Ulla Hahn - Spiel der Zeit

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    Hildegard "Hilla" Palm, das bücherliebende Arbeiterkind, das nie so recht in seine Familie zu passen schien, ist inzwischen erwachsen und studiert in Köln. Das Studentendasein ist gleich in mehrfacher Hinsicht ein krasser Kontrast zu ihrem Herkunftsumfeld, nicht zuletzt aufgrund der erstarkenden Studentenbewegung, die gegen die Obrigkeit, das "Establishment" und reaktionäre Politik aufsteht.


    Hilla selbst steht der Bewegung gespalten gegenüber. Die Inhalte kann und will sie meistens mittragen, die Gewaltexzesse und die heftige Ablehnung alles Althergebrachten stoßen sie aber eher ab. Ähnlich geht es Hugo, ihrem Freund, mit dem sie ihre erste richtig tiefe Beziehung beginnt. Die beiden verbindet eine tiefe Liebe zur Sprache und sie scheinen wie füreinander gemacht, abgesehen von ihren sehr unterschiedlichen familiären Hintergründen.


    Sehr spektakulär ist die Handlung auch im 3. Band nicht, in dem wir Hilla auf ihrem Entwicklungsweg begleiten, aber dafür fängt Ulla Hahn sowohl ihre Charaktere als auch Zeit und Ort ganz wunderbar ein: die spießige Enge, aber auch die Herzlichkeit des dörflichen Lebens, das Aufeinanderprallen verschiedener Lebenswelten zwischen der Kriegsgeneration, die von der Vergangenheit nichts mehr wissen will, und den jungen Menschen, die Aufarbeitung des Geschehenen und Abrüstung fordern, die parallele Existenz streng katholischer Wertvorstellungen und dem Ideal der freien Liebe, aber auch die ganz persönlichen kleinen und großen Dramen, Freuden, Enttäuschungen und Entdeckungen in Hillas Leben.


    Auch die Liebesbeziehung zwischen Hilla und Hugo gefiel mir sehr, dieses herrliche Pendeln zwischen intellektuellen Diskussionen und totaler Albernheit, wie es nur aus großer Vertrautheit heraus entstehen kann, und ich mochte viele lebenskluge Beobachtungen, die so schön formuliert sind, dass man sie sich aufschreiben möchte.


    Allerdings wurde es mir streckenweise etwas zu (literatur)theoretisch, diese Exkurse hätte es für mich nicht unbedingt gebraucht, ebensowenig wie manche etwas länglich ausgewalzten Debatten unter Vertretern der verschiedenen studentischen Strömungen. Vermutlich hat es diese genau so gegeben und Ulla Hahn kennt sie aus eigener Erfahrung, da hätte ich jedoch lieber noch etwas öfter bei Palms in Dondorf am Küchentisch gesessen und Unterhaltungen auf Kölsch gelauscht.


    Aber trotz dieser kleinen Beanstandungen freue ich mich darauf, auch noch den 4. und wohl abschließenden Teil der Reihe zu lesen und bin sehr gespannt, wie es mit Hilla weitergeht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen