03: Part 5-7 (Valentine Ketterley/Wave/Matthew Rose Sorensen)

Es gibt 23 Antworten in diesem Thema, welches 2.643 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Ich bin inzwischen auch mit meinem englischen Hörbuch durch (das durchgängig super gelesen und sehr gut verständlich war, insbesonders wohl auch weil ich die Geschichte ja schon einmal gelesen hatte) .


    Wie bin ich wieder berührt und begeistert von diesem das Leben bereichernden Buch.


    Gerade am Ende sind so viele wunderbare Gedanken darin. Ich mag Raphael sehr. ihre bedachte, verständnisvolle, unglaublich einfühlsame Art mit Piranesi/Matthew umzugehen. Ich finde man sollte sich von ihr eine Scheibe abschneiden, wenn man mit Menschen redet die vielleicht irgendwelche Probleme haben usw., man sollte sich wirklich immer bemühen die Sache aus deren Augen zu sehen, ihnen dort zu begegnen, ehrlich und offen, wo sie stehen und ihnen nicht immer nur zu sagen wo sie sein sollten.


    Zitat: "Vielleicht ist das so, wenn man mit anderen Menschen zusammen ist. Vielleicht kann selbst jemand, den man mag und unendlich bewundert, einen Die Welt so sehen lassen, wie man sie lieber nicht sehen würde. "


    Während des Lesen hab ich viel über Dinge wie Hypnose und Manipulation nachgedacht, auch über gedankliche Phantasiewelten, innere Flucht, Abspaltung der Persönlichkeit, den berühmten Elfenbeinturm. Das Buch führt einen in der Geschichte in viele verschiedenen Richtungen der rationalen Erklärung, läßt aber bis zum Schluß, bis zum letzten Satz den Raum für das Außerordentliche, das Magische, für den Gedanken, die Möglichkeit, daß doch alles wahr ist.


    Das Ende läßt so manches offen und bietet gerade deshalb weiterhin den Spielraum für das Phantastische und die eigenen Spekulationen. Ich glaub ich hab noch nie ein Buch gelesen daß die Waage zwischen "Realität" und "Phantasie" so gelungen hält.


    Es ist folgerichtig, daß ein anderer Mensch aus "Matthew + Piranesi" geworden ist, weder der eine noch der andere. So eine Zeit kann ja nicht ohne Spuren bleiben. Ketterley hat "Matthew" Gewalt angetan, er hat ihn wissentlich isoliert, seines Lebens beraubt, bis an den Rand des Wahnsinns, in die völlige Verzweiflung getrieben und den Tod des jungen Mannes in Kauf genommen, nur um seinen "Forscherdrang" zu befriedigen. Er wollte diesen "ForscherSklaven" behalten und hat dafür sogar in Kauf genommen andere Menschen zu töten.



    Über Raphael, wie sie in des Haus gekommen ist, warum sie auch länger bleiben kann, ohne ihr Selbst zu verlieren, oder ob das irgendwann auch passieren würde, ...

    Vielleicht liegt der Unterschied auch darin, dass Raphael mehr oder minder freiwillig hinübergegangen ist, während Ritter und Piranesi von Laurence und Ketterley hinüberbefördert wurden?


    Sie wird ja auch von dem anderen Polizisten als eher "eigenartig" beschrieben, schwierig in der Zusammenarbeit, weil sie sehr in ihrer eigenen Welt lebt. So ein bisschen ein Typ mit "dem Kopf in den Wolken" oder eben ein in sich sehr autarker Mensch der ganz eigene gedanklich Wege geht und sich nicht so sehr darum kümmert was andere vielleicht denken.

    Vielleicht ist es diese Eigenschaft, dieser Fokus auf ihre innere Welt, die es ihr ermöglicht hat den Zugang zu finden. Irgendwo während der Geschichte wird ja erwähnt daß es Leute gibt die den Weg finden, ganz ohne Rituale oder andere Hilfsmittel.


    ***

    Zitat von odenwaldcollies

    Matthew scheint wirklich in der Gunst Des Hauses zu stehen, das mit dem Geliebten Kind des Hauses kommt durchaus hin. Jedenfall kann er sich zwischen den beiden Welten bewegen bzw. in Dem Haus länger verweilen, ohne den Verstand zu verlieren,

    Der Gedanke gefällt mir auch, die Idee das daß Haus eine Entität an sich ist.

    Allerdings hatte ich immer wieder den Gedanken, daß Matthew durch die Spaltung seiner Persönlichkeit in "Piranesi" und "Matthew" auf einem harten und sehr dorinigen Weg gelernt hat sich zu beschützen und zu überleben. Wenn Matthew zum Vorschein gekommen ist gab es wohl mehrfach eine Periode der Verzweiflung und Umnachtung, bis Piranesi es geschafft hat Matthew wieder "einschlafen" zu lasen und sich um sie beide zu kümmern.


    Auch beim ReRead mußte ich mitweinen als Raphael Piranesi die Hand auf die Schulter legt und er oder besser Matthew zu weinen begonnen hat. Das ist eine sehr berührende Stelle.


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    Zitat: Die Schönheit des Hauses ist unermesslich, seine Güte grenzenlos.


    Dieser Satz nochmals am Ende des Buches verbindet alles zu einem großen Ganzen, denn auch unserer Welt ist unermesslich schön, und ihre Güte grenzenlos (egal was wir mit ihr anstellen, sie ist immer da, sie ist immer schön) und so sieht es jetzt vielleicht auch Matthew, langsam fängt er an die Schönheit der Welt zu sehen (die nicht perfekt ist, wie es auch das Haus nicht war).

