Jan Weiler - Der Markisenmann

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    Herausgeber ‏ : ‎ Heyne Verlag (21. März 2022)

    Sprache ‏ : ‎ Deutsch

    Gebundene Ausgabe ‏ : ‎ 336 Seiten

    ISBN-10 ‏ : ‎ 345327377X

    ISBN-13 ‏ : ‎ 978-3453273771


    Inhaltsangabe:


    Was wissen wir schon über unsere Eltern? Meistens viel weniger, als wir denken. Und manchmal gar nichts. Die fünfzehnjährige Kim hat ihren Vater noch nie gesehen, als sie von ihrer Mutter über die Sommerferien zu ihm abgeschoben wird. Der fremde Mann erweist sich auf Anhieb nicht nur als ziemlich seltsam, sondern auch als der erfolgloseste Vertreter der Welt. Aber als sie ihm hilft, seine fürchterlichen Markisen im knallharten Haustürgeschäft zu verkaufen, verändert sich das Leben von Vater und Tochter für immer.

    Ein Buch über das Erwachsenwerden und das Altern, über die Geheimnisse in unseren Familien, über Schuld und Verantwortung und das orange-gelbe Flimmern an Sommerabenden.



    Autoreninfo:


    Jan Weiler, 1967 in Düsseldorf geboren, ist Journalist und Schriftsteller. Er war viele Jahre Chefredakteur des SZ Magazins. Sein erstes Buch "Maria, ihm schmeckt's nicht!" gilt als eines der erfolgreichsten Debüts der letzten Jahrzehnte. Es folgten unter anderem "Antonio im Wunderland", "Mein Leben als Mensch", "Das Pubertier", "Die Ältern" und die Kriminalromane um den überforderten Kommissar Martin Kühn. Neben seinen Romanen verfasst Jan Weiler zudem Kolumnen, Drehbücher, Hörspiele und Hörbücher, die er auch selbst spricht. Er lebt in München und Umbrien.


    Meine Meinung:


    Titel: Ruhrpottcharme statt Miami Beach...


    Da ich die Geschichten rund ums Pubertier sehr mag und es hier ebenfalls um ein solches Exemplar geht, begann ich gespannt mit der Lektüre.


    In der Geschichte geht es um Kim, die vor allem mit Wutanfällen, schlechten Noten und noch schlechterem Benehmen glänzt. Als sie etwas Schlimmes anstellt, muss sie zur Strafe die Sommerferien bei ihrem leiblichen Vater verbringen, den sie nicht kennt. Das wird der schlimmste Sommer ihres Lebens oder etwa nicht?


    Während der Schreibstil Weilers es einem leicht macht ins Buch einzutauchen, sind die Figuren erstmal alles andere als liebenswert. Jeder hat sein Päckchen zu tragen, ist nicht in der Lage sich zu öffnen und Reden wird eiskalt überbewertet. Erst mit dem Abbau von Vorurteilen und Klischees entsteht Verständnis füreinander.


    Kim erzählt als erwachsene Ich- Erzählerin von ihrem damaligen Sommer im Jahr 2005, der alles danach veränderte.


    Im Buch gibt es jedoch nicht nur tolle Vergleiche und sprachliche Bilder, die einen zum Schmunzeln bringen, sondern auch tiefgreifende Geheimnisse, die das Leben aller beeinflussen und die erst ganz zum Schluss für Klarheit und mehr Verständnis sorgen.


    Während ich die Kollegen rund um Ronalds Halle ungemein mochte, allen voran Alik, der Kim mal zeigt wie das Leben ohne Überfluss aussieht, mochte ich Kims Stiefvater und das Leben was sie bisher führte so gar nicht. Der Überfluss an allem hat ihre Umgebung doch sehr vergiftet, so dass Missgunst und Häme überwiegen und Freundschaften kaum möglich scheinen.


    Mir haben die zarten Bande zwischen Kim und Alik gefallen, die niemals ins Kitschige gerutscht sind und auch, dass sich Kim so enorm zum Positiven verändert hat, was zeigt dass es immer Möglichkeiten gibt aus sich und seinem Leben noch das Beste zu machen.


    Während ich den Großteil des Romans sehr gern gelesen habe und teils herzhaft lachen musste, so fand ich das Ende etwas drüber. Ich hätte es schöner gefunden, wenn Geld irgendwie mal keine Rolle mehr gespielt hätte.


    Fazit: Mal ein etwas anderer Roman über einen jungen Menschen, der über sich hinauswächst. Gern spreche ich eine Empfehlung aus.


    Bewertung: 4ratten

    &WCF_AMPERSAND"Das Buch als Betriebssystem ist noch lange nicht am Ende&WCF_AMPERSAND" (H.M. Enzensberger)

  • Jan Weiler – Der Markisenmann



    Die 15jährige Kim kennt ihren Vater nicht. Ihre Mutter verließ ihn als Kim 2 Jahre war.


