Elizabeth George - Something to hide/Was im Verborgenen ruht

Es gibt 7 Antworten in diesem Thema, welches 555 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

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    Inhalt

    Eine Polizistin wird ermordet. Bis kurz vor ihrem Tod hat sie in einer Spezialeinheit mitgearbeitet, wurde aber versetzt. Im Verlauf der Ermittlungen von Thomas Lynley und Barbara Havers stellt sich heraus, dass sie noch weiter ermittelt hat. Führte das zu ihrem Tod? Aber auch ihr ehemaliger Vorgesetzter scheint etwas zu verbergen, genauso wie die Schwester und der Ehemann der Toten. Im Lauf der Ermittlungen entdecken Lynley und Havers eine verschworene Gemeinschaft, deren Strukturen sie nicht durchdringen können.


    Meine Meinung

    Deborah St. John spielt das erste Mal seit einiger Zeit wieder eine größere Rolle und mein erster Gedanke war "nicht schon wieder". Denn sie prescht immer zu weit vor und hat so schon laufende Ermittlungen gefährdet. Hier gefällt sie mir aber gut. Sie ist neugierig, hartnäckig und auch wenn sie sich nicht immer in die Lage der Menschen, denen sie begegnet, hineinversetzen kann, ist sie auch sehr mitfühlend und leistet so einen großen Beitrag in der verworrenen Geschichte.


    Worum es in Something to hide geht, war mir am Anfang nicht klar. Sicher war nur, dass Familie Bankole eine zentrale Rolle spielt. Erst nach und nach habe ich erkannt, dass es um FGM geht. Das ist etwas, von dem ich bis zu diesem Buch nur wenig wusste, worüber ich parallel zur Lektüre ein wenig mehr gelesen habe. Simiola, die achtjährige Tochter der Familie, soll beschnitten werden um einen guten Preis zu erzielen. Dass der Vater, der über die Familie herrscht wie ein Tyrann, die alte Tradition um jeden Preis durchsetzen will, war nachvollziehbar. Dass aber auch die Mutter, die das gleiche erleben musste, Simi beschneiden lassen will, war mir unverständlich. Bei der Mutter habe ich lange gebraucht, um ihre Motive zu verstehen.


    Überhaupt haben sich die Charaktere für meinen Geschmack langsam, fast schon zu langsam entwickelt. Die Handlung mit den vielen verschiedenen Strängen war komplex und es hat nicht geholfen, dass viele manche Charakter fast schon teilnahmslos wirkten. Thomas Lynley und Barbara Havers blieben meistens im Hintergrund. Gerade bei Lynley hatte ich den Eindruck, als ob ihm die Zeit nicht gutgetan hat. Er ist zögerlich, macht sich zwar viele Gedanken, aber sie führen oft ins Leere. Und manchmal erlaubt er sich einen richtigen Schnitzer.


    Something to hide ist eigentlich ein typischer Krimi für Elizabeth George. Es gibt viele Schauplätze und viele Charaktere, die sich erst nach und nach zusammenfinden. Ich sage "eigentlich", weil es für mich ein Krimi von Lynley und Havers war, dazu waren sie mir als Ermittler nicht präsent genug. Vermisst habe ich sie nicht, dazu gab es genug andere interessante Charaktere.

    4ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Gerade auf diesen Band freue ich mich schon sehr, da ich Deborah (und auch ihren Mann) immer sehr mochte.


    Zu weiblicher Genitalverstümmelung: Es ist sehr oft so, das gerade Frauen in patriarchalischen Strukturen bestimmte Voraussetzungen als Frau anerkannt zu sein unterstützen. Auch weil sie es selbst so gelernt haben. Frauen sind tatsächlich oftmals entscheidender und sorgen damit dafür, dass das System weiter aufrecht erhalten wird. Ein weiteres Beispiel bei dem das auch so ist, sind z.B. (Kinder)Zwangsehen.

