dass das Lyrische Ich abseits der mitfühlenden Norm gehandelt hat, welche Grauen er da verbreitet hat. Dann wäre das Gedicht etwas komplett anderes geworden.


    Zuzüglich muss man sich hier die Frage stellen warum man das lyrische Ich über die Opfer in der echten Welt heben muss. Ich bin sehr enttäuscht über die Reaktion, die der Verlag hier gezeigt hat, der ja nicht nur sowas wie das oben erwähnte Gedicht veröffentlicht hat. Sich hinter der Tatsache verstecken, dass das Lyrische Ich nicht der Künstler ist, ist nicht besonders beeindruckend. Und immer auf Kunstfreiheit beharren ist halt auch ein schwaches Argument, darum geht es ja im Grunde nicht.

  • Wenn man sich bloß das Cover von diesem Buch anschaut, muss man doch sehen was er will: Provozieren, anecken, Diskussionen darüber entfachen was man darf und was nicht.

    Wenn der Schriftsteller die widerlichsten Morde beschreibt, schreibt der im Nachwort doch auch nicht "Das sind nicht meine heimlichen Phantasien, es ist nur ein Roman".

    Das Gedicht worum es geht gefällt mir auch nicht, ich habe dem Buch ja auch nur zwei Ratten vergeben, und ich verstehe wenn sich viele verletzt/angeekelt fühlen.

    Und wie gesagt, Lindemann lebt davon andere zu provozieren, zu schockieren, manchmal auch zum Nachdenken zu bringen. Und im Grunde macht er nicht viel anderes als das was auch die Schriftsteller tun: Geschichten erzählen. Mal aus der Sicht des Täters, mal aus der Sicht des Opfers (davon haben sie ebenso viele Texte gemacht).

    Gut muss man das ja nicht finden.

    Lesen ist die schönste Brücke zu meinen Wunschträumen.

  • Natürlich darf und sollte man Kunst auch kritisieren. Die Diskussion scheint aber zumindest in den sozialen Medien schnell in Richtung "sowas darf man nicht schreiben; das muss man verbieten" abzudriften. Und das ist eben falsch. Er darf das schreiben, genauso wie der Leser den Inhalt schrecklich finden darf.

    Im Prinzip hat Herr Lindemann es geschafft, durch sein Gedicht zu einer Diskussion auch über das Thema anzuregen. Insofern also doch vielleicht sogar ganz gut? (Ich kenne ihn zwar nicht, aber gehe nicht davon aus, dass er tatsächlich Mädchen betäubt und vergewaltigt. Wie nanu?! schon schreibt, lebt dieser Mensch einfach von der Provokation.)

  • Wenn man sich bloß das Cover von diesem Buch anschaut, muss man doch sehen was er will: Provozieren, anecken, Diskussionen darüber entfachen was man darf und was nicht.

    Wenn der Schriftsteller die widerlichsten Morde beschreibt, schreibt der im Nachwort doch auch nicht "Das sind nicht meine heimlichen Phantasien, es ist nur ein Roman".


    Bei den meisten Mordbeschreibungen werden die Morde in den extra dafür geschaffenen Kontext eines Verbrechens gesetzt - was schon automatisch den Mord als Straftat und nicht akzeptabel markiert. Denn der Mord soll eigentlich immer aufgeklärt werden, der Mörder wird meistens gesucht und seine Tat als etwas dargestellt, was vielleicht manchen Personen ganz viele tolle Machtgefühle gibt, aber was verboten und verwerflich ist.


    Der Inhalt des Gedichts ist ohne Kontext, sagt einfach nur aus: "Das Lyrische Ich vergewaltigt jemande, und das ist spaßig und ein Segen ."

    Es hat diese Aussage weil "Das Lyrische Ich empfindet das als spaßig und einen Segen." als Aussage nicht relativiert bzw neutralisiert wird, die Aussage und Meinung des Lyrischen Ichs bleibt als korrekte und richtige Aussage stehen und wird nicht als falsch und unmoralisch beschrieben wie es eigentlich sollte.



    Natürlich darf und sollte man Kunst auch kritisieren. Die Diskussion scheint aber zumindest in den sozialen Medien schnell in Richtung "sowas darf man nicht schreiben; das muss man verbieten" abzudriften. Und das ist eben falsch. Er darf das schreiben, genauso wie der Leser den Inhalt schrecklich finden darf.

    Im Prinzip hat Herr Lindemann es geschafft, durch sein Gedicht zu einer Diskussion auch über das Thema anzuregen. Insofern also doch vielleicht sogar ganz gut? (Ich kenne ihn zwar nicht, aber gehe nicht davon aus, dass er tatsächlich Mädchen betäubt und vergewaltigt. Wie nanu?! schon schreibt, lebt dieser Mensch einfach von der Provokation.)



