Mehr Platz der Lyrik

Es gibt 100 Antworten in diesem Thema, welches 6.687 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Saltanah.

  • Ist ja auch kein Problem, und ich wollte hier auch keine Diskussion abwürgen. Aber gerade bei Lyrik finde ich es wichtig, sich über die Herkunft eines Gedichts Gedanken zu machen. Oder über den Kontext.


    Auch ist es unterdessen leider so, dass - gerade bei bekannten Namen - im Internet jede Menge "Zitate" herumschwirrt, die bestenfalls ungefähr so vom jeweiligen Promi geäussert wurden oder auch gar nicht.


    Da bin ich etwas sensibel.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ich habe in der 8. Klasse in meinem Englischbuch dieses Gedicht gefunden und mag es immer noch sehr:


    Tonight at noon

    Supermarkets will advertise 3p extra on everything

    Tonight at noon

    Children from happy families will be sent to live in a home

    Elephants will tell each other human jokes

    America will declare peace on Russia

    World War I generals will sell poppies on the street on November 11th

    The first daffodils of autumn will appear

    When the leaves fall upwards to the trees


    Tonight at noon

    Pigeons will hunt cats through city backyards

    Hitler will tell us to fight on the beaches and on the landing fields

    A tunnel full of water will be built under Liverpool

    Pigs will be sighted flying in formation over Woolton

    And Nelson will not only get his eye back but his arm as well

    White Americans will demonstrate for equal rights

    In front of the Black house

    And the monster has just created Dr. Frankenstein


    Girls in bikinis are moonbathing

    Folksongs are being sung by real folk

    Art galleries are closed to people over 21

    Poets get their poems in the Top 20

    There’s jobs for everybody and nobody wants them

    In back alleys everywhere teenage lovers are kissing in broad daylight

    In forgotten graveyards everywhere the dead will quietly bury the living

    and

    You will tell me you love me

    Tonight at noon


    Adrian Henri

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Kirsten wow. das kannte ich gar nicht. was für ein Hammergedicht. Und die vorletzte Zeile ist so herzzerbrechend. Der Titel allein ist schon der Wahnsinn.


    Irgendwie erinnert es an 'finster wars der Mond schien helle' aber ist dabei soviel tiefgehender. Hammer.

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Kirsten

    Das Gedicht ist ja echt mega! Wie schade das ihr es in der Klasse nie besprochen habt. Aber umso schöner, das es Dir aufgefallen ist.

    Mir gefällt wie es sich immer mehr steigert und eine ganze Geschichte erzählt. Dabei eine gewisse romantische Komponente hat, die Person aber vor allem erzählt, welche Themen sonst wichtig sind, aber eben die Person an die es gerichtet ist genauso.

  • ich habe 2 Ausgaben der Poetry Pharmacy von William Sieghart und im 2. Band ist dieses tolle Gedicht von Robert Frost mit dem Titel 'The Road Not Taken'


    Two roads diverged in a yellow wood,

    And sorry I could not travel both

    And be one traveler, long I stood

    And looked down one as far as I could

    To where it bent in the undergrowth;


    Then took the other, as just as fair,

    And having perhaps the better claim,

    Because it was grassy and wanted wear;

    Though as for that the passing there

    Had worn them really about the same,


    And both that morning equally lay

    In leaves no step had trodden black.

    Oh, I kept the first for another day!

    Yet knowing how the way leads on to way,

    I doubted if I should ever come back.


    I shall be telling this with a sigh

    Somewhere ages and ages hence:

    Two roads diverged in a wood, and I -

    I took the one less traveled by,

    And that has made all the difference.

    ~~ noli timere messorem ~~

  • Ich mag Frosts Melancholie.

    Welcher Weg ist wohl der richtige. Der einfache oder der Mühsame.? Der den alle gehen, oder der noch nicht beschrittene?


    Immer das Gefühl etwas zu versäumen, wenn man den anderen Weg beschreitet, auch wenn beide gleich oft begangen werden?


    Gar nicht so einfach Entscheidungen zu treffen.


    Etwas Herbst und Endzeitstimmung mit vielen dunklen Vokalen/Silben.

    Einmal editiert, zuletzt von b.a.t. ()

  • Robert Frost muss ich immer mehr als einmal Lesen.

    Ich habe seine Gedichte sogar auf meiner Leseliste und habe noch nicht dazu gegriffen. Von ihm begleitet mich auch ein Gedicht seit meiner Schulzeit:


    Stopping by Woods on a Snowy Evening

    Whose woods these are I think I know.

