Shelly Kupferberg – Isidor. Ein jüdisches Leben

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    Shelly Kupferberg erzählt in diesem Buch das durch Recherchen rekonstruierte Leben ihres Urgroßonkels Isidor. Bilder und Briefe, die sie in der Wohnung ihres Großvaters in Tel Aviv gefunden hat, sowie Nachforschungen in Wien haben sie zum Verfassen des Buches motiviert.


    Er hieß eigentlich Israel und entstammte einem ultraorthodoxen Schtetl in Galizien zwischen Lemberg und Czernowitz in der heutigen Ukraine. Um der Enge zu entkommen und weil er ein sehr guter Schüler war, brachte er es bis in die k.u.k. Metropole Wien. Israel benannte sich um in Isidor, um das Schtetl hinter sich zu lassen. Er studierte Jus und wurde dann vor allem in der 1.Republik ein angesehener Anwalt und Investor, wurde Regierungsberater und Multimillionär.


    Isidors Geschwister lebten nach dem Zerfall der Monarchie auch alle in Wien. Sie waren allesamt nicht besonders religiös, besuchten die Synagoge nur zu den allerhöchsten Feiertagen. Dennoch bekamen sie immer wieder antisemitische Tendenzen in der Bevölkerung zu spüren.


    Die Gefahr, die von den Nationalsozialisten ausging, nahm Isidor zunächst nicht ernst. Er dachte aufgrund seiner Stellung und seines Reichtums lassen sie ihn in Frieden. Sofort nach der Machtergreifung wurde er verhaftet, sein Vermögen wurde großteils konfisziert, er wurde von der Gestapo festgenommen und gefoltert.


    Der Großvater der Autorin, Walter Grab war der Neffe von Isidor und jeden Sonntag bei ihm zum Mittagessen eingeladen. Er war noch Schüler und stand kurz vor der Matura.


    Wie es die Familienmitglieder außer Landes geschafft haben, teilweise nach Palästina und teilweise in die USA, wie sie recherchiert hat, das Grab des Urgroßonkels am Wiener Zentralfriedhof gefunden hat wird sorgfältig belegt und beschrieben.


    Obwohl Isidor Geller im Österreich der 1. Republik ein gewichtiger Mann war, war nicht mehr viel von ihm bekannt. Viele Schicksale bleiben unerzählt weil es keine Nachkommen, keine Menschen gibt, die über ihr Leben berichten können. Das Gedenken an Isidor Geller und seine Verwandten bleibt aufrecht, weil Generationen später eine mittlerweile entfernte Verwandte sich seiner Geschichte angenommen hat.

  • Es ist nicht der einzige Roman, den ich über Schicksale jüdischer Mitbürger - hier eines österreichischen Juden - gelesen habe, da die millionenfachen Opfer des Holocausts dadurch "Gesichter" bekommen: So würde ich "Isidor" als weiteren (literarischen) Stolperstein betrachten, die nicht übersehen oder in diesem Falle ungelesen bleiben sollten, um die Vergangenheit nicht zu vergessen.



    Shelly Kupferberg führt ihre LeserInnen durch das schillernde Leben ihres Großonkels Isidor (einst Israel, der Vater war Talmudgelehrter), das als Kind armer Eltern in Galizien begann. Wir begeben uns mit der Autorin auf eine Zeit- und auch Geschichtsreise nach Galizien, Lemberg und Wien in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts: Auf den Spuren des Großonkels und auf Pfaden, die stilistisch sehr gut und spannend zu lesen sind.



    Die Autorin nutzt für ihre Recherchen Archive, Akten, Fotos und Briefe sowohl in Österreich als auch in der Wohnung des Großvaters Walter in Tel Aviv (Walter sollte es im Gegensatz zu Isidor gerade noch gelingen, Europa zu verlassen....



    Isidor ist bereits als Kind allem Kulturellen sehr zugeneigt, intelligent und will es einmal zu etwas bringen in seinem Leben: Er folgt seinen Brüdern nach Wien, studiert Jura und wird Kommerzialrat; finanziell gelingt es ihm, steinreich zu werden und kann später von den Zinsen leben wie auch seine Familie unterstützen. Er ist Gastgeber von Herrenklubs in der wohlangesehen Canovagasse in Wien, besucht für sein Leben gerne Caféhäuser (in denen sich Intellektuelle und KünstlerInnen gerne trafen), Opern und Konzerthäuser und liebt die kulturelle Vielfalt und das Angebot in der Metropole Wien. Anders als viele andere Juden verharmlost er jedoch lange Zeit das Aufkommen des Antisemitismus (bereits zur Jahrhundertwende gab es diesen bereits; besonders die jüdischen Einwanderer aus Russland berichteten zu dieser Zeit Schlimmes!); verkennt die Zeichen der Zeit und kann Europa demzufolge nicht mehr rechtzeitig verlassen: Die Vorstellung, dass auch ihm Furchtbares widerfahren könne, muss abseits seiner Gedankenwelt gelegen haben. Dies hat mich sehr betroffen gemacht, zumal Isidor Geller, einst Kommerzialrat und durch Fleiß wie auch Intelligenz zu Ruhm und Ehre gekommen, enteignet wurde von den Nationalsozialisten und krank sowie mittellos starb (1938).



    Shelly Kupferberg hat anhand von Fragmenten und großer Recherchearbeit in der eigenen Familie wie auch in Archiven Spurensuche betrieben. Sie hat dafür gesorgt, dass eine wirklich interessante Persönlichkeit einen literarischen Stolperstein erhält, der ihm gebührt. Ich kann diesen auf wahren Hintergründen beruhenden Roman allen LeserInnen mehr als empfehlen, die sich für Zeitgeschichte und Einzelschicksale im letzten Jahrhundert, besonders jüdischer Familien, interessieren und vergebe 5* mit großem Dank an die Autorin!


    5ratten

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Passend zum Thema gibt es seit 2021 in Wien ein neues Shoah Denkmal.

    Da sind die ca. 65000 Namen jüdischer Opfer der Nazis aufgelistet. Damit jeder einen Namen zumindest auf einem Denkmal hat, traditionelle Gräber und Grabsteine wurden ihnen ja verwehrt.


    Shoah-Namensmauern-Gedenkstätte - Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus


    Isidor Geller ist da nicht verzeichnet, er wurde ja begraben und starb nicht direkt in Nazi-Gefangenschaft, sondern daheim an den Folgen der grausamen Behandlung im Gestapo Gefängnis.


    Hier können übrigens Opfer der Nazi Gewaltverbrechen gesucht werden.


    Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstands