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Ein Wahnsinnsbuch sag ich schon mal - es ist jetzt schon (ich bin erst auf Seite 67) ein Highlight des Jahres. Ich schreibe Tagebuch, es wird also ein bisschen ausführlicher:
Die Autorin muss wahnsinnig recherchiert haben, fast 20 Seiten lang ist die Bibliografie am Ende. Wir erfahren nicht nur viel über die Frauen, sondern auch viel Interessantes über das London in dieser Zeit.
Mehr als die Benennung im Titel spielt Jack the Ripper im Buch keine Rolle. Hier soll es um seine Opfer gehen. Denen hat Hallie Rubenhold nachgeforscht.
Vorab sind im Buch ein paar Zeilen von der US-amerikanischen Schriftstellerin und Aktivistin Audre Lorde (1934-1992) zu lesen. Sie bezeichnet sich selbst als Schwarze, Lesbe, Feministin, Mutter, Dichterin, Kriegerin:
Ich schreibe für die Frauen, die nicht sprechen,
für die, die keine Stimme haben,
weil sie so voller Angst sind, denn wir wurden gelehrt,
die Angst mehr als uns selbst zu respektieren.
Uns wurde beigebracht, dass die Stille uns retten wird,
aber das wird sie nicht.
Audre Lorde
Vorangestellt sind ein Stadtplan von London. Den angezeigten Straßen ist jeweils der Anfangsbuchstabe einer der fünf Frauen hinzugefügt. Ich schätze, das waren ihre Wohnorte. Auf Amazon kann man ins Buch reinschauen und die Karte ist dort auch zu sehen.
Im Vorwort wird über London zur Zeit 1887 allgemein berichtet. Aus der Sicht der Reichen und der Armen. Mehr aus der Armensicht: Wenn die Morde in Whitechapel etwas ans Licht brachten, dann die entsetzlichen, unfassbaren Bedingungen, unter denen die Armen in diesem Bezirk lebten. Und dies in allen Lebensbereichen. Die hygienischen Bedingungen, unter denen die Menschen gehaust haben, können, ja mögen wir uns nicht mal vorstellen. Die, denen es ganz schlimm erging, hausten als Familie in einem Zimmer, das man so gar nicht bezeichnen mag. Da fand alles statt. Da wurde Kohle gelagert, Babys liefen nackig umher, die Notdurft wurde hier getätigt und im Beisein der Kinder wurden neue fabriziert.
Fünf Prostituierte soll Jack the Ripper ermordet haben, doch von dreien der Frauen konnte gar nicht nachgewiesen werden, dass sie diesem Gewerbe nachgingen. Von ihnen wusste man nur, dass sie gelegentlich auf der Straße schliefen, weil ihnen das Geld für eine Unterkunft fehlte. Laut Autopsie wurden alle Frauen in liegender Position ermordet. Niemand in der Nähe hörte Schreie. Eine wurde in ihrem Bett ermordet.
Es lag also nahe, dass sich der Ripper schlafende Frauen suchte. Doch die Polizei hielt hartnäckig an ihrer Theorie von den Prostituierten fest.
Mary Ann Nichols, das wohl erste Opfer von Jack the Ripper, wuchs unter solchen armen Verhältnissen auf. Noch vor ihrem siebten Geburtstag erkrankte ihre Mutter an Tuberkulose, die dann dahinsiechte und starb. Dem Vater Edward Walker ist es hoch anzurechnen, dass er sich weiter um seine Familie kümmerte, was absolut nicht selbstverständlich war zu dieser Zeit. Im Gegenteil, normalerweise geben Väter in dieser Situation ihre Kinder zu Verwandten oder, was noch schlimmer war, in ein Heim.
Polly musste jetzt ganz schnell erwachsen werden, da von ihr erwartet wurde, "ihrem verwitweten Vater zur Seite" zu stehen, "ihm den Haushalt führte und die Familie versorgte".
Als sie den Druckmaschinenbauer William Nichols kennenlernte, ihn heiratete und die ersten Kinder kamen, wurde es für alle zu eng. Da William einen relativ sicheren Job hatte und der Familie ein gutes Sozialzeugnis bescheinigt wurde, bekamen sie eine eigene Wohnung in einer von George Peabody errichteten Arbeitersiedlung. Hier lebten sie wie im Luxus, es gab Gasbeleuchtung, einen Müllschlucker, mehrere Wandschränke, sogar eine Küche.
Mittlerweile hat das Paar fünf Kinder, hatte sozialen Umgang mit einem benachbarten Paar, und Polly den Verdacht, dass ihr Mann mit der Nachbarin ein Verhältnis begonnen hat. War sie "nur" eifersüchtig, hatte sie eine postnatale Depression? Als sie es nicht mehr aushielt, verließ sie die Familie und ging ins Armenhaus, denn beim Vater konnte sie nicht unterkommen.