    Obwohl bereits die Mütter sehr oft viel Leid in einer solchen Ehe erfahren haben, unterstützen sie das System trotzdem um ihren eigenen Platz und Status nicht zu verlieren. (Oftmals sehen sie darin ja vor allem die Sicherheit das auch ihre Töchter diesen Status als Mutter erreichen können, und damit gesellschaftlich abgesichert sind.)

    Deshalb muss ich sagen das mich dieser Aspekt hier auch nicht wundert. Aber danke für deine Ausführungen, es ist ganz gut im Vorfeld gewarnt zu sein, da Thema ist ja schon sehr heftig.

  • Valentine

    Hat den Titel des Themas von „Elizabeth George - Something to hide“ zu „Elizabeth George - Something to hide/Was im Verborgenen ruht“ geändert.
  • Die junge Polizeibeamtin Teo Bontempi wird schwer verletzt in ihrer Wohnung aufgefunden und stirbt kurze Zeit später im Krankenhaus. Deutete zunächst noch alles auf einen unglücklichen Sturz hin, erhärtet sich doch bald der Verdacht, dass sie an den Folgen eines Schlags auf den Hinterkopf gestorben ist. Wirklich brauchbare Indizien gibt es nicht, potentielle Täter und Motive schon, aber es stellt sich als schwierig heraus, den einen oder anderen anfänglichen Verdacht zu erhärten. Eine ziemlich harte Nuss für die Ermittler.


    Der Beginn des Buches liegt allerdings ganz woanders: Deborah St. James ist an einem Multimediaprojekt beteiligt, das den Kampf einer Organisation gegen die leider immer noch in einigen afrikanischstämmigen Communities in London übliche Genitalverstümmelung von Mädchen und Frauen porträtieren soll, und steht dabei im Spannungsfeld zwischen dem Willen, etwas Gutes und Sinnvolles zu tun, und der Frage, ob sie als weiße, privilegierte Frau überhaupt für dieses Projekt geeignet ist.


    Der achtzehnjährige Tani Bankole kann die althergebrachten und unhinterfragten Traditionen der nigerianischen Community, in der er aufgewachsen ist, und das patriarchalische Gehabe seines Vaters kaum noch ertragen. Nur die Sorge um seine kleine Schwester hält ihn noch davon ab, einfach abzuhauen aus diesem Zuhause, in dem er sich nicht mehr wohlfühlt.


    Es dauert gut hundert Seiten, bis überhaupt von dem Mord an Teo die Rede ist und unsere alten Bekannten vom Yard auftauchen. Aber trotzdem hat mich das Buch schon gleich zu Beginn in seinen Bann gezogen, sobald deutlich wurde, welches heikle Thema Elizabeth George diesmal in den Mittelpunkt gestellt hat. Die Ermittlungen selbst sind fraglos spannend, aber fast noch fesselnder war für mich die Geschichte der Bankoles und die Frage, ob es der Familie gelingen kann, sich von überkommenen und schlichtweg falschen Traditionen zu lösen.


    Das sensible und wichtige Thema FGM wird gelungen und mit viel Feingefühl in die Krimihandlung eingebettet, ohne pauschal zu werten oder in sensationsheischende Klischees abzugleiten (Elizabeth George erläutert im Nachwort, dass sie sich dabei auf viele Gespräche mit Betroffenen gestützt hat). Chapeau!


    Das Privatleben von Lynley und Havers tritt hingegen in diesem Band etwas auf der Stelle, insbesondere bei Lynley war das stellenweise ein bisschen fad. Aber die letzten Seiten des Buches lassen hoffen, dass das in einem nächsten Band besser werden könnte.


    Insgesamt ein richtig guter Fall für Lynley, Havers und Nkata (der endlich mal wieder eine tragendere Rolle spielen darf), mit einigen falschen Fährten und der perfekten Mischung aus Krimi und Sozialkritik.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine zweite Meinung

    Es gab einiges, was mir beim zweiten Lesen nicht gefallen hat. Lynley und die St. James' samt Cotter fand ich stellenweise sehr überzeichnet. Mir gefällt auch die Endlosschleife nicht, in der sich Thomas Lynley beziehungstechnisch bewegt. Auf der anderen Seite hat mir Deborahs Rolle zu meiner eigenen Überraschung sehr gut gefallen.


