Wie schon bei anderen Gedichten, die hier vorgestellt wurden, musste ich den Text erstmal wirken lassen und durchdenken, trotzdem bleibe ich bei meinem ersten Eindruck und Interpretationsansatz: Hier wird eine Frau von einem Mann unterdrückt und sie versucht, sich aus dieser Unterdrückung zu befreien.
Am Anfang klingt das Gedicht für mich so, als ob etwas schon länger Aufgeschobenes ("die auf Widerruf gestundete Zeit") bzw. etwas, was sich schon länger angekündigt hat, sich nun verwirklicht. Die "härteren Tage" verdeutlichen, dass dies durchaus ernst zu nehmen ist.
Die Seelandschaft, in der sich die Dinge ereignen, passt mit ihrer Kargheit und dem weiten Blick (der Horizont wird ja explizit erwähnt) sehr gut, hier wird durch die eingesetzten Worte und die dadurch erzeugten Assoziationen ein Gefühl der Vergänglichkeit hervorgerufen (das mich durchaus an einige Gedichte von Theodor Storm erinnert).
Das Versinken der Geliebten im Sand verdeutlicht den Gedanken des Verlusts, auch wenn der Perspektivwechsel an dieser Stelle zunächst für Verwirrung sorgt. Ich lese diese Stelle so, dass derjenige, der die Geliebte verliert, hier direkt mit den Gründen konfrontiert wird: er hat sie bevormundet ("fällt ihr ins Wort", "befiehlt ihr zu schweigen") und die Bedingungen der Beziehung diktiert ("willig dem Abschied nach jeder Umarmung"). Sie muss, um sich dieser Beziehung zu entziehen, aktiv werden, sich von der Szenerie entfernen und von der vermeintlichen Idylle distanzieren - das lyrische Ich klingt für mich nach einem Selbstgespräch, einer klärenden Selbstreflexion, die für die Frau in die Freiheit führen - aber unter harten Bedingungen ("es kommen härtere Tage").
Und damit bin ich bei der zeitgeschichtlichen Dimension: auch wenn das Gedicht vielleicht nicht explizit politisch ist, klingt bei dieser Interpretation die Geschlechterfrage durchaus an, die in den 1950er Jahren sicher nicht zu Gunsten der Frau (und schon gar einer Frau wie Ingeborg Bachmann, die sich in den Augen ihrer Zeitgenossen viele Freiheiten bezüglich ihres Liebeslebens herausgenommen hat) ausgegangen wäre. Ein so selbstbestimmtes Handeln einer Frau kann damals nicht als gänzlich unpolitisch durchgegangen sein.