    Dies wird sich jedoch im Sommer 2005 ändern, denn Kim scheint für ihre Familie unerträglich. Es ist nicht das erste Mal, dass Kim die Klasse wiederholen muss. Als dann auch noch ihr Bruder einen „Unfall“ hat, machen Kim Mutter und ihr Stiefvater Heiko, Nägel mit Köpfen. Kim muss in den Sommerferien zu ihrem Vater. Der Mann, über den Heiko nur „von Papen“ redet. Kim ist entsetzt, denn ihre Familie fliegt in die USA und sie wird einfach in den Zug, nach Duisburg gesetzt.


    Für mich war Jan Weiler’s Der Markisenmann, mein bisheriges Jahres-Highlight.


    Ich fand sehr schnell in die Geschichte und mochte, bis auf wenige, alle Protagonisten sehr gerne.


    Kim, die scheinbar nie wirklich erfahren hat, was Liebe ist, ist mir sehr ans Herz gewachsen.


    Ihr Vater Ronald Papen, der Markisenmann, kommt etwas seltsam und einfach gestrickt herüber. Ein Herzensguter Mensch, den man einfach gernhaben muss.


    Die Jungs aus der Kneipe, einer schrulliger als der andere, aber jeder auf seine Weise, ein Unikat, welches man nicht missen möchte.


    Alif, der Kim ebenfalls ins Herz geschlossen hat.


    Meine Lieblinge.


    Wir begleiten Kim, auf ihrem Kennenlernen mit dem Vater und ich war sehr berührt, wie Kim und ihr Vater sich immer näher kommen, wie sie ihm bei seiner Arbeit behilflich ist. Kim erfährt ihre Geschichte, die den Leser möglicherweise überrascht und schockt. Wie kam es zu dem Bruch zwischen den Eltern. Kim möchte alles wissen.


    Und Papen erzählt.


    Ich habe mir sehr viel Zeit zum Lesen gelassen, denn ich wollte nicht das das Buch endet.


    Für mich ein absolut gelungenes Buch mit einem stimmigen Ende.


    5ratten

    :biene:liest :lesen: und hört

    07/60

    2116 /25.525 Seiten


  • Jahreshighlight

    Obwohl Kim in einem wohlhabenden Haushalt quasi im Luxus aufwächst, fühlt sie sich, wie das 5.te Rad am Wagen. Nicht zuletzt da ihr Stiefvater immer wieder kleine Sticheleien und Spitzen über ihren Erzeuger fallen lassen. Eines Tages auf einer Party hat sie einen Aussetzer, infolgedessen ihr Halbbruder schwere Brandwunden erleidet. Ihr Halbbruder kommt ins Krankenhaus. Anschließend fahren ihre Eltern in den Urlaub nach Amerika ohne sie. Denn für Kim hat ihre Familie einen ganz anderen Urlaub geplant. Sie soll ihn bei ihrem Leiblichen Vater Papen verbringen. Dieser lebt in einer alten Lagerhalle, zusammen mit einen riesigen Restposten von Markisen aus DDR Produktion. Kim zieht es fast den Boden unter den Füßen weg, als sie realisiert, das sie für 6 Wochen dort hausen soll. Ist sie anfangs noch von Fluchtgedanken getrieben, arrangiert sie sich nicht nur mit ihren neuer Lebensrealität, sondern findet daran Gefallen. Sie lernt das ganze Gegenteil vom Leben im Luxus kennen und gewinnt zusehens an Bodenhaftung. Auch das Verhältnis zu ihrem Vater wird immer enger. So das er am Ende ihrer gemeinsamen Zeit sein großes Geheimnis offenlegt.



    Der Autor hat es geschafft mich mit seinen mitreisenden Schreibstil zu packen. Nicht zu letzt da er sich nicht nur dem Thema Wohlstandsverwahrlosung, Kindsmisshandlung sondern auch der Nachwirkung der Stasi auf das soziale Zusammenleben widmet.



    Es wird nicht nur Kims Geschichte erzählt, wie sie von ihren Eltern vernachlässigt und regelmäßig drangsaliert wird, sondern auch ihr Scheitern an der Gesellschaft und Schule. Ein Leben im Überfluss mit allem Luxus macht auf lange Sicht auch nicht glücklich. Ihre Leistungen in Schule lassen immer weiter nach und sie verliert den Anschluss. Das sie dann nach ihrem schicksalhaften Aussetzer zu ihrem Vater kommt ist für sie ein Segen. Sie erlebt wie es ist geliebt zu werden, die kleinen Freuden des Lebens zu schätzen. Ihr Wertekompass wird durch ihren Vater nach und nach wieder ins Lot gebracht. Es entwickelt sich eine herzliche Tochter-Vater- Beziehung, von der beide profitieren. Den zum ersten Mal seit über 14 Jahren hat er zusammen mit seiner Tochter Erfolg bei dem Verkauf von Markisen als fahrender Händler im Ruhrgebiet.