    Klar, es gibt kein Gesetz das besagt, man darf sowas nicht schreiben. Und ich habe ja extra oben gesagt dass diese Themen durchaus in der Kunst einen Platz haben (sollten). Jegliche Kritik an diesem Gedicht ist halt, wenn man es genau sehen möchte, Kunstkritik und vor allem aber auch Kritik am Verlag, der sich dazu entschlossen hat, genau dieses Gedicht drucken zu lassen. Es ist Kunst, es sind nur ein paar Worte, aber sie verbreiten eine unterschwellige Message, die besagt dass das, was da geschieht, okay ist. Man könnte jetzt meinen, dass niemand wirklich bewusst nach Lesen des Gedichts denkt 'hm. ja. jetzt finde ich Vergewaltigung in Ordnung." - klar, nein. Aber es trägt subtil zur Rapekultur bei und ist vor allem für diejenigen, die so etwas erlebt haben, ein Schlag in's Gesicht. Und zwar nicht weil es sowas thematisiert, sondern wie es geschieht und wie der Meta-Kommentar dazu ist.


    (Und wenn eine hinterbliebene Person eines Mordopfers mal über eine Geschichte mit Mordopfer stolpert, dann ist das etwas anderes weil Morde in den meisten Fällen in einen entsprechenden Kontext gesetzt werden, welcher den Mord als fragwürdig markiert).


    (Und natürlich geht man nicht davon aus, dass er die Tat in Wirklichkeit begeht oder begehen würde! Das habe ich oben mehrfach erwähnt und das steht hier auch garnicht zur Debatte... es geht einzig und allein um den Text und was er bewirkt. Die Diskussion die darum entstanden ist in den Medien war bestimmt nicht sein Motiv (meiner Meinung nach) und sie bringt auch nichts Positives mit sich, da der Text nun mal existiert und ihn viele viele Menschen ganz unabhängig von der Diskussion - ohne etwas von ihr mitzukriegen - lesen werden).




    Also ich wollte auch garnicht polemisieren oder so. Mir ist das Thema nur sehr wichtig, weil sich viel zu viele Künstler*innen hinter "in der Kunst ist alles erlaubt" (sollte es nicht) und "ich will nur provozieren und zum nachdenken anregen" ausruhen. Das ist nicht in Ordnung und es kann besser gemacht werden.




    Tut mir leid :)

  • Oh, nanu?! : Meine Ausschweifungen waren auch zu 100% keine Kritik oder Ähnliches an dir! Und ich sage auch nicht dass Herr Lindemann ein durch und durch schlechter Mensch ist. Meine Kritik galt diesem einen Gedicht und anderen Texten dieser Art die verfasst werden und dem Verlag, der sich dazu entschieden hat dieses Gedicht abzudrucken.

    Ich hoffe du hast dich nicht angegriffen gefühlt. :blume:

  • Alles gut Kritty. :) Ich verstehe deine Position völlig und was den Inhalt des Gesichts angeht und mögliche Auswirkungen auf Betroffene, teile ich sie auch.


    Ich finde allerdings nicht, dass ein Gedicht seinen Inhalt moralisch einordnen muss. Ich bin da nicht so bewandert, aber es gibt sicherlich viele Gedichte, Dramen, u.a. in der Weltliteratur, die fragwürdige und verwerfliche Handlungen darstellen, ohne sie zu relativieren oder in einen Kontext zu setzen, dass auch der letzte kapiert, dass das in der Realität so nicht okay wäre. Die Einordnung ist meiner Ansicht nach Aufgabe des Lesers.


    ... da der Text nun mal existiert und ihn viele viele Menschen ganz unabhängig von der Diskussion - ohne etwas von ihr mitzukriegen - lesen werden).

    Und ich glaube, du überschätzt die Reichweite dieses Buches. ;) Die Diskussion momentan ist das beste Marketing, was es für ein wahrscheinlich sonst ziemlich unbeachtetes Werk nur geben kann. Nach dem Motto, alle Schlagzeilen sind gute Schlagzeilen für die Verkaufszahlen.

  • es ist für mich recht einfach: hätte er aus Sicht eines Nazis das Verbrennen eines Juden im KZ in dieser Art beschrieben, dann gäbe es keine Diskussion über künstlerische Freiheit. Das Problem ist auch nicht, dass Schriftsteller über Mord schreiben. Es geht darum, dass wir in einer Gesellschaft leben, in denen sexuelle Übergriffe als solches oftmals nicht angesehen werden, Opfern eine Mitschuld zugeschrieben wird und viele Opfer es lieber für sich behalten, als es offen anzuzeigen, weil das Stigma, Opfer eines sexuellen Angriffs geworden zu sein, genauso schlimm ist wie die Tat selbst.


    Das ist für mich nämlich ein himmelweiter Unterschied zu Mord oder Judenverbrennung. Es geht hier darum, dass in unserer Gesellschaft Vergewaltigung noch immer ein Tabu ist und immer von einer Opferschuld gesprochen wird, was einfach definitiv nicht sein kann. In diesem Kontext darf es keine künstlerische Freiheit geben, sondern es sollte klar sein, dass Gedichte wie dieses das Denken fördert, es sei völlig ok, wenn eine Frau mit Ko-Tropfen außer Gefecht gesetzt wird und man mit ihr machen kann was man will. Frau muss verfügbar sein. Immer. Das ist ein großes gesellschaftliches Problem und deswegen ist dieses Gedicht einfach nur krank, falsch und hat nichts mit Kunst zu tun.

    ~~ noli timere messorem ~~