Louise Erdrich - The Nightwatchman

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    1876 war die Schlacht am Little Bighorn in Montana, 1890 das Massaker von Wounded Knee. Knapp 60 Jahre später in den 1950er Jahren ist die Handlung dieses Buches angesetzt.

    Dem vorausgegangen ist ein unerbittlicher 2. Weltkrieg, der die unmenschlichsten Grausamkeiten hervorgebracht hat. Leider scheinen viele Menschen daraus keine Lehren zu ziehen.


    Das Buch handelt, inspiriert von der Lebensgeschichte des Großvaters der Autorin um den Kampf der Chippewa gegen die Termination Bill, die der Kongress der USA in Washington beschlossen hat.


    Der Stammesführer Thomas Wazhashk arbeitet als Nachtwächter in einer Schmuckfabrik im kleinen Reservat in den Turtle Mountains in North Dakota. Er beschließt, sich gegen die Termination Bill zu stellen und eine Delegation zusammenzustellen, die für den Stamm in Washington im Kongress spricht. Eine Termination würde dazu führen, dass die Weißen das Land wieder zurückbekämen, das Reservat aufhört zu existieren, die Einheimischen sich das Land nicht mehr leisten könnten und in Städte ausgesiedelt werden würden. Sie haben ohnehin nur das schlecht zu bewirtschaftende Land bekommen. Die guten Böden gingen an Weiße zu Spottpreisen.


    Ursprünglich lebten die Chippewa von der Jagd. Sie zogen mit den Büffeln durch North Dakota, Montana und Teilen Kanadas. Durch ihre Reservation mussten sie sesshaft werden und Farmer werden. Nun bestand wieder die Gefahr, dass sie ihren Lebenswandel ändern müssten und in Großstädten sich und ihre Kultur verlieren würden.


    Das Buch berichtet nicht nur vom Kampf gegen die Ungerechtigkeit, sondern schildert auch das Leben im Reservat. Der Alltag vor allem durch die zweite Protagonistin Patrice aka Pixie Paranteau eine junge Chippewa, die in der Schmuckfabrik arbeitet. Ihr Vater ist Alkoholiker und oft monatelang verschwunden, ihre Mutter ist eine Schamanin und Medizinfrau, die kaum Englisch spricht und ihre ältere Schwester ist nach Minneapolis verschwunden, um dort zu heiraten. Dort lief aber nichts nach Plan. Wie in Minnesota vielen native-American Frauen wurde sie dort auch in den Klauen der Unterwelt zwangsprostituiert und verschwand.


    Patrice wollte sie finden, um sie zurückzuholen, fand aber nur ihren Säuglingssohn, der bei Bekannten untergebracht wurde. Zusammen mit einem Freund – Wood Mountain – brachte sie den Neffen nach Hause, wo ihre Mutter und sie sich um das Baby kümmerten.


    Das Leben im Dorf mit allen Vor- und Nachteilen, mit allen Schwierigkeiten wird eindrücklich beschrieben. Speziell auch die Spiritualität, die nach wie vor im Stamm herrscht. Auch die Mormonen, die kommen und in ihrer Arroganz versuchen die Menschen zu bekehren. Das ist auch der katholischen Kirche nicht gelungen. Viele sind zwar konvertiert, aber der alte Glaube ihrer Vorfahren ist dennoch stärker. Viele Rituale werden aufrechterhalten.

    Den Stamm der Chippewa gibt es heute noch, dank Louise Erdrichs Großvater und seiner Delegation. Viele andere Stämme existieren aber nicht mehr.


    Louise Erdrich erzählt eindrücklich in einem wunderbar flüssigen Stil und trotz der tragischen Ereignisse mit viel Humor. Der Humor ist ein Teil des sich Nicht-Unterkriegen-Lassens. Für mich ist das Buch ein absoluter Gewinn. Ich wünsche dem Buch noch sehr viele Leser:innen.


    Weitere fast 50 Jahre später habe ich zwar nicht North sondern South Dakota und Wounded Knee besucht. Im Gespräch mit einigen Menschen, die dort noch in einem Reservat leben habe ich erfahren, dass sich auch 100 Jahre nach dem Massaker die Situation nicht sehr gebessert hat. Von denen, die nicht in die Städte abgewandert sind, blieben wenige, die Casinos betrieben, viele flüchten in Alkoholismus und Drogensucht. Das karge Land, das ihnen zugestanden wurde ist nun wieder in Gefahr weggenommen zu werden, weil unter den Badlands große Bodenschätze vermutet werden.