Walter Tevis - The Queen's Gambit

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    "The Queen's Gambit" von Walter Tevis


    In den 60er Jahren:

    Die 8jährige Beth Harmon verliert bei einem Unfall ihre Mutter und muss ins Waisenhaus. Dort verabreicht man den Kindern Beruhigungsmittel, schickaniert sie und überhaupt, man lässt sie keine Kinder sein. Im Waisenhaus ist es außerdem schwer, Freundschaften zu schließen. Beth, auch früher nicht gerade das lebenslustigste Kind der Welt, zieht sich in sich zurück. Eines Tages beobachtet sie den Hausmeister beim Schachspiel - und ist sofort Feuer und Flamme.


    Eine deutsche Übersetzung gibt es leider nicht. Aber nachdem die Netflix-Serie Erfolge feiert, darf man vielleicht hoffen? Ich habe das Buch in der russischen Übersetzung gelesen, weil ich die Beschreibung so interessant fand und kein Netflix habe.

    Ich bin so durchgerauscht!


    Das Schachspiel ist eines der ältesten und interessantesten Brettspiele der Welt und längst nicht jedermanns Sache. Obwohl Schach in diesem Buch eine große Rolle spielt, kann man es auch lesen, wenn man sich nicht für das Spiel interessiert. Ich selbst weiß, wie es gespielt wird, aber da hört es auch schon auf. Ob die ganzen im Buch erwähnten Züge auf die beschriebene Art möglich sind, kann ich also nicht beurteilen. Es tut dem Lesevergnügen keinen Abbruch. Die Turniere lesen sich oft wie Kampfszenen, Figuren werden hin und her geschoben und geopfert. Die Schachspieler sind wie Generäle, die ihre Truppen zum Sieg führen wollen, und alle Züge schon vorab im Kopf durchrechnen müssen.


    Die Hauptfigur Beth ist ein ungewöhnliches Mädchen, später eine junge Frau, die sich nur lebendig fühlt, wenn sie spielt. Die Siege sind ihr Aphrodisiakum.

    Ihr zu folgen, die Entwicklung zu beobachten, ist nicht nur spannend, sondern auch äußerst faszinierend. Ihre ärgsten Gegner sind nicht die Schachspielgegner, sondern die Tabletten und der Alkohol. Sie wurde bereits im Waisenhaus tablettenabhängig (gemacht) und als sie nicht mehr an Tabletten herankam, griff sie zum Alkohol. Als Leser fiebert man ständig mit, ob sie nun das nächste Spiel verliert, weil sie sich am Vortag wieder hat volllaufen lassen, oder gewinnt.

    Ihr Kampf gegen die Sucht ist ebenso zum Nägelkauen spannend beschrieben wie die Schachturniere.


    Gegen die Hauptfigur verblassen alle anderen Figuren. Sie ist halt die Königin, die Dame auf dem Feld. Die anderen, z. B. Beth' Freundin oder ihre Liebhaber, haben zwar wichtige Auftritte, aber im Grunde will man nur wissen, wie es mit Beth weitergeht.


    "The Queen's Gambit" geht in meine diesjährige Lesestatistik als eines der Jahreshighlights ein.


    Fazit: Definitiv nicht nur für Schachfans.


    5ratten


    ***
    Aeria

  • Ich habe die Serie auf Netflix in einem durchgeschaut - auch für mich ein Highlight, wenn auch kein buchiges.

    Viele Grüße Babsi

  • Ich habe das Buch in zwei Tagen ausgelesen, weil ich unbedingt wissen wollte, wie Beths Geschichte weiter- bzw. ausgeht. Und ich wurde nicht enttäuscht, der gesamte Roman hat mir ausgesprochen gut gefallen (obwohl ich kein besonderer Schachfan bin).


    Beth hat nach dem Tod ihrer Eltern schon früh ein schweres Schicksal zu tragen, weil sie in einem Waisenhaus aufwächst. Das heimliche Schachspielen mit dem Hausmeister im Heizungskeller ist von Anfang an reizvoll für sie und bietet ihr eine geistige Fluchtmöglichkeit aus ihrem tristen Dasein. Und obwohl verschiedene Erwachsene schnell erkennen, dass sie ein außerordentliches Talent hat, kann sie nur davon träumen, unterstützt bzw. gefördert zu werden.


    Das ändert sich nach ihrer Adoption, und das nicht, weil die Adoptiveltern hier besser agieren würden, sondern zunächst aus finanziellen Gründen: Der Adoptivvater verlässt die Familie und Beth und ihre Adoptivmutter sind bald auf ihre Einkünfte aus diversen Schachturnieren angewiesen, bei denen auch die Öffentlichkeit auf das jugendliche Talent aufmerksam wird. Trotz der etwas fragwürdigen Motivation ihrer Adoptivmutter entwickelt sich aber doch Zuneigung zwischen ihr und Beth, sodass ihr früher Tod Beth trifft und sie erneut allein dasteht.


    Ab diesem Zeitpunkt entgleisen der Tabletten- und Alkoholkonsum, die Beth schon immer gepflegt hat, um mit ihrer Unsicherheit und ihren Ängsten umzugehen. Letztendlich schafft sie es aber, die eine Person zu finden, die ihr helfen kann: Jolene, ein Mädchen aus ihrer Zeit im Waisenhaus, zeigt ihr den Weg aus ihrer Sucht.


    Für mich ist das Thema des Romans nur vordergründig das Schachtalent der Protagonistin, weit spannender war für mich deren Entwicklung. Obwohl Beth kaum Ermunterung oder positive Bestärkung durch die Menschen um sie herum erfährt, verliert sie nie ihr Ziel aus den Augen, zu einer der besten SchachspielerInnen der Welt zu werden, und das in einer Zeit, in der für Frauen viele Berufs- und Interessensfelder generell noch nicht offenstanden. Dabei muss sie ihre Persönlichkeit weitgehend unabhängig von den üblichen Richtlinien und Maßstäben entwickeln, die durch Erziehungsberechtigte und andere Bezugspersonen gegeben werden - in den allermeisten Momenten ihres Lebens steht Beth allein da und schafft es eben auch überwiegend allein, erwachsen zu werden und ihr Leben zu meistern: Eine toughe Protagonistin, die alles andere als perfekt daher kommt.


    Ein spannendes, vielschichtes Buch, das man auch mögen kann, wenn man nichts vom Schachspielen versteht.

    5ratten