Barbara Kingsolver - The Lacuna

Es gibt 25 Antworten in diesem Thema, welches 1.142 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Es hat sich geklärt, warum das erste Kapitel in diesem Buch vom Englisch her so mühselig für mich war - damals niedergeschriebene Erlebnisse eines maximal 13jährigen wurden sehr viel später von ihm selbst literarisch bearbeitet (es gab nach dem 1. Kapitel eine - wohl fiktive ;) - 3seitige archivist's note).

    Also Spannung, wie sich diese Lebensbeschreibung nach Tagebüchern (das nächste, "jahrelang verschollene und dann wiedergefundene" stellt das 2. Kapitel dar..) weiter gestaltet. Aufgrund der anderen Bücher der Autorin will ich dieses, an dem sie wohl recht lange geschrieben hat, unbedingt lesen.

  • Der Schreibstil des Buches und ich finden immer mehr zueinander, es lohnt sich tatsächlich, nicht zu sehr hindurchzueilen. Die Verwendungshäufigkeit idiomatischer Ausdrücke, die sich in keinem Lexikon finden, hat sich nach dem 1. Kapitel auch beruhigt :breitgrins: .


    Der inzwischen 15jährige Protagonist hat inzwischen aus einer sehr ruhigen Gegend Mexikos, wo er auch die namengebende Lacuna erforscht hat, seiner Mutter zu einem neuen lover nach Mexiko City folgen müssen, wo er mangels konsistenter vorheriger Beschulung nicht ins System passt und zeitweilig als plaster maker beim Künstler Diego Rivera landet, der gerade an seinem berühmten Riesenfresko arbeitet. Nächste Idee seiner Mutter ist jetzt, ihn (im gerade angefangenen Kapitel..) wieder zu seinem leiblichen Vater in die USA zu schicken. Wir ahnen, dass das nicht seine letzte Station sein wird..


    Das Ganze lebt von den sehr atmosphärischen Schilderungen der jeweiligen Umgebungen und Personen - ob auch der Handlungsbogen am Ende überzeugen kann, wird sich noch herausstellen. Mich hat die Autorin aber zuweilen schon mit ganz beiläufigen Formulierungen in der Schilderung wie:

    No word is heard from the turkey that chased children from the yard all December. He greets the New Year from the kitchen, a carcass of bones attended by his audience of flies."

    (Vielleicht bin ich ja komisch..)

  • Ich hatte schon vorher gelesen, dass Barbara Kingsolver diesmal sehr viel geschichtlichen background verwoben hat - die Art, wie sie es macht, ist sehr organisch und angenehm, manchmal merkt man kaum, wie man jetzt eigentlich da hingekommen ist.

    Gerade eben habe ich viel über das Kapitel der sog. bonus army (wir begannen 1930..) unter Hoover gelernt und auch nachgelesen - die Vorkommnisse sind so eng mit der Zeit des Protagonisten in dem strengen Internat, in das der liebende Vater ihn gesteckt hat, verwoben, dass einem wieder mal der Unterschied zwischen einem handgestrickten Geschichtsroman und einem wirklich guten demonstriert wird.

    Erst im Nachhinein, dann im Vergleich mit den USA merkt man, wieviel man eigentlich vorher von den Verhältnissen in Mexiko aufgenommen hatte.


    (Was ein bean counter ist, konnte ich noch dem Zusammenhang entnehmen (witzig der Wechsel in der Leguminosenart ^^ - und dann die Übertragung, wird wohl tatsächlich für Buchhalter verwendet Katjaja ?!) - schwieriger schon mit einem Wort wie sockdolager..)

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Davon bin ich übrrzeugt, liebe Katjaja . <3

    Im Buch wird es tatsächlich als Sammelbezeichnung für diverse Angehörige dieser Berufsgruppe benutzt, als reine Vokabel (Beschreibung einer Menge verschiedener Angestellter, die sich vor dem Gebäude versammelt haben).

    Ich fand es halt total witzig, dass unsere Erbsen durch Bohnen ersetzt sind.. ^^

  • Tatsächlich ist der Protagonist - aus dem später der fiktive "relativ bekannte" Autor Harrison Shepherd werden wird - wieder in Mexiko und Teil des Rivera-Kahlo'schen Haushalts. Gerade hat man Logierbesuch von Trotzky, und Frida hat "Harry" auf einem Ausflug auf nicht-sehr-nette Art geoutet..

  • Alice: danke für Deine Leseeindrücke! Die Beschreibung des Truthahns ist wirklich klasse.


    Was ist denn ein sockdolager? Den kannte ich bisher im Gegensatz zum bean counter noch nicht.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Was ich noch nachtragen wollte: Das titelgebende Lacuna steht neben dem Namen des Cenote auf der Insel (kommt wohl auch daher) für so etwas wie "Lücke", "Loch". (Kann man hier auf diverse Art interpretieren..)

    Ich bin gerade etwas Rivera/Kahlo-müde und hoffe, dass sie ihn bald rauswerfen oso - ich hab wohl vorher schon zu viel über die beiden gelesen.. der Schreibstil hält mich aber nach wie vor am Ball".

    Knapp bei Halbbuch.

  • Gefiel mir auch:

    "..drowning her sorrows, until the damn things learn to swim."


    (..und ich habe gerade gelernt, dass man in einem roughcut-Buch nicht blättern kann.)

  • "This is how we celebrate the Day of the Dead in America: by turning up our collars against the scent of the earthworms calling us home."