    His house is in the village though;

    He will not see me stopping here

    To watch his woods fill up with snow.


    My little horse must think it queer

    To stop without a farmhouse near

    Between the woods and frozen lake

    The darkest evening of the year.


    He gives his harness bells a shake

    To ask if there is some mistake.

    The only other sound's the sweep

    Of easy wind and downy flake.


    The woods are lovely, dark and deep,

    But I have promises to keep,

    And miles to go before I sleep,

    And miles to go before I sleep.

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Man kommt mit dem Gedichte lesen in diesem Thread kaum hinterher 😅


    Alice das ist ein schöner Text. Meine liebsten Zeilen sind glaube ich "Dass rote Luftballons ins Blaue steigen.
    Dass Spatzen schwatzen. Und dass Fische schweigen" :D



    Robert Frost mag ich ja sehr sehr gerne und dad Gedicht oben war eines der Gedichte die ich früher auswändig wusste, so sehr mochte ich es. Es hat ein klitzekleines bisschen an Zauber für mich verloren aber ich mag es immer noch sehr sehr gerne. Ich habe zwei Gedichtbände von Frost, glaube ich, da ist das Gedicht auch drin (natürlich).

    Ich mag die Atmosphäre sehr, von dem Text.

  • Alice

    Danke für das wunderschöne (und sehr positive!) Gedicht von Mascha Kaléko! Die 3. "Strophe" und diese Zeilen


    Wenn auch die Neunmalklugen ihn nicht sehn.
    Man kann nicht alles mit dem Kopf verstehen!


    wären wohl meine Lieblingszeilen (obwohl alle mir gefallen ;)


    Kirsten

    Das Gedicht von Robert Frost spricht mich auch sehr an; wunderschön!

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Nun will ich auch mal ein Gedicht "zum Besten geben" - dieses hier hat mir ein alter Studienkollege und Freund mal in meine China-Kladde geschrieben:


    XXXIV

    meine Gedanken

    streichen über

    die Vergangenheit

    wie der Wind

    über ein Stoppelfeld

    es gibt kein

    verweilen

    es gibt keine Frage

    nach dem Warum

    es ist nun mal

    das Gesetz des Windes

    daß er

    darüber hinwegfegt

    und nicht stehen bleibt

    all die

    abgeernteten Verhältnisse

    wer hat geerntet

    was kümmert's mich


    (aus: Straßengedichte/ wittich rohleder)

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Alice

    .. sehr positive!) Gedicht von Mascha Kaléko!

    Mascha Kaléko hat ja sehr viel Melancholisches u auch Deprimiertes oder durchaus Empörtes geschrieben, auch davon finde ich vieles sehr schön und "wahr".

    Dieses Gedicht zeigt für mich aber, dass auch immer wieder bessere Zeiten kommen: Für jeden, auch ohne besonderen Grund.

  • Im ersten Moment denke ich tatsächlich vor allem darüber... ja so sollte das mit den Gedanken und Gefühlen bestensfalls sein. Sie streifen um her, man fühlt etwas, aber es ist ok das dann einfach an sich vorbei ziehen zu lassen und die Gefühle nicht hm zu krass fest zu halten und sich darin negativ zu verlieren.

    Realität in meinem Leben: Klappte früher nie. Inzwischen habe ich geübt und es klappt immer besser. Schwierig da eine Balance zwischen Gefühle zu lassen und gleichzeitig auch einfach vorbei ziehen zu lassen zu finden.

  • Ilya Kaminsky - Deaf Rebublic


    We Lived Happily during the War


    And when they bombed other people's houses, we


    protested

    but not enough, we opposed them but not


    in my bed, around my bed America


    was falling: invisible house by invisible house by invisible house --


    I took a chair outside and watched the sun.


    In the sixth month

    of a disastrous reign in the house of money


    in the street of money in the city of money in the country of money,

    our great country of money, we (forgive us)


    lived happily during the war.



    Kaminsky, Ilya (2019): Deaf Republic, 1. Auflage. London. UK: Faber & Faber Unlimited: 3

  • Das "Zerrissene" passt für mich in diesem Fall sehr gut zum Text, auch wenn ich "gleitende" Gedichtzeilen normalerweise lieber mag.

    Ist halt auch kein Gedicht zum Mögen, das beabsichtigt es ja gar nicht.