Auch wenn ich etwas still war, hab ich doch immer mit gelesen und würde gerne das nächste Gedicht präsentieren.
Mehr Platz der Lyrik
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Your's is the stage HoldenCaulfield
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Emily Dickinson (1830 - 1886)
Ich belasse es mal im Original, da ich finde, das es sprachlich einfach dort am besten nachklingt.
I felt a Funeral, in my Brain,
And Mourners to and fro
Kept treading – treading – till it seemed
That Sense was breaking through –
And when they all were seated,
A Service, like a Drum –
Kept beating – beating – till I thought
My mind was going numb –
And then I heard them lift a Box
And creak across my Soul
With those same Boots of Lead, again,
Then Space – began to toll,
As all the Heavens were a Bell,
And Being, but an Ear,
And I, and Silence, some strange Race,
Wrecked, solitary, here –
And then a Plank in Reason, broke,
And I dropped down, and down –
And hit a World, at every plunge,
And Finished knowing – then –
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Hat es gar keinen Titel?
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Nein.
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Ich mag Dickinson und ihren ganz besonderen "Sound", so auch hier.
An eine Interpretation wage ich mich nach dem ersten Leben noch nicht ganz, das muss erst mal ein wenig sacken. Auf den ersten Blick scheint sie ihre eigene Beerdigung zu schildern (und das mit sehr eindrucksvollen, plastischen Beschreibungen), aber ich vermute fast, dass es noch eine zweite Bedeutungsebene gibt. Die kann ich gerade allerdings noch nicht greifen.
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Auf den ersten Blick scheint sie ihre eigene Beerdigung zu schildern
Das Sterben. Oder Wahnsinn.
(und das mit sehr eindrucksvollen, plastischen Beschreibungen)
Oh ja. Eine der ganz Grossen!
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(Ich zerbreche mir die ganze Zeit den Kopf, welche Sängerin das in meinem Kopf immer singt.. schon ein paar Jahrzehnte her... (Hilfe??) Ich finde nur neuere Interpreten (va Andrew Bird u Phoebe Bridgers); das, an das ich mich erinnere, war aber durchaus vom Tempo etwas schneller und leicht "jazzig" angehaucht... finde das durch Googeln erstaunlicherweise gar nicht, schlummert aber sicherlich iwo in unseren CD-Beständen.)
Aaron Copland hat es jdfalls vertont.
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Julie Harris
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Das Sterben. Oder Wahnsinn.
Das passt beides ganz wunderbar als Interpretation, dieses allmähliche Abgleiten und dann nichts mehr (oder zumindest nichts, was bewusst wahrgenommen wird).
Besonders gefällt mir die Stelle "A Plank in Reason broke". Zuerst dachte ich, das spräche eher für den Wahnsinn als Thema, aber beim Sterben ist es ja genauso, dass der Verstand irgendwann aussetzt. Überhaupt findet Dickinson immer so wundervolle Sprachbilder, wirklich eine Meisterin!
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Für mich fühlt es ich wie ein Strudel an in dem die Gedanken gezogen werden. Man verliert sich darin und hat manchmal dann aus eigener Kraft nicht mehr die Möglichkeit sich daraus zu befreien. Ich hab den Eindruck das diese Vermischung aus Tod und Wahnsinn auch die Erleichterung des Todes symbolisieren kann, die dann den Wahnsinn/den Gedankenstrudel etc. stoppen kann.
Ich liebe den Rythmus des Gedichtes auch sehr. Und die Sprache tut mir in der Seele gut^^
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Es gibt bei Dickinson viele Gedichte, in denen sie - nicht den Tod! - sondern das Sterben schildert, mit seltener Eindringlichkeit.
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Ich hatte auch zunächst die Assoziation des Wahnsinns, vor allem wegen der wiederkehrenden Geräusch, die, so unterschiedlich sie auch sind, alle den Eindruck erwecken, dass das lyrische Ich geradezu davon überwältigt wird und eigentlich nicht mehr wirklich handlungsfähig ist. Es wirkt so, als ob sich das lyrische Ich nach und nach auflöst und in einer großen Leere verliert.
Die letzte Strophe hat mich dann aber stutzig gemacht, auch wenn hier der Verlust der Vernunft als Abgleiten in den Wahnsinn gelesen werden könnte, weil sie den Eindruck eines Übergangs vermittelt, das passt dann tatsächlich eher zum Vorgang des Sterbens.
Mit diesem Blick auf das Gedicht finde ich es aber schon gruselig, dass hier die einzelnen Aspekte der Beerdigung (Besucher, Glocken, das In-den-Sarg-legen) vom lyrischen Ich offenbar bewusst wahrgenommen werden, bevor der tatsächliche Tod eintritt. Diese Vorstellung ist sehr beklemmend.
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Diese Vorstellung ist sehr beklemmend.
Oh ja. Dickinsons Vorstellung vom Sterben sind sehr speziell - und beklemmend.
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Es hat wirklich was vom Motiv des lebendig Begrabenwerdens
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Ich muss mir erst noch genauer Gedanken machen und es auf mich wirken lassen - aber ich liebe das Gedicht dass du uns vorstellst, HoldenCaulfield !
Die erste Strophe kommt mir bekannt vor, aber eigentlich denke ich nicht dass ich spezifisch dieses Gedicht schon kannte.
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Damit wir hier auch Dichterinnen vertreten haben und weil ich Else Lasker Schüler allgemein mag, hier mein Lieblingsgedicht von ihr. Es gibt auch eine wunderschöne Vertonung, gesungen von Sonja Kraushofer. Vor einigen Jahren gab es ein Musikprojekt mit Vertonungen der Dichterin. (Unter andrem Katja Riemann, Mietzekatz und andre mehr oder weniger bekannte Sängerinnen/Schauspielerinnen)
Hier das Gedicht, von 1905:
Weltende
Es ist ein Weinen in der Welt,
Als ob der liebe Gott gestorben wär,
Und der bleierne Schatten, der niederfällt,
Lastet grabesschwer.
Komm, wir wollen uns näher verbergen ...
Das Leben liegt in aller Herzen
Wie in Särgen.
Du, wir wollen uns tief küssen -
Es pocht eine Sehnsucht an die Welt,
An der wir sterben müssen.
Dieser Beitrag steht etwas weiter vorne im Thread, ich möchte ihn hier gerne zitieren, weil mir Lasker-Schülers "Weltende" einfiel, als ich länger über Dickinsons Gedicht nachgedacht habe. Ich finde beide thematisch ähnlich, und im jeweils ersten Vers auch vom Ton her, allerdings beinhaltet das Gedicht von Else Lasker-Schüler trotz der angesprochenen Todessehnsucht den kleinen Trost, dass dem lyrischen Ich ein lyrisches Du zur Seite gestellt wird, während Dickinsons lyrisches Ich inmitten vieler Menschen (mourners) ganz allein zu sein scheint.
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Das Gedicht von Emily Dickinson ist wie die meisten von ihr sehr berührend. Sie versteht es Emotionen, auch wenn sie teilweise widersprüchlich sind klar rüberzubringen. Irgendwie so wie die Klarheit des Wahnsinns.
Ich freue mich, dass du eines ihrer Gedichte ausgewählt hast HoldenCaulfield
Ich schreibe gar nicht so viel dazu, viele haben ja schon sehr viel Wahres (für mich wahr) geschrieben. Dickinson hat mich ein ganzes Semester beschäftigt und wir haben die Gedichte, ihr Werk und ihre Biographie bis ins kleinste Detail analysiert.
Daher halte ich mich zurück, weil ich womansplaining genauso wenig mag wie mansplaining ))