    In Mexiko scheint das Ganze dagegen eine leichtherzigere Angelegenheit gewesen zu sein.

  • World War II propaganda dress - FIDM Museum
    Sixty-eight years ago today, on June 6 1944, over 150,000 Allied troops landed on the beaches of Normandy, France. Called D-Day, this invasion marked a turning…
    fidmmuseum.org


    Die engeren kürzeren Kleider seit WW2 haben ihren Ursprung also in Stoffspar-Aktionen?? Da sage noch mal einer, dass Lesen nicht bildet.. ^^

  • Ich habe mich jetzt zu etwa 2/3 hindurchgefräst, und es lohnt sich.

    Inzwischen hat Harrison W. Shepherd seinen ersten Roman über historische Geschehnisse Mexikos veröffentlichen können und ist damit plötzlich zum Promi geworden. Zu seinem Charakter und Geschichte passend, igelt er sich in seinem amerikanischen Haus auf dem Land ein und sein Kontakt mit Personen aus seiner Vergangenheit findet vornehmlich schriftlich statt - zum Vorteil des Lesers.

    Eine ganz besondere Figur ist Violet Brown (die Farbigkeit ihres Namens steht im Kontrast zu ihrer sehr dezenten Erscheinung), die Shepherd als seine Sekretärin anstellt. (Sie ist auch der sich öfters im Buch zu Wort meldende archivist "V.B."). Ihre zunächst unauffällige Gestalt birgt sowohl einen messerscharfen Verstand als auch einen höchst urteilsfähigen und moralischen Charakter.


    "If you're standing in the manure pile, it's somebody's job to mention the stink. Those congressmen are saying we have to call it a meadow of buttercups instead of a cesspool. Even the artists have to."

    .. ist ihr Kommentar zur üblichen immer positiven Selbstdarstellung der Nachkriegs-USA.

    Einmal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Das letzte Drittel des Romans spielt weiterhin größtenteils in den USA - auf die genauen Geschehnisse im weiteren Leben Harrison Shepherds möchte ich nicht mehr eingehen, um nicht zu viel vorwegzunehmen. Viele der vorher ausgelegten Mosaiksteichen der Handlung fallen hier an ihren Platz - insgesamt läuft es auf eine sehr herbe Kritik Kingsolvers an ihrem Land in der Zeit des Antikommunismus nach dem Zweiten Weltkrieg hinaus.

    Das Buch umspannt die Regierungszeiten der US-Präsidenten Hoover, FD Roosevelt und Truman - wie sehr es politisch mit ihnen ins Gericht geht, ist am Ende mit "einem Schritt zurück" noch klarer zu erkennen.

    Die Figur des H.W. Shepherd fand ich äußerst glaubwürdig und subtil gezeichnet - einige Kritiker bezeichneten die Figur als blass - die haben mMn den Punkt nicht verstanden.. Den Kunstgriff mit der Archivistin Violet Brown und das Einstreuen von Zeitungsartikeln fand ich sehr wirkungsvoll.

    Was macht es mit einem sensiblen Menschen, wenn er so wurzellos und von den egozentrischen Eltern nur am Rande ihres Lebens wahrgenommen aufwächst - der meist einsam und ein genauer Beobachter ist, der jedoch selten verurteilt - und an entscheidenden Punkten seines Lebens doch immer wieder mal auf ein paar Menschen trifft, die ihm zugewandt sind? Er wendet seine Emotionen nach innen und drückt sie seiner Begabung gemäß aus: Schriftlich. (Eine gute Grundlage für einen Roman..)

    Ich habe geahnt, dass dieses Buch von BK eines der anstrengenderen ist und man Zeit dafür brauchen würde - diese Zeit hat sich jedoch ganz klar gelohnt. Es steht für mich in einer Reihe mit ihrer gleichfalls nicht immer ganz locker zu lesenden Poisonwood Bible - andere Bücher von ihr wie The Bean Tree, Pigs in Heaven und Prodigal Summer fand ich ungleich "leichtleserlicher", aber eben auch weniger komplex. Die Sprache ist ein Fest des Amerikanischen - vor allem auch der Umgangssprache (was es mir nicht immer ganz leicht gemacht hat..).

    Zu lesen verbleibt mir von Barbara Kingsolver jetzt nur noch Unsheltered - ich bin gespannt.

    2 Mal editiert, zuletzt von Alice ()

  • Die Sprache ist ein Fest des Amerikanischen - vor allem auch der Umgangssprache (was es mir nicht immer ganz leicht gemacht hat..).

    Trotzdem liest man es wohl am besten im Original, sofern man gut genug Englisch kann, oder?


    Ich kann nicht direkt sagen, dass ich Lust habe, es jetzt sofort zu lesen, weil es schon etwas anstrengend klingt, aber neugierig gemacht hast Du mich definitiv.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Valentine: Ich denke, ja. Es lebt ja von dieser Sprache. Und die ist auch nicht kompliziert im Sinne von hochgestochen - eher.. ungewohnt, und im 1. Kapitel halt wg des Küchenjungen noch mit etwas Spanisch durchsetzt.

    Weiß auch gar nicht, ob es überhaupt übersetzt ist.

  • Na gut, dann hast Du mich jetzt überzeugt und es landet doch auf dem Wunschzettel :)

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Keine Sorge, nicht bequatscht, sondern wirklich Neugier geweckt mit den schönen Zitaten.

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    Leonard Cohen