    Trotzdem wünsche ich mir, dass sich die Charaktere endlich weiter entwickeln und nicht immer auf der Stelle treten, denn mir sind die sonst liebgewonnenen Schrullen dieses Mal doch auf die Nerven gegangen.


    Das zentrale Thema berührt mich immer noch sehr. Es ist kaum vorstellbar, dass es immer noch passiert und die fadenscheinigen Rechtfertigungen im Buch haben mich auch dieses Mal wütend gemacht. Elizabeth George hat mit den Betroffenen die Vielschichtigkeit des Themas gezeigt. Das hat sie gut gemacht und mich damit auch ein wenig überrascht, weil ich diesen Tiefgang nicht erwartet habe.


    Das Buch funktioniert definitiv auch beim zweiten Mal.

    4ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • In diesem Teil der Krimireihe um Inspektor Lynley liegt für mich der spannendste Teil der Geschichte eindeutig bei den Geschehnissen rund um Familie Bankole, diese hatten für mich teilweise einen größeren Reiz als die eigentliche Krimihandlung. Und auch in Bezug auf den Mordfall war das Handeln der Personen im Umfeld Teo Bontempis (ihre Familie, ihr Mann, ihr Geliebter) spannender als die Aktionen der ErmittlerInnen.

    Mit Ausnahme Winston Nkatas, der durch die Beteiligung seiner Familie einen größeren Anteil hat, sind die ErmittlerInnen eher Randfiguren, auch durch das wenig ergiebige bzw. teilweise fast nervige Privatleben. Hier hat sich letztendlich der Eindruck festgesetzt, dass alle mehr oder weniger auf der Stelle treten, sowohl Lynley als auch Havers und die St. James´.


    Gerade gegen Ende habe ich mich gefragt, ob dieser Krimi mit der wirklich guten und komplexen Handlung rund um FGM nicht mit unbekannten ErmittlerInnen besser funktioniert hätte. Elizabeth George schreibt nach wie vor gut und hat hier einen überzeugenden Plot vorgelegt, dessen Stärken von Anfang an deutlich werden, vielleicht gerade, weil hier die "bekannten Gesichter" lange noch keinen Auftritt haben. Insofern lässt mich der Roman zwiegespalten zurück: einerseits wünsche ich mir die Begeisterung zurück, mit der ich die ersten Teile der Krimireihe (vor Jahren) gelesen habe, andererseits ist gerade bei diesem Band das Gefühl stark, dass man dem aus der Zeit gefallenen Lynley vielleicht einen komfortablen Ruhestand in seiner Villa in Belgravia oder auf dem Landsitz in Cornwall gestatten sollte, um eine jüngere und glaubwürdigere Ermittlergeneration antreten zu lassen.


    Insofern muss ich bei der Bewertung recht deutlich trennen: ist finde, es ist ein spannender und gut konstruierter, sozialkritischer und aktueller Roman, bei dem der Untertitel "Ein Inspektor-Lynley-Roman" für mich eigentlich nicht mehr passt.

    4ratten

  • Insofern muss ich bei der Bewertung recht deutlich trennen: ist finde, es ist ein spannender und gut konstruierter, sozialkritischer und aktueller Roman, bei dem der Untertitel "Ein Inspektor-Lynley-Roman" für mich eigentlich nicht mehr passt.

    Da stimme ich dir zu. Ich habe sowieso den Eindruck, als ob sich die Reihe immer weniger um Lynley dreht, Krimi hin oder her.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • "Ein Inspektor-Lynley-Roman" ist alleine schon Barbara gegenüber eine Frechheit. Schließlich haben die beiden von Anfang an gemeinsam ermittelt!

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    Leonard Cohen