    Auch wenn die Figuren in dieser Geschichte alles andere als leicht sind, wachsen sie einen unglaublich ans Herz. Vor allem weil sie sich nicht unterkriegen lassen, sondern ihren Weg finden. Charakterlich wachsen und ihren Wertekompass, im Falle von Kim komplett neu justieren. Die Selbstbestrafung von Papen, in dem er über ein Jahrzehnt an dem Vertrieb von Markisen mit Konstruktionsfehler festhält, zeigt nicht nur welche Schuld sondern auch Scharm seit all den Jahren mit sich herumträgt. Aber gerade das Aufeinandertreffen von 2 gescheiterten Persönlichkeiten, die noch dazu Vater und Tochter sind, sich zusammenraffen und zusammen ein kurzes gemeinsames Erfolgsmärchen schaffen ist einfach unglaublich.



    Fazit: Dieser Roman ist meinem neuen Lieblingsbuch geworden. Nicht zuletzt wegen dieses tollen Schreibstil. Zugegeben der Inhalt bzw. die Themen sind nicht immer einfach, aber wie sich die Figuren im Laufe der Geschichte entwickeln ist einfach nur genial. Ich kann dieses Buch nur jede wärmstens an Herz legen. Von mir gibt es eine ganz klare Leseempfehlung.

    5ratten


  • In “Der Markisenmann” schafft Weiler es, Klischees und Tiefgründiges zu einem kurzweiligen Buch zu vermischen. Ich war immer wieder überrascht, wenn zwischen irgendwelchen banalen Schilderungen feine Beobachtungen versteckt waren. Vor allem beim Zwischenmenschlichen bzw. beim Blick auf die Protagonisten konnte Weiler mich überzeugen. Und angenehm geschrieben liest es sich einfach runter. Neben den Klischees arbeitet Weiler viel mit Gegensätzen: alt und jung, arm und reich, Ost und West,... Und auch das funktioniert. Es fällt auf, es wirkt jedoch nicht konstruiert.


    Dabei ist das Buch wirklich randvoll mit Ruhrpott Klischees, allerdings bleibt Weilers Schilderung bei aller Übertreibung durchweg liebenswert und er macht sich nicht lustig. Egal, ob er die arbeitslosen Trinker beschreibt, die hypochondrischen Rentner oder durchgeknallte Verschwörungstheoretiker. Er beschreibt Menschen mit, naja, ausgeprägten Eigenarten. Dass er viele regionale Besonderheiten gar nicht erwähnt, lässt sich mit Kims Wahrnehmung und dem sehr speziellen Handlungsradius erklären. Dadurch lassen sich wiederum noch mehr Stereotypen unterbringen.


    Und auch wenn ich mir wenig aus Fußball und nichts aus Skat mache, haben mich die Passagen darüber gut unterhalten (und die Verschwörungstheorien der selbsternannten Fußball-Profis haben mich kichern lassen, weil ich ähnliches tatsächlich schon belauschen durfte). Manchmal merkt man jedoch, dass Weiler zwar gut, aber nur recherchiert hat. Wenn z.B. jemand “Pommes Schranke” bestellt, ist es im echten Leben entweder ein Kind oder ein Tourist. 😉 Nur die Tatsache, dass Papen angeblich alles innerhalb einer halben Stunde erreichen könne - von Duisburg aus - das ist eine ziemlich dreiste Lüge.


    Spaß beiseite. Irritierend fand ich, dass die Atmosphäre teils etwas anachronistisch wirkt. Jemand hätte Weiler darauf aufmerksam machen sollen, dass sich das Ruhrgebiet 2005 schon mitten im Strukturwandel befand.


    Die Handlung ist ruhig, aber nicht langweilig. Es zeichnet sich immer wieder ab, dass etwas zur Trennung geführt hat, was Papen aus gutem Grund meidet. Etwas, was durchaus mit der Verfehlung von Kim mithalten kann. Die Hinweise auf die DDR Vergangenheit sind nicht nur ein geschickt platzierter Antagonismus. Die nachdenklichere Stimmung gegen Ende fand ich sehr passend, ebenso das Ende selbst.


    4ratten

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • ... so fand ich das Ende etwas drüber. Ich hätte es schöner gefunden, wenn Geld irgendwie mal keine Rolle mehr gespielt hätte.

    Spannend, das habe ich anders wahrgenommen. Das Geld ist zwar da, aber es nimmt nicht den gleichen Stellenwert ein. Wichtig bleiben andere Werte.

    Ihr Wertekompass wird durch ihren Vater nach und nach wieder ins Lot gebracht.

    Ein passendes Bild, danke!

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges