Dörte Hansen - Zur See

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    Eine kleine Insel in der Nordsee. Hier leben Hanne Sander und ihre Familie. Früher galt ihr Haus für ihre Sommergäste als heile Welt , in die man Jahr für Jahr gerne zurückkehrte. Jetzt machen die Besucher lieber einen Kurzurlaub mit Wellness, als in das gemütliche Haus zurückzukehren. Ohnehin ist es mit der Gemütlichkeit schon lange vorbei. Der Vater hat die Familie verlassen und lebt als Vogelbeobachter in einer kleinen Hütte, der älteste Sohn hat sein Kapitänspatent verloren und arbeitet jetzt auf der Fähre. Die Tochter ist Altenpflegerin und der jüngste Sohn ein Künstler, der mit Strandgut arbeitet. Eine Familie sind sie fast nur noch dem Namen nach, jeder lebt für sich.


    Fast könnte man meinen, es passiert nicht viel in dem Buch, denn anfangs wirkt Zur See wie eine Beschreibung von Hannes Alltag und ihre Gedanken. Ihr Jüngster hat Geburtstag, sie strickt ihm wie jedes Jahr einen Pullover und wird später mit ihm feiern gehen. Aber gerade aufgrund ihrer Gedanken und Erinnerungen entwickelt sich langsam die Geschichte. Jedes der Kinder erzählt seine Geschichte und mit diese Gedanken und Erinnerungen malen ein Bild mit vielen Farben, von denen auch viele dunkel sind.


    Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Hanne ihre Familie anders sieht, als die übrigen Familienmitgliedern. Und weil sie das tut, hat sie nicht immer das nötige Verständnis für die Entscheidungen, die Kinder und Mann getroffen haben. Das bedeutet nicht, dass sie einander nicht lieben. Aber für mich war die Familie Sander eine Familie nur dem Namen nach. Innerhalb dieses Konstrukt war jedes einzelne Mitglied alleine, vielleicht auch, weil sie nicht miteinander reden.


    Überhaupt wird im Buch wenig geredet. In meiner Ausgabe fällt auf Seite 46 der erste direkte Satz. Vielleicht muss man am Meer nicht viel reden. Aber wenn man so wenig miteinander redet, wie in diesem Buch, kann keine Gemeinsamkeit entstehen.


    Ich hatte vor der Lektüre viel über Zur See gelesen und alle schienen begeistert zu sein. Deshalb war meine Erwartungshaltung schon hoch, aber sie wurde noch übertroffen.

    5ratten


    Liebe Grüße

    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • nun bin ich noch mehr gespannt auf den Vormerker in der Biblio; danke für Deine Rezi, Kirsten !

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • nee, mit nächster Woche wird nix mit dem Abholen des Vormerkers: Bin an 5. Stelle

    (bei 15 Vormerkungen/3 Expl.) - dat dauert noch ^^

    "Bücher sind meine Leuchttürme" (Dorothy E. Stevenson)

  • Sagota Vorfreude ist ja bekanntlich die schönste Freude und du hast gerade sehr viel davon ;)


    EDIT: habt ihr gemerkt, dass ich den richtigen blauen Avatar erkannt habe?

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ach, schade. Aber immerhin rückst du dann ja auch eine Position vor.

    Und ich hab schon überlegt, was ich im Buch vergesse und was Sagota dann nächste Woche im "In Büchern gefunden"- Thread nennt. ^^

  • Leider hat mir "Zur See" bei Weitem nicht so gut gefallen wie die anderen beiden Romane von Dörte Hansen, ich bin mir nach der Lektüre sogar sicher, dass ich nicht noch mal ein Buch von ihr lesen möchte, und das hat im Wesentlichen zwei Gründe:


    Ich kann mit den Figuren dieses Romans nicht viel anfangen. Die dysfunktionale Familie Sander mit ihren eigenwilligen Charakteren ist ziemlich unsympathisch, noch schlimmer ist dann nur der weinerliche Pastor, der sich durchgehend selbst bedauert, es aber nicht schafft, irgendetwas in seinem Leben zu verändern. Die anderen vorkommenden Männer (Jens, Ryckmer und Hendrik Sander) scheinen sich auch von ihrem Schicksal treiben zu lassen, handlungsfähig erscheinen nur die Frauen der Familie (Hanne und Eske), die aber vor allem gut darin sind, Urteile über andere Menschen zu fällen, und sich selbst nicht wirklich kritisch betrachten.


    Ist die Abstammung "aus altem Inseladel" (S. 187) Grund genug, auf alles und alle herabzusehen? Natürlich sind die Auswirkungen des Tourismus in touristisch erschlossenen Gebieten oft nicht schön (und das nicht nur auf Inseln), aber letztendlich sind es doch auch die Menschen vor Ort, die diese Erschließung mit vorantreiben und von ihr profitieren. Den Verlust alter Lebenweisen dann nur den TouristInnen anzukreiden und voll Verachtung auf diese hinabzublicken finde ich arrogant, zumal sich hier die Frage nach den Alternativen stellt, denn den im Roman so oft beschworenen Walfang als Existenzgrundlage gibt es nun mal nicht mehr. Hier wird Strukturwandel sehr deutlich abgelehnt und einer guten alten Zeit nachgetrauert, die bei genauerem Hinsehen dann doch nicht so gut war. Das ist inkonsequent und darüber habe ich mich in der Dauerschleife dieses Romans zunehmend geärgert, zumal es leider keine wirkliche Handlung gibt (geschweige denn eine Entwicklung der Figuren), die von dem Gejammer über die bösen TouristInnen ablenkt, die in ihrem Urlaub in Horden die Insel überfallen und den armen InsulanerInnen auf den Geist gehen.


    Ich habe aufgrund des Klappentextes durchaus mit einem ernsthaften Buch gerechnet, hätte mich aber über die dort beschriebene "große[...] Wärme" gefreut, stattdessen bleibt nach der Lektüre eher die Kälte als dominierendes Element dieses Romans zurück, die auch im Text immer wieder beschrieben wird: "Es müsste eigentlich ein Wort für diese Kälte geben." (S. 167).


    2ratten