    Alles ist eins und am Ende vermischen sich die Welten in Matthews Weltsicht: "In einer anderen Welt bist Du ein König, edel und gut!" , so wie vielleicht in jedem Menschen noch ein anderer steckt oder viele andere, die nur nicht zum Vorschein kommen, weil es dafür bestimmte Voraussetzungen oder Ereignisse bräuchte. Aber tief in jedem von uns stecken noch andere Ausgaben unseres Selbst.


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    Fazit des ReRead: Ich bin wieder absolut hin und weg. Ein Buch das so viele verschiedene Ebenen bietet wie selten eins. Hochachtung vor Susanna Clarke :anbet:




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    Aeria

    Ich hab von Tarotkarten kaum Ahnung, das ist sehr interessant was Du da schreibst ! Da gibt es eindeutig Verbindungen.


    "Das Aleph" von Borges ist bei mir auch auf die Leseliste gewandert. Von "Piranesi" hab ich schon lang einen Bildband vom "Taschen" Verlag da, den ich natürlich auch wieder rausgekramt habe. Besonders interessant sind im Zusammenhang mit dem Buch die "Kerker"(Carcere) Stiche. John Fowles kannte ich bisher gar nicht, aber werde da auch mal nachrecherchieren ob ich von ihm dann auch mal was lesen möchte.


    Achja und ich sollte wohl doch endlich irgendwann noch "Dr. Strange and Mr. Norell" lesen. Ich habs vor Jahren mal angefangen, aber nicht fertiggelesen und in der Zwischenzeit dann aber auch die Mini-Serie gesehen, die mir recht gut gefallen hat.

    Der Gedanke der "anderen Welt" ist ja auch darin zentral und auch in der Welt verlieren die Menschen die dort landen Ihr "eigentliches" Leben. Allerdings weiß ich ja jetzt nicht so ganz genau wie dieser Gedanke im Buch ausgestaltet ist, meist ist ja die Verfilmung doch anders.



    ***


    Und auch wenn es hier schon ein paar Mal gesagt wurde, ich finde es extrem schade daß es in der deutschen und in der englischen Version kein so tolles Glossar gibt wie in @Aerias russischer Version. Bei so einem Buch mit so vielen Andeutungen, Verweisen und Inspirationen wäre das wirklich sehr hilfreich.


    In diesem Zusammenhang: Es gab einen Addedomarus, er war ein keltischer König eines Reichs im Südosten Britanniens in vorchristlicher Zeit. --> https://en.wikipedia.org/wiki/Addedomarus

    Von den Sternen kommen wir, zu den Sternen gehen wir.

    Das Leben ist nur eine Reise in die Fremde.”

    (aus: "Die Stadt der träumenden Bücher")



    8 Mal editiert, zuletzt von Firiath ()

  • Es ist folgerichtig, daß ein anderer Mensch aus "Matthew + Piranesi" geworden ist, weder der eine noch der andere.

    Das ist ein richtig toller Gedanke, sehr schön auf den Punkt gebracht! So weit hatte ich gar nicht gedacht, aber es ergibt für mich absolut Sinn, dass der Erzähler am Ende des Buches weder wieder Matthew noch immer noch bloß Piranesi ist, sondern eine neue, vielschichtigere Persönlichkeit entwickelt hat, die alles in sich vereint, auch wenn es sich vielleicht für ihn nicht immer danach anfühlt.

    Dieser Satz nochmals am Ende des Buches verbindet alles zu einem großen Ganzen, denn auch unserer Welt ist unermesslich schön, und ihre Güte grenzenlos (egal was wir mit ihr anstellen, sie ist immer da, sie ist immer schön)

    :herz:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich mag Raphael sehr. ihre bedachte, verständnisvolle, unglaublich einfühlsame Art mit Piranesi/Matthew umzugehen. Ich finde man sollte sich von ihr eine Scheibe abschneiden, wenn man mit Menschen redet die vielleicht irgendwelche Probleme haben usw., man sollte sich wirklich immer bemühen die Sache aus deren Augen zu sehen, ihnen dort zu begegnen, ehrlich und offen, wo sie stehen und ihnen nicht immer nur zu sagen wo sie sein sollten.

    Ohja, ich bin froh, dass sie Matthew/Piranesi gefunden hat, endlich ein Mensch, der ihn nicht nur für seine Zwecke einspannen wollte. Und du hast recht, an ihr kann man sich ein Beispiel nehmen.


    Es ist folgerichtig, daß ein anderer Mensch aus "Matthew + Piranesi" geworden ist, weder der eine noch der andere. So eine Zeit kann ja nicht ohne Spuren bleiben.

    Das sehe ich genauso. Es erinnerte mich an die Kinder, die in einem Land aufwachsen, deren Eltern aber aus einem ganz anderen Land kommen; sie fühlen sich auch oft wie "zwischen den Stühlen", weder der einen noch der anderen Kultur 100% zugehörig.


    Vielleicht ist es diese Eigenschaft, dieser Fokus auf ihre innere Welt, die es ihr ermöglicht hat den Zugang zu finden.

    Der Gedanke kam mir auch - und er gefällt mir sehr gut.


    Achja und ich sollte wohl doch endlich irgendwann noch "Dr. Strange and Mr. Norell" lesen.

    Das Buch möchte ich in jedem Fall auch lesen, nachdem mir Piranesi so gut gefallen hat.

    Liebe Grüße

    Karin

  • "Jonathan Strange" ist zwar in vielen Dingen ganz anders als "Piranesi", aber definitiv sehr empfehlenswert. Eigentlich ein perfektes Buch, mit dem man sich an ekligen Wintertagen einkuscheln